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Schockanrufe und WhatsApp-Enkeltrick auf dem Vormarsch
Lokales 3 Min. 12.02.2023
Spiel mit der Angst

Schockanrufe und WhatsApp-Enkeltrick auf dem Vormarsch

Die Täter suchen sich mit ein paar Tricks gezielt ältere Opfer.
Spiel mit der Angst

Schockanrufe und WhatsApp-Enkeltrick auf dem Vormarsch

Die Täter suchen sich mit ein paar Tricks gezielt ältere Opfer.
Foto: DPA
Lokales 3 Min. 12.02.2023
Spiel mit der Angst

Schockanrufe und WhatsApp-Enkeltrick auf dem Vormarsch

Opfer werden oft so unter Druck gesetzt, dass sie nicht mehr klar denken können. Auch in Luxemburg nehmen die Fälle zu.

(dpa/lrs) - Es ist Nachmittag, kurz nach 14.00 Uhr. Das Telefon klingelt, auf dem Display steht „Unbekannt“. Eine Mainzerin nimmt den Anruf entgegen - und ist geschockt. Eine aufgeregte Frauenstimme ruft ins Telefon: „Mama, ich habe einen schlimmen Verkehrsunfall gehabt.“ Die Seniorin, die die verzerrte Stimme nicht sofort zuordnen kann, fragt: „Bist du verletzt?“ Am anderen Ende dann die Antwort: „Ich habe einen Mann tot gefahren.“ Da habe die 85-Jährige an der Stimme erkannt, dass das nicht ihre Tochter war. „Ich habe “Lüge!„ ins Telefon gerufen und aufgelegt“, erzählt sie.

Glück gehabt. Denn Ermittler wissen, wie der Anruf weiter gegangen wäre. „Die Betrugsmasche ist bekannt“, sagt Bastian Kipping vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz in Mainz. Die Anruferin hätte dann wohl erzählt, dass sie ins Gefängnis müsste und dies nur mit einer Kaution umgehen könnte. Dafür bräuchte sie das Geld ihrer Mutter. Oft würden bei Schockanrufen fünf- bis sechsstellige Beträge verlangt, sagt Kipping. Leider hätten die Betrüger immer wieder Erfolg.

Zunahme der Fälle in Luxemburg


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Über Schockanrufe und Handys angebahnte Betrügereien sind nicht nur in Deutschland ein Problem. Sie beschäftigen auch die Nachbarländer. Beim Gemeinsamen Zentrum für Polizei- und Zollzusammenarbeit in Luxemburg habe die Zahl der Anfragen wegen solcher und ähnlicher Betrügereien im Jahr 2022 um 17 Prozent zugenommen, berichtet der Luxemburger Koordinator Roland Weber. „Der Enkeltrick kommt sehr häufig vor. Das sind meistens deutschsprachige Anrufer.“

In Luxemburg gingen die gemeldeten Betrugsfälle 2022 um 17 Prozent nach oben.
In Luxemburg gingen die gemeldeten Betrugsfälle 2022 um 17 Prozent nach oben.
Foto: Shutterstock

Schäden in Millionenhöhe

Zig Millionen Euro sind es nach Angaben der Ermittler im Jahr, um die Menschen in Rheinland-Pfalz über diese betrügerischen Anrufe gebracht werden. Genaue Zahlen gebe es nicht, weil nicht alles zur Anzeige komme. Nach Angaben des Innenministeriums in Mainz gehen die Zahlen bei Schockanrufen seit 2018 nach oben. In 2022 standen rund 3.600 Anrufe in der Statistik, bei denen fast 130 erfolgreich waren - mit einem Schaden von mehr als vier Millionen Euro. Ein Jahr zuvor hatten die Betrüger noch 2,4 Millionen Euro ergaunert.

„Wir kennen Geschädigte, die gesagt haben: "Ja, wir kannten die Masche. Aber die haben das dermaßen gut gemacht und so viel Druck erzeugt, dass man irgendwann eingeknickt ist"“, erzählt Kipping. Die Betrüger seien meist „rhetorisch geschickt“ und spielten immer wieder mit den Ängsten - nach dem Motto: „Wollen Sie denn, dass Ihr Enkelkind verstirbt? Es braucht das Medikament.“ Wenn es um solche Ängste gehe, könne man „nicht mehr klar denken“.

Hochkonjunktur für WhatsApp-Enkeltrick

Aktuell „Hochkonjunktur“ habe der WhatsApp-Enkeltrick, berichtet Kipping. Ein SMS kommt aufs Handy: „Hallo Mama, mein Handy ist kaputt. Das ist meine neue Handynummer. Bist du zuhause? Schreib mir mal über WhatsApp.“ Im Dialog stellt sich schnell heraus, dass das vermeintliche Kind Probleme hat und Geld braucht. „Hier geht es im Schnitt um 3.000 Euro“, sagt der Polizist. In 2022 habe sich hier der angerichtete Schaden im Land auf rund zwei Millionen Euro belaufen.


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Professorin Michaela Brohm-Badry von der Universität Trier erklärt, warum Opfer in solchen Fällen oft nicht nüchtern reagieren. „Der Enkeltrick soll bei Menschen panische Angst auslösen, also eine schwere psychische Belastung“, sagt sie. Das Stresshormon Cortisol werde freigesetzt, das schnelle Reaktionen „auf beängstigende Situationen“ ermögliche - wie Angriff oder Flucht.

„Die schnelle Reaktion verlangt aber, dass alle anderen Hirnfunktionen, die gerade nicht sinnvoll erscheinen, unterdrückt werden – zum Beispiel ruhiges Nachdenken über die Situation.“ Oft gehe dieser Zustand mit dem Empfinden einher, „betäubt“ zu sein, sagt die Lernforscherin. Diese Betäubung ist die Unfähigkeit, Reize angemessen zu verarbeiten. „Es ist die Bewusstseinsverengung auf die überlebenswichtigen Funktionen.“


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Wie aber kommen die Betrüger an die Telefonnummern? Zum einen klassisch über das Telefonbuch, sagt Kipping. „Die gucken da explizit nach älteren Namen wie Mathilde, Hildegard etc.“ Oder über Datenleaks via vermeintliche Gewinnspiele, die man anklickt - und über die sich Schadsoftware installiert. „Dann werden alle Daten ausgelesen, auch die Kontakte - und alle angeschrieben.“

Immer neue Maschen

Das Phänomen sei schwer in den Griff zu bekommen. Es gebe immer wieder neue Maschen. Und wenn ein Geld-Abholer geschnappt werde, sei dies nicht der Drahtzieher. „Die sitzen sehr oft im Ausland.“ Die Anrufe kämen über generierte Nummern und Call Center. „Da wurden auch schon öfter welche in der Türkei hochgenommen, aber es rücken dann andere nach, weil das ein lukratives Geschäft ist“, sagt Kipping.

Gut sei, dass die Banken inzwischen gut geschult seien für Fälle, in denen Senioren plötzlich hohe Summen abheben wollten. Durch Nachfragen seien da schon viele Fälle verhindert worden. Oft hätten ältere Menschen aber auch viel Bargeld zu Hause.

Die Täter finden immer neue Maschen.
Die Täter finden immer neue Maschen.
Foto: DPA


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