Santer und das Gladio-Amalgam
Santer und das Gladio-Amalgam
Ex-Staatsminister nimmt Stellung zu umstrittenen Aussagen von 1990 und 2008
(str) - „Jiddereen ass iergendwou involvéiert an dëser Affär“: Mit dieser Aussage hatte Ehrenstaatsminister Jacques Santer im Jahr 2008 für Aufsehen gesorgt. Am Mittwoch musste er sich hierzu vor der Kriminalkammer erklären.
In der 167. Sitzung betonte Santer, dass diese Aussagen nur in ihrem wahren Kontext einen Sinn ergeben würden. „Das war in einer parteipolitischen Auseinandersetzung“, unterstrich der Ex-Premier. „Damals wurde meine Partei von den anderen Parteien heftigst angegriffen“. Was er gemeint habe, sei, dass alle Parteien im Bommeleeër-Dossier eine gewisse Verantwortung hätten – und nicht, dass alle Parteien für die Anschläge verantwortlich seien. Zum einen seien Regierungen in Luxemburg immer „mehrfarbig“ und zum anderen, hätten die anderen Parteien zuvor auch Staatsminister und Armeeminister gestellt. Demnach sei es völlig falsch, der CSV die alleinige Verantwortung zu unterstellen.
Todeslisten
Santer musste am Mittwoch aber auch zu einer anderen Aussage Stellung beziehen. Er hatte, als der Gladio-Skandal 1990 ans Licht kam, gegenüber dem Parlament gesagt, er sei genau so überrascht gewesen, wie etwa sein Amtskollege aus Belgien. „Heute würde ich das nuancieren“, gestand Santer. Stay Behind sei damals kaum ein Begriff gewesen. Seine Aussage habe sich allein auf eine Struktur wie jene von Gladio bezogen. Immerhin sei damals in der Motion des Abgeordneten Huss von Todeslisten die Rede gewesen, von so etwas habe er nichts gewusst, und so etwas habe es in Luxemburg seines Wissens auch nicht gegeben.
Er habe sich stets auf das verlassen, was die Geheimdienstführung ihm gesagt habe. „Für mich war klar, dass der ,Plan‘ grundsätzlich etwas anderes war, als Gladio und daher auch mit Sicherheit nichts mit den Bommeleeër-Attentaten zu tun hatte“, bekräftigte Jacques Santer. Das Amalgam zwischen Stay Behind und Gladio sei schlicht falsch.
Santer untermauerte seinen Standpunkt mit einem Dokument des „Centre Français de Recherche sur le Renseignement“, in dem der Autor Gerald Arboit unterstreicht, dass es sich bei Stay Behind um nichts anderes als logistische Schläferzellen handelte. Die Exzesse in Italien, Belgien und der Türkei seien Ausnahmen und nicht die Regel. Es sei ein Irrtum, dass die Luxemburger Presse im Zusammenhang mit der Bommeleeër-Affäre das Gegenteil glaube und behaupte. „Ein Faschist“, urteilte Vogel hastig und wollte nichts mehr davon hören.
Das Fischbach-Missverständnis
Vom beigeordneten Staatsanwalt Georges Oswald wurde Santer auf eine These angesprochen, mit der die Verteidigung Ex-Armeeminister Fischbach konfrontiert hatte: Die Attentate seien von der Regierung nicht nur toleriert, sondern angeordnet worden, mit der Vorgabe, den Schaden in Maßen zu halten. „Ich habe keine Kenntnis davon“, sagte Santer sichtlich irritiert. Er könne sich so etwas auch nicht vorstellen. Dann meinte er, er könne aber auch nicht ausschließen, dass die Armee irgendwelche Abkommen getroffen habe – eine Aussage, die mit Erstaunen aufgenommen wurde.
Dann zeigte sich allerdings, dass Santer Oswald schlicht und einfach falsch verstanden hatte: Er dachte Ex-Armeeminister Fischbach hätte dies vor Gericht behauptet, nicht die Verteidigung.
Keine Namen
Zuvor hatte Santer angemerkt, dass die Attentäter ihr Handwerk offensichtlich verstanden. „Man spürt förmlich, dass es da Leute gibt, die wissen, wer es war“, sagte Santer. Das sei ein Eindruck, der bei der Beobachtung des Prozesses unweigerlich entstehe. Namen nennen wollte der Ex-Premier aber nicht. „Das sind ja keine Tatsachen, sondern lediglich mein Eindruck“, beharrte Santer. Er könne nicht einfach Mutmaßungen in den Raum stellen, für deren Wahrheitsgehalt er nicht garantieren könne. Zum Ende der Sitzung willigte Santer dennoch ein, dem beigeordneten Staatsanwalt Oswald seine Überlegungen mitzuteilen.
Am Donnerstag wird der Prozess mit der Anhörung vom ehemaligen Srel-Vize Robert Rollinger fortgesetzt.Kommende Woche wird es am Montag und am Dienstag keine Sitzung geben. Ab Mittwoch soll die Konfrontation zwischen Guy Stebens und Georges Zenners verlesen werden. Möglicherweise sollen in den kommenden Wochen auch noch ehemalige „Plan“-Agenten vorgeladen werden.
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