Politik des leeren Stuhls
Politik des leeren Stuhls
Ungewohnt war die Abstimmung über die Umgehungsstraße von Niederkerschen am Dienstag in der Chamber in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur, weil es nach der Abstimmung etwas Verwirrung darüber gab, worüber man denn nun eigentlich abgestimmt hatte – das Computersystem des Abgeordnetenhauses hatte statt des Gesetzentwurfes eine Motion angezeigt – sondern auch, weil die beiden LSAP-Abgeordneten aus Sassenheim, Bürgermeister Georges Engel und Schöffin Simone Asselborn-Bintz, nicht an der Abstimmung teilnahmen. Am Ende wurden 58 von 60 möglichen Stimmen abgegeben, 56 für das Contournement und zwei dagegen.
Zuvor hatte Josée Lorsché (Déi Gréng) das Projekt vorgestellt und Michel Wolter (CSV), Yves Cruchten (LSAP), Max Hahn (DP) und Fernand Kartheiser (ADR) hatten eine Lanze für das Gesetz gebrochen, während Marc Baum (Déi Lénk) gegen den Bau argumentiert hatte.
Michel Wolters Manko an Fiduz
„Die Notwendigkeit dieser Straße zu bestreiten, ist nicht möglich“, so Michel Wolter. Dies hätten die staatlichen Verwaltungen durch eine große Zahl an Dokumenten und Analysen bewiesen. Wolter ging auf die Atemluftbelastung ein und darauf, dass sich das Verkehrsproblem mittlerweile nicht mehr nur auf die Hauptstraße in Niederkerschen beschränke, sondern auch die Ausweichtrassen in den Nachbardörfern belaste. Was die oft genannte Natura-2000-Zone angeht, durch welche die Straße führen wird, so sagte er, dass es keine richtige Prozedur gegeben habe, um diese Zone als solche auszuweisen. Der damalige Schöffenrat habe erst viel später erfahren, dass auf seinem Gebiet solch eine Zone durch einen Brief des Ministeriums an Brüssel ausgewiesen worden war.
Die Hauptargumente, warum dieses Gebiet aus Natura-2000-Sicht schützenswert sei, seien zudem falsch. Damals habe es geheißen, es gäbe hier eine Pfeiffengraswiese. Das habe zu dem Zeitpunkt aber nicht gestimmt. Dort habe es eine Sumpfdotterfeuchtwiese gegeben. Die schützenswerte Pfeiffengraswiese hingegen, sei erst viel später vom Sicona-Syndikat angepflanzt worden.
Auch seien Eichenheinbuchen als Argument für die Zone benutzt worden. Deren gäbe es aber von viel besserer Qualität an vielen anderen Orten in der Gemeinde Käerjeng. Doch nur die von schlechter Qualität, die sich auf der Trasse der seit mehr als 30 Jahren versprochenen Umgehungsstraße befinden, seien geschützt worden, so Wolter. Dieses Vorgehen zeige ihm, dass es immer Kräfte gegeben habe, die gegen das Projekt dieser Straße gearbeitet hätten „Wann een dat gesäit, da kritt een ee Manktum u Fiduz“, so Wolter.
Angeblich bessere Messwerte
Als einziger Redner kündigte Marc Baum an, seine Fraktion, Déi Lénk, werde gegen das Gesetzesprojekt stimmen. Baum sagte, das Hauptargument der Befürworter der Straße, die schlechte Luftqualität, habe keinen Bestand mehr. Er begründete dies mit Berichten, nach denen rezente Messungen ergeben hätten, die neuesten Messwerte seien wieder innerhalb des Toleranzbereichs.
Yves Cruchten (LSAP) unterbrach Baum bei dieser Aussage und erklärte, die neuesten Messungen hätten wieder viel schlechtere Werte ergeben. Die Messungen mit den besseren Ergebnissen seien während der Dauer einer Baustelle durchgeführt worden, während welcher der Verkehr zeitweise umgeleitet worden war.
Auch Minister François Bausch (Déi Gréng) ging auf die Luftqualität ein. Die sei keine Bagatelle. Schlechte NOX-Werte und Feinstaubbelastung können das Immunsystem schwächen, besonders bei Kindern und älteren Menschen. Auch sei die Luftqualität nicht das einzige Argument für die Straße. Als weitere nannte er die Lärmbelastung, die Entwicklungschancen der Gemeinde Käerjeng und die Anbindung der Industriezone von Niederkerschen. Er stehe zu 100 Prozent hinter dem Projekt, da er überzeugt sei, dass es wichtig und richtig sei, so Bausch.
Die Sassenheimer und die Rekursmöglichkeit
In einer Pressekonferenz hatten Déi Lénk Bürgermeister Georges Engel vor der Chambersitzung „Verrat an der Sache“ unterstellt. Dies wegen seines angekündigten Fernbleibens bei der Abstimmung, aber auch weil Déi Lénk der Meinung waren, die Sassenheimer Gemeinde werde nun keinen Recours mehr gegen das Gesetz beim Verwaltungsgericht einlegen.
„Das stimmt so nicht“, sagte der so Gescholtene wenig später dem LW auf Nachfrage hin. Noch gestern hatte Georges Engel im LW gesagt, dass der Gemeinderat beschließen müsse, ob die Gemeinde einen Recours einlegen wird oder nicht. An dieser Position habe sich nichts geändert, bestätigte er. „Ich halte mich an das, was ich noch immer gesagt habe: Der Gemeinderat trifft die Entscheidung, was geschieht. Ich kann das sowieso nicht alleine entscheiden.“
Allerdings ist die nächste öffentliche Ratssitzung in Sassenheim erst für den 28. September anberaumt. Und die Frist zum Einreichen eines Recours endet 40 Tage nach der Veröffentlichung des Gesetzes. Hierauf angesprochen erklärte Georges Engel, dass für kommenden Freitag eine nicht öffentliche Ratssitzung zu den sektoriellen Leitplänen angesetzt sei. Dort wolle der LSAP-CSV-Schöffenrat das Thema zur Sprache bringen, und der Gemeinderat soll in dieser Sitzung eine Entscheidung zu einem möglichen Recours treffen.
Serge Urbany von Déi Lénk hatte sich zuvor äußerst zuversichtlich gezeigt, dass solch ein Recours Aussicht auf Erfolg hätte, wenn er denn eingereicht würde. Allerdings könnte nur die Gemeinde, ein direkt betroffener Anwohner oder das Mouvement écologique solch eine Prozedur in die Wege leiten, so Urbany.
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