Cattenom probt den Ernstfall mit einer Sondereinsatztruppe für Nuklearkatastrophen.
Am 11. März 2011 bebt vor der japanischen Ostküste mitten im Meer die Erde. Die Magnitude von 9,1 ist bereits zerstörerisch, doch die Tsunami-Flutwelle, die kurze Zeit später das Festland treffen wird, stellt das noch weit in den Schatten. Mehr als 19.500 Menschen sterben, mehr als 2.500 gelten weiter als vermisst.
Mitten im Zerstörungsgebiet und direkt an der Küstenlinie befindet sich das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi, das durch die darauffolgende Nuklearkatastrophe in die Geschichte eingehen wird. Drei der sechs Reaktoren schalten sich wegen der Erdstöße gleich automatisch ab.
Das Beben richtet erhebliche Schäden an und zerstört auch die externe Stromversorgung. Dazu kommt: Das Tsunami-Warnsystem der Anlage ist ausgeschaltet und die Sicherungsmauern zum Meer hin sind nur drei, anstatt wie vorgeschrieben fünf, Meter hoch. Die Reaktoren werden von Tsunamiwellen überschwemmt. Notstromversorgung und Kühlung fallen aus und es folgen Kernschmelzen und Wasserstoffexplosionen.
Menschengemachte Katastrophe als Übungsvorlage
Tagelang gelangen erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe in die Atmosphäre. Mangelnde Vorkehrungen und falsche Reaktionen machen aus dem Naturereignis im Rückblick eine menschengemachte Katastrophe.
Klicken Sie auf ein Bild, um die Galerie zu öffnen
7
Der Zugang zum Kernkraftwerk ist im Katastrophenszenario nur über den Wasserweg möglich.
Foto: Steve Remesch
Bildergalerie
Bitte scrollen Sie nach unten,
um weitere Bilder zu sehen.
Der Zugang zum Kernkraftwerk ist im Katastrophenszenario nur über den Wasserweg möglich.
Foto: Steve Remesch
Der Zugang zum Kernkraftwerk ist im Katastrophenszenario nur über den Wasserweg möglich.
Foto: Steve Remesch
Der Zugang zum Kernkraftwerk ist im Katastrophenszenario nur über den Wasserweg möglich.
Foto: Steve Remesch
Der Zugang zum Kernkraftwerk ist im Katastrophenszenario nur über den Wasserