„Praktesch ondenkbar!“
„Praktesch ondenkbar!“
(str) - Mit Spannung wurden am Donnerstag sowohl die Anhörung von Ex-Srel-Operationschef Frank Schneider als auch jene der beiden Stay-Behind-Agenten Wetz und Schenten erwartet. Überraschungen blieben allerdings aus.
In der 170. Sitzung im Bommeleeër-Prozess erklärte der beigeordnete Staatsanwalt Georges Oswald, dass bei der Auswertung des zweiten Srel-Archivs in Senningen stichhaltige Hinweise dafür zu Tage gefördert wurden, dass der Geheimdienst sich doch intensiver mit der Anschlagsserie befasst hat, als bisher bekannt. Konkret geht es um zwei Berichte – beide allerdings ohne Angaben zum Verfasser. Im ersten Dokument unter dem Titel „Le terrorisme au Grand-Duché de Luxembourg“ vom 6. September 1986 sind detaillierte Ausführungen zu jedem der Attentate zusammengefasst. „Do ware Leit ganz gutt informéiert“, betonte Oswald am Donnerstag. „Déi Informatioune koume net aus der Press!“
Der zweite Bericht beinhaltet Schlussfolgerungen zu grundlegenden Fragen zur Attentatsserie: Wo und wann schlugen die Täter zu? Wie war ihre Vorgehensweise? Welches Material verwendeten sie? „Dat beleet, datt sech ganz wuel Gedanke gemaach goufen“, unterstrich Oswald. „An datt Leit sech awer méi wäit domat befaasst hunn, an sech duerchaus bewosst woren, datt dat hire Béier wor.“
Über jedes Attentat gebe es ein Kapitel, bloß zum Anschlag auf den Justizpalast, an einem Abend an dem der Srel in direktem Zusammenhang mit der Bombenserie im Einsatz war, gebe es nur eine Zeile. „Do bleiwt engem jo de Mond opstoen“, wetterte Oswald. Die vorsitzende Richterin Sylvie Conter wertete dies als weiteres Zeichen dafür, dass an jenem Abend etwas Bedeutsames passiert sein muss oder jemand bei der Tat gesehen wurde. Ab diesem Zeitpunkt sei im Dossier zudem aber auch alles schief gelaufen.
„Fir wéi domm haalt Dir eis?“
„Fir wéi domm haalt Dir eis?“, fragte Oswald wenige Minuten später den Zeugen Frank Schneider. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter war genau wie sein Kollege André Kemmer und ihr Chef Marco Mille im Rahmen der „Srel-Affäre“ in die Schlagzeilen geraten. Oswalds Frage zielte darauf, dass Schneider wohl im Besitz eines zusammenfassenden Berichts der Sûreté aus dem Jahr 1988 war, diesen aber eigenen Aussagen nach vergessen hatte, gegenüber seinem Chef Marco Mille zu erwähnen und ihn auch nicht an diesen weitergab. Außerdem erklärte er am Donnerstag vor der Kriminalkammer, dass er nicht wisse, wie der Bericht in seinen Besitz gelangte. Dann erklärte er, dass er nicht sicher sei, ob er den Bericht überhaupt gelesen habe, da er ihn „net fir fënnef Sous“ interessiert habe.
Geheimnisvoll tat Schneider, als er am Donnerstag seine Hypothese zur Attentatsserie vertrat. Die Anschläge müssten in ihrem historischen Kontext betrachtet werden, einer Entspannungsphase im Kalten Krieg. „De Lénksrutsch huet d'Amerikaner serieux gestresst“, untermauerte Schneider. „Et ass praktesch ondenkbar, datt et näischt ginn huet, wat iwwert de 'Plang' erausgaang ass. Et ass onwarscheinlech, datt et kee 'Groupe Action' ginn huet.“ Schneider musste allerdings zugeben, dass er über kein einziges konkretes Element verfügt, das auf die Existenz einer derartigen Einheit hindeutet. Die Hypothese sei aber logischer als jene, dass eine kleine Gruppe wütender Gendarmen, die Anschläge geplant, ausgeführt und zudem über 30 Jahre hinweg die Geheimhaltung gewährleistet habe, meinte Schneider. Hier müsse einfach eine komplexere Struktur dahinter stecken.
Schneider und der Artikel 16
Zum Schluss der Verhandlung deutete Schneider zudem an, es habe bei einem Arbeitstreffen in Amerika auf allerhöchster Ebene einmal eine Andeutung gegeben, die für den Kontext der Affäre interessant sein könnte. Mehr wollte er unter Berufung auf seine Geheimhaltungspflicht als Ex-Geheimagent nicht sagen. Es wurde schließlich entschieden, dass er der Kriminalkammer die Aussage in einem verschlossenen Umschlag übergeben soll und das Verfassungsgericht dann entscheidet, ob die Aussage zulässig ist oder nicht.
Der ehemalige Generalsekretär der Abgeordnetenkammer Pierre Dillenburg erklärte am Donnerstag, sein Vorgänger Guillaume Wagener habe ihm niemals Einblick in Akten gewährt. Daher wisse er auch nicht, ob Wagener irgendwelche Dossiers zum Bommeleeër oder Stay Behind mitgenommen habe, als dieser seinen Posten verließ.
Bernard Geiben kenne er seit jeher gut. Die Gerüchte zu einer Tatbeteiligung Geibens habe er bereits nach dem zweiten Anschlag vernommen. Er glaube Geiben aber, dass er nichts mit den Anschlägen zu tun habe. Dennoch habe auch er sich zu Beginn die Frage gestellt „ob et net de Ben wor“. Auf die Frage, wie er denn auf Geiben gekommen sei, blieb die Antwort aus. Er sei aber nicht der Einzige gewesen, der an Geiben gedacht habe, sagte Dillenburg. „Jiddereen denkt un de Geiben, mä jiddereen seet dann et passt net bei en“, ärgerte sich Nebenkläger Philippe Penning. „Ech gesinn jo och net an en eran“, rechtfertigte sich Dillenburg.
Stay-Behind-Agenten als Zeugen
Mit Spannung erwartet wurde am Donnerstag die Anhörung von zwei ehemaligen Stay-Behind-Agenten. Jean Wetz erklärte im Zeugenstand, dass er von Beginn an und bis ganz zum Schluss dem „Plan“-Netzwerk angehörte. Seine Rolle habe sich auf jene eines Funkers beschränkt. Nur einmal habe er an einer Übung teilgenommen, bei der Material aus einem Flugzeug abgeworfen wurde. Von anderen Agenten oder Netzwerken sowie dem Waffenversteck habe er nichts gewusst. „Ech hu meng Missioun gemaach a färdeg“, erklärte er. „De Rescht ass mech näischt ugaang“.
Daniel Schenten wurde Mitte der 1980er-Jahre von einer flüchtigen Bekanntschaft rekrutiert. Seine Rolle im Netzwerk war die eines Schleusers an der französischen Grenze. „Eigentlech wollt ech an d'Arméi, mä duerch verschidden Ëmstänn ass et net dozou komm“, betonte er. „Dat hei war eng aner Méiglechkeet fir mengem Land ze déngen“. Neben der Ex- und Infiltrierung von Personen, bekam er ebenfalls eine Funkerausbildung und lernte die nächtliche Kennzeichnung von Hubschrauber- und Fallschirmlandeflächen. Eine Waffe habe er nie besessen – nur Funk- und Chiffriermaterial.
Kein Prozess bis zum 16. Juni
Zum Schluss der Sitzung gab es dann doch noch eine Überraschung: Aus organisatorischen Gründen wird der Prozess bis zum 16. Juni ausgesetzt.
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