Richter erneut auf der Anklagebank
Richter erneut auf der Anklagebank
Zu sechs Monaten Haft auf Bewährung war im Juli 2017 ein ehemaliger Vormundschaftsrichter verurteilt worden. Sandro L. war angelastet worden, in einem Fall einen Amtsmissbrauch begangen zu haben. Er hatte nämlich eine intime Beziehung zu einer Schutzbefohlenen unterhalten.
Es handelte sich dabei um eine junge Frau mit einem schwerwiegenden Alkoholproblem und schlechtem Umgang. Nachdem zunächst der Vater des Mädchens versucht hatte, seine Tochter unter Vormundschaft zu stellen, hatte der Richter sich aus prozeduralen Gründen selbst befasst. Dann kam es zu der Beziehung, bei der der Richter sich sofort für befangen hätte erklären und das Dossier an einen anderen Richter abgeben müssen. Das tat er aber nicht.
100.000 Euro Schmerzensgeld
Weder der Verurteilte selbst noch die Staatsanwaltschaft hatten Berufung gegen das Urteil eingelegt. Dafür aber die Eltern des Mädchens als Nebenkläger. Sie hatten eine Schadenersatzforderung in Höhe von 100.000 Euro gestellt, auch weil sie den Richter für den Tod des Mädchens mit verantwortlich machen. Das Gericht hatte die Schadenersatzforderung allerdings abgewiesen.
Vor dem Appellationshof schilderte der Anwalt der Eltern am Montag nun erneut deren Leidensweg. „Die Eltern haben sich Sorgen gemacht und den Schutz der Justiz beantragt“, führte Me François Moyse aus. Doch der Vormundschaftsrichter habe dann schlechte Entscheidungen gefällt und aufgrund der Beziehung zur Tochter nicht mehr objektiv gehandelt. „Die Eltern waren dem Richter ausgeliefert und konnten dann nichts mehr tun, um ihre Tochter zu schützen“, betonte der Anwalt.
Eine besonders schlechte Entscheidung sei etwa gewesen, der notorischen Alkoholikerin zu erlauben, ein Auto kaufen. Mit diesem sei sie dann auch bei einem Unfall im Juli 2014 unter starkem Alkoholeinfluss tödlich verunglückt.
„Richter nicht Schuld am Tod“
Der Verteidiger von Sandro L. sah das am Montag anders. Es sei nicht die Rolle der Vormundschaft, jemanden vom Alkoholkonsum abzuhalten, sagte Me Rosario Grasso. Der Richter habe sich minutiös an die Prozeduren gehalten. Es habe keinen Grund gegeben, den Kauf des Wagens zu verweigern. Dass die Vormundschaft zu einem gewissen Zeitpunkt ganz aufgehoben worden sei, habe der Richter nicht allein entschieden. Das Urteil aus erster Instanz sei daher zu bestätigen – demnach ohne Schadenersatzzahlung.
Das Urteil des Appellationshofs ergeht am 21. März.
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