Novembermorde von 2016: Wenn Zeugen schweigen
Novembermorde von 2016: Wenn Zeugen schweigen
(SH) - Zwei Bekannten hatte Lee K. noch vor seiner Festnahme am 16. November 2016 Informationen über die Morde an Emeka O. und Florentina E. zukommen lassen. Beide Male hatte er seine Schuld gar eingestanden. Die Bekannten nahmen die Aussagen von Lee K. aber nicht ernst – und leisteten ihnen deshalb keine Folgen. Nun sagten sie im Prozess um die beiden Morde von November 2016 als Zeugen vor Gericht aus.
„Ich dachte mir, er wäre auf einem schlechten Drogentrip“, erklärte jener Mann, dem Lee K. am 11. November 2016, also zwei Tage nach dem Tod des nigerianischen Drogendealers Emeka O., gestand, „etwas Schlimmes getan zu haben“. Lee K. hatte dem Mann auch gesagt, dass er jemanden umgebracht habe. „Einer ist gefahren und ich habe ihn erschossen“, soll Lee K. dem Zeugen zufolge gesagt und ihm gar die Waffe und den blutverschmierten Wagen gezeigt haben. Dann soll Lee K. den Mann gebeten haben, ihm Drogen zu beschaffen, damit er „den Kopf frei“ bekomme.
Erinnerungslücken
Vor Gericht musste sich der Zeuge nun den Vorwurf gefallen lassen, dass Florentina E. vielleicht noch am Leben sein könne, wenn er noch am 11. November Kontakt zur Polizei aufgenommen hätte. Die rumänische Prostituierte war am 13. November 2016, vier Tage nach Emeka O., durch einen Kopfschuss gestorben. Das liege ihm auf dem Gewissen, sagte der Zeuge und betonte, dass er bei der Aufklärung helfen wolle.
Nur konnte er sich drei Jahre nach den Verbrechen nicht mehr an alle Details erinnern. Hinzu kommt, dass er noch vor seinem ersten Verhör bei der Kriminalpolizei alle Daten von seinem Handy gelöscht hatte – aus Angst, wegen Drogenkonsums oder -handels belangt zu werden. „In den Nachrichten, die Lee K. mir schrieb, ging es immer nur um Drogen“, beteuerte er. Was genau der Angeklagte ihm jedoch in der Nacht nach dem Mord an Emeka O. geschrieben hatte, wusste er nicht mehr.
Täterwissen
Auch ein weiterer Zeuge hätte das zweite Verbrechen vielleicht verhindern können. Er hatte noch vor dem 13. November von Lee K. ein Foto geschickt bekommen mit einer blutverschmierten Hose und einer Waffe.
Am 14. November 2016 bat Lee K. diesen Zeugen dann zu sich nach Hause. Dort bemerkte dieser, dass das Fenster auf der Beifahrerseite jenes Wagens, auf dem Lee K. fuhr, zersplittert war. Der Mann sollte jedoch noch weitere Informationen erhalten. So sagte der Beschuldigte seinem damaligen Arbeitskollegen, dass er am Abend zuvor mit einer Prostituierten unterwegs gewesen wäre, diese umgebracht und die Leiche dann beim Fräiheetsbam abgelegt habe. Auch habe Lee K. sich beschwert, dass sie nur sieben Euro bei sich gehabt habe und betonte, dass der Mann in den Nachrichten von dem Vorfall hören würde. Dies war auch der Fall, allerdings erfuhr der Mann in den Nachrichten weitaus weniger, als ihm Lee K. zuvor erzählt hatte. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft schloss daraus klare Schlüsse: „Es handelte sich um Täterwissen.“
Drohungen
Dies konnte der Zeuge zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen. Dennoch entschied auch er sich zunächst dazu, zu schweigen. „Ich wollte nicht glauben, dass er so etwas tun könnte“, sagte der Zeuge. Sein Schweigen hatte allerdings noch einen anderen Grund: Lee K. hatte ihm gedroht. Würde er etwas sagen, sei er der Nächste, soll der Angeklagte gesagt haben.
Vor der Untersuchungsrichterin hatte der Zeuge dann auch betont, dass es seiner Ansicht nach wohl zu weiteren Taten gekommen wäre, wenn die Polizei Lee K. nicht gestoppt hätte.
Dass dieser finanzielle Probleme hatte, habe unterdessen jeder gewusst.
Der Prozess wird am 5. November fortgesetzt. Dann sollen die beiden Angeklagten zu Wort kommen. Neben Lee K. muss sich auch Alden S. vor Gericht verantworten, allerdings nur wegen des ersten Mordes.
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