Mehr Zusammenhalt!
Mehr Zusammenhalt!
(dco) - Ein Moment der Stille: Im Rahmen des zivilen Festakts zum diesjährigen Nationalfeiertag stand besonders die posthum geehrte Polizistin Yasmine Grisius im Fokus. Im Gedenken hielten alle Anwesenden in der Philharmonie am Morgen des Nationalfeiertags für einen Moment inne.
Zuvor hatten die Angehörigen aus den Händen von Großherzog Henri das "Croix d'Honneur et de Mérite militaire en argent" entgegen genommen – ein bewegender Augenblick, der der Feier seinen Stempel aufdrückte.
Ausgezeichnetes Bürgerengagement
Sechs weitere herausragende Luxemburger oder Menschen mit Luxemburger Wurzeln wurden im Rahmen der Feierstunde ausgezeichnet:
Raymond Braconnier wurde für sein Engagement bei der Protection Civile geehrt, Tilly Pax-Schadeck für ihren freiwilligen Einsatz für die Patienten im Ettelbrücker Centre Hopitalier Neuropsychiatrique, Jean-Claude Biever als herausragender Manager und Unternehmer in der Uhrenbranche, Yasmine Ley für ihren Einsatz bei "Ärzte ohne Grenzen" in Pakistan, Rolf Tarrach als ehemaliger Präsident der Uni Luxemburg und für sein Engagement zum Aufbau der Hochschule sowie der Nobelpreisträger Jules Hoffmann für seine Leistungen in der Wissenschaft.
Politik fordert mehr Zusammenhalt und Wertebewusstsein
In ihren Reden im Rahmen der zum zweiten Mal an einem Nationalfeiertag abgehaltenen zivilen Feierstunde stellten Premier Xavier Bettel und Parlamentspräsident Mars di Bartolomeo ihren Aufruf nach mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft in den Vordergrund.
Xavier Bettel betonte, dass sich das Land gerade an einem Tag wie dem Nationalfeiertag an Grundwerte erinnere – egal ob jung oder alt, Luxemburg wie Nicht-Luxemburger.
"Wir machen das zusammen und sind dankbar für Frieden und Freiheit, die wir genießen. Luxemburg ist ein Land, in dem Menschen aus verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Kulturen und verschiedenen Sprachen zusammenleben. Ohne, dass das zu Konflikten führen wird. Es gibt einen Zusammenhalt in unserem Land, auf den wir stolz sein können. Und den müssen wir weiter stärken. Es gibt aber weiterhin die Notwendigkeit, die Integration zu fördern. Die Bänder, die uns miteinander verbinden, müssen festgezogen werden. Denn nur dann, wenn wir zusammenhalten, haben wir auch eine gemeinsame Zukunft."
Erinnerung an die Vergangenheit, Mut für die Zukunft
Bettel erinnerte 70 Jahre nach der Befreiung 1945 an die Hilfe von außen , die Luxemburg erhalten habe. Gerade im Anbetracht dieser traumatischen Erfahrungen aus dem Krieg, der Armut der Nachkriegsjahre und der tatkräftigen Hilfe von außen, die Luxemburg zum Wiederaufbau erhielt, dürfe man das aktuelle Leid nicht aus dem Blick verlieren.
Gerade deshalb stünden auch die EU-Flüchtlingspolitik im Zentrum der kommenden Luxemburger EU-Ratspräsidentschaft. "Alle Diskussion um Mehrheiten, Zahlen oder Quoten sind unwürdig, wenn es darum geht, Menschen zu helfen, die nichts mehr haben – außer Hoffnung."
Luxemburg setze sich darüber hinaus im Rahmen der Präsidentschaft für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, für ein Aufleben der Wirtschaft, eine nachhaltige Entwicklung und für eine Lösung im Ukraine-Konflikt ein. "Luxemburg will als Mediator arbeiten und Brücken bauen", so Bettel.
Zudem wies Bettel aber nicht nur auf die große Politik hin. Gerade den vielen Menschen im Alltag sei zu danken, die sich – im schlimmsten Fall mit ihrem Leben – für andere einsetzen. "Wir danken ihnen und verneigen uns mit tiefsten Respekt vor ihrer Arbeit und ihrem Einsatz."
