Pharma-Industrie verdiente Milliarden
Pharma-Industrie verdiente Milliarden
(mk) - Ein Jahr ist es her, dass das Virus A(H1N1) - im Volksmund Schweinegrippe genannt - die Welt in Atem hielt. Weltweit wurde am 11. Juni 2009 Pandemiealarm ausgelöst, gefolgt von einer beispiellosen Impfkampagne. Doch recht schnell erwies sich die Krankheit als relativ harmlos und die Regierungen blieben auf Bergen von Impfdosen sitzen, die nicht nur Millionen kosteten, sondern wegen möglicher Nebenwirkungen auch stark kritisiert wurden.
„Dies ist ein hochbrisantes Thema und ein regelrechtes Wespennest, in das wir gestochen haben“, unterstrich der Grünenabgeordnete und Mitglied der parlamentarischen Versammlung des Europarates, Jean Huss, bei der Vorstellung eines Berichts des Europarates. Dieser wurde im November 2009 in Auftrag gegeben und nimmt die Impfkampagnen zur Grippebekämpfung etwas genauer unter die Lupe.
Als einer der Hauptkritikpunkte stellt sich die Definitionsänderung einer Pandemie heraus, für die Alarmstufe sechs ausgelöst wird, und die alle Länder zu einer Impfkampagne verpflichtet. Zu diesen Kriterien gehörte lange Zeit, dass es sich um ein neues Virus handeln müsse, das hochansteckend sei und sehr viele Schwerkranke und Tote fordern würde. Allerdings tauche dieser wesentliche letzte Punkt in der abgeänderten Version, auf die sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2009 zur Auslösung der Pandemie berief, nicht mehr auf, unterstrich Huss. Die Namen der Experten, die dies veranlassten, seien streng geheimgehalten worden.
Lukrative, aber geheime Knebelverträge mit den Regierungen
Sich berufend auf Expertenberichte von Virologen, die bereits beim Auftauchen von SARS (2001) und der Vogelgrippe (2005) die Panik geschürt hätten, sei die pharmazeutische Industrie an die Regierungen vor allem reicher Länder herangetreten und habe ihnen Vorverträge angeboten, um eine schnelle Lieferung an Impfstoffen zu garantieren zu können.
Dabei handele es sich um Geheimakten, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, und wahre Knebelverträge, so Huss. Darin verpflichte sich nämlich der Unterzeichner mindestens 50 Prozent der bestellten Menge zu kaufen, auch wenn überhaupt kein Bedarf besteht. Vor allem sei aber klar verzeichnet, dass die Firmen keine Haftung für etwaige Nebenwirkungen übernehmen.
Mit weltweit 18000 Toten blieb das Virus A(H1N1) wesentlich harmloser, als etwa die saisonale Wintergrippe, die jährlich rund 500.000 Tote fordert. In Luxemburg wurden drei Todesfälle mit der Schweinegrippe in Verbindung gebracht, die rund drei Millionen teure Impfkampagne (nur 33.000 Dosen wurden gespritzt) floppte. Sie wurde übrigens auch von den Bevölkerungen in den meisten Ländern abgelehnt.
Mehr Öffentlichkeit und Gegenexpertisen
Auf gut 40 Milliarden Dollar soll sich allerdings der Gewinn summieren, den die vier großen Hersteller des Impfstoffes in den letzten neun Monaten der Kampagne einstrichen. Wenn man bedenke, dass 2006-2007 rund 72 Prozent der Spendengelder an die WHO aus privaten Quellen stammten und bei der 15-köpfigen strategischen Beratergruppe über Impfungen bei der WHO (SAGE) zwei Drittel stark in die Pharma-Industerie eingebunden sind, komme man nicht darum herum, sich zu fragen, wer die Politik bei der WHO bestimme, ergänzte Huss: „Aus diesen Vorfällen müssen wir Lehren ziehen“
Er fordert eine absolute Transparenz in allen Entscheidungen, die das Gesundheitswesen betreffen und somit eine besondere Auswirkung auf die Krankenkassen haben. Die bestehenden, undurchsichtigen Verträge müssten neu verhandelt, oder besser noch, annuliert werden. Zudem müsse die WHO die Alarmstufe sechs unbedingt neu definieren und ihre Vertrauenswürdigkeit wieder herstellen. Sonst seien weiteren Pandemiehysterien vorprogrammiert.
Nicht zuletzt sei es an den Regierungen, sich mit der Problematik zu befassen und eine breite, öffentliche Diskussion zu ermöglichen.
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