Nigerianische Drogenmafia: Der letzte Zug des Paten
Nigerianische Drogenmafia: Der letzte Zug des Paten
(str) - Es ist die letzte Gelegenheit für Joseph E., den Paten der nigerianischen Drogenmafia in Luxemburg, seiner Haftstrafe zu entgehen. Dabei geht es nicht mehr um die Strafsache selbst, sondern darum, dass es seiner Auffassung nach Formfehler gegeben habe, die zur Annullierung seiner Verurteilung in zweiter Instanz führen müssten – und demnach auch zu einem neuen Berufungsverfahren. Am Donnerstag entscheiden die Richter über seinen Kassationsantrag.
"Wie Nelson Mandela"
Er selbst beteuert nach wie vor seine Unschuld und bezeichnet sich in Briefen an die Presse und an Institutionen gerne als Opfer von Willkür, Rassismus und korrupten Anwälten. Seinen Fall vergleicht er dabei mit keinem geringerem als jenem von Nelson Mandela.
Joseph E. gilt als eine besondere Figur in der Luxemburger Kriminalgeschichte. Er stammt aus Nigeria, lebt seit mehr als 20 Jahren im Großherzogtum und galt als gut integriert. Er ist Familienvater, religiöser Prediger, gebildet, mehrfacher Buchautor – und seit Februar 2018 in zweiter Instanz verurteilter Bandenchef. Als verurteilter Drogenhändler war der heute 49-Jährige bereits zwischen 2010 und 2013 zu Gast im Luxemburger Strafvollzug.
Der Pate zieht alle Fäden
Wie die Ermittlungen im aktuellen Fall zeigten, wollte er scheinbar diesmal alles besser machen. Das hielten die Richter auch so im Urteil fest: Anstatt selbst Drogen zu verkaufen, organisierte er die Strukturen für einen florierenden Handel mit Kokain, Heroin und Marihuana im hauptstädtischen Bahnhofsviertel – und kassierte auf indirektem Weg ab.
Aus der von ihm betriebenen Nice Bar in der Rue de Strasbourg wurden Kunden mit Dealern und Dealer mit Zwischenhändlern zusammengebracht. Geld bezog Joseph E. aber vorrangig daraus, dass er den Drogendealern in einem Gebäude in Wasserbillig Schutz vor der Polizei und Unterkunft bot – im Urteil wird ein Mindesteinkommen von rund 30.000 Euro monatlich festgehalten.
Rückzug in Wasserbillig
Aus der Adresse des Gebäudes, das Joseph E. unter einem religiösen Deckmantel betrieb, an Hausnummer 33 in der Grand-Rue in Wasserbillig, ergab sich während der Ermittlungen die polizeiliche Bezeichnung für die Tätergruppierung: „G33“. Diese galt von 2008 bis zum polizeilichen Zugriff im Jahr 2015 als größte Bande aus der nigerianischen organisierten Kriminalität in Luxemburg.
Das Haus inmitten von Wasserbillig wurde von der Geliebten von Joseph E., der heute 39-jährigen Bekky T., verwaltet. Das Gebäude, in dem, wie im Prozess betont wurde, desolate hygienische Zustände herrschten, war von außen stark abgesichert und wurde von der verschworenen Gemeinschaft als Bunker bezeichnet. Hier galten zudem sehr strenge, von Joseph E. aufgestellte Regeln.
133 verschiedene Bewohner identifiziert
Im fünfmonatigen Observierungszeitraum vom 3. Juli bis zum 26. Oktober 2015 identifizierten die Ermittler insgesamt 133 verschiedene Bewohner, laut Polizei mutmaßliche Drogendealer, die dort ein und ausgingen – um Konsumenten vorrangig im hauptstädtischen Bahnhofsviertel mit Kokain, Heroin und Marihuana zu versorgen.
Die Drogen wurden laut Prozess quasi täglich vom Großhändler Victor N., der unter dem Aliasnamen Paul Henry international bekannt ist, mit dem Zug aus Belgien angeliefert. Im Haus wurde das Rauschgift dann aufgeteilt, gestreckt und portioniert.
Vor Gericht gestellt werden konnten letztlich nur 21 Personen: Joseph E., Bekky T., Paul Henry und 18 Straßenhändler. In erster Instanz wurden Joseph E. und Paul Henry im März 2017 zu einer Gefängnisstrafe von 15 Jahren ohne Bewährung verurteilt. Für Bekky T. lautete das Urteil neun Jahre Haft, von denen drei zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die angeklagten Straßenverkäufer wurden als Drogenhändler innerhalb einer kriminellen Organisation zu Gefängnisstrafen zwischen zwei und sechs Jahren verurteilt.
Mildere Strafen in zweiter Instanz
Das Appellationsverfahren hatte sich für alle Beschuldigten ausgezahlt: Für Joseph E. senkte das Berufungsgericht das Strafmaß im Februar 2018 auf zwölf Jahre, für Paul Henry auf zehn Jahre, für Becky T. auf acht Jahre, mit einem Strafaufschub von drei Jahren.
Im Januar 2019 hatte das Kassationsgericht bereits die Anträge auf Annullierung des Urteils von Bekky T. und Paul Henry abgelehnt. Die Entscheidung im Fall von Joseph E. hatte das Gericht vertagt.
Lehnt das Kassationsgericht das verbleibende Gesuch am Donnerstag ab, sind alle Rechtsmittel vor Luxemburger Instanzen ausgeschöpft und dann ist auch seine Verurteilung rechtskräftig. Geben die Richter dem Kassationsantrag statt, muss der Fall erneut in zweiter Instanz verhandelt werden.
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