Sprache als Bindeglied
Chamber-Präsident Mars di Bartolomeo rückte die zentrale Rolle des "Lëtzebuergesch" ins Zentrum seiner Rede.
"Unsere Sprache ist ein wichtiger Teil unserer Identität, die daneben für eine offene Gesellschaft steht und für eine vielseitige Gemeinschaft ohne Grenzen im Kopf und ohne Extremismus. Bis heute – und hoffentlich bleibt das auch so. Unsere Sprache ist ein Chance, um Menschen miteinander zu verbinden, und nicht zu teilen. Lasst uns mit ein wenig Geduld einerseits und ein bisschen ,gudde Wëllen‘ andererseits, Lëtzebuergesch zu einer Brücke zwischen uns machen – ohne die Sprachen zu vergessen, die unser Schlüssel nach außen hin sind."
Bartolomeo stellte die anstehende Debatte um die Verfassung und die Diskussionen nach dem Referendum als Chance dar. "Ich warne vor falschen Schlüssen. Am 7. Juni haben wir uns vor dem Ausland nicht verschlossen. Wir haben uns nicht gegen mehr Partizipation von einem großen Teil unserer Gesellschaft ausgesprochen. Mit seinem Urteil hat der Wähler uns lediglich gesagt, welchen Weg er bevorzugt und uns in dem Sinne einen Auftrag gegeben."
"Wir alle sind ein starkes Stück Luxemburg"
Di Bartolomeo erinnerte ebenso an die Anschläge von Paris und an das Mitgefühl der Luxemburger. Die Werte, wie die Pressefreiheit, die bei dem Terrorakt auf "Charlie Hebdo" in Frage gestanden hätten, seien zerbrechlich und müssten verteidigt werden. Gerade das Zeichen, das gegenüber der jüdischen Gemeinschaft in Luxemburg gesetzt worden sei, sei ein ebenso wichtiger Schritt diese Werte im Bewusstsein zu halten.
Wie Bettel hob Di Bartolomeo zudem die Pflicht hervor, Flüchtlingen gerade im Anbetracht der eigenen historischen Erfahrungen zu helfen. Luxemburg müsste aber auch auf Vorwürfe aus dem Ausland reagieren und mit Professionalität und Kompetenz im Finanzsektor überzeugen.
"Wenn wir dabei aber bei unserem Nachbar auf eine schwarze Liste kommen, tut das weh." Das Land dürfe nicht zögern, seine wirtschaftlichen Errungenschaften und seinen Modellcharakter im Sozialbereich nach außen vorzuweisen. "Wir alle sind ein starkes Stück Luxemburg."
"Jeder muss seinen Teil dazu beitragen"
Großherzog Henri wies auf die Wurzeln Luxemburgs im Wiener Kongress 1815 und die Ungewissheiten in den ersten Jahrzehnten des Aufbaus hin. Der Freiheitsdrang und der Wunsch nach Unabhängigkeit hätten aber den Willen der Luxemburger unterstrichen. Mit Stolz könne man aber darauf zurückblicken, was sich daraus entwickelt habe – im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich.
Das Staatsoberhaupt betonte die Wichtigkeit, die gemeinsame Solidarität im Land wie mit ausländischen Partnern zu pflegen. "Es braucht eine Auffassung von Identität, die gleichermaßen offen, wie großherzig ist."
Die Klarheit des Referendum-Ergebnisses fordere von den Politikern Verantwortung. Es sei "ein dringender Aufruf, unsere Schicksalsgemeinschaft zu stärken und ein gemeinsames Zukunftsprojekt zu definieren."
Für das harmonische Zusammenleben zwischen Luxemburgern und Nicht-Luxemburgern habe jeder seinen Teil beizutragen. Nicht-Luxemburger sollten sich über die Sprache und ein Engagement in Kultur und Gesellschaft besser integrieren. Luxemburger sollten sich im Gegenzug offen gegenüber Ausländern präsentieren. "Hinter der Reserviertheit" der Luxemburger verstecke sich eine gewisse Scheu, aber auch eine große Herzlichkeit."
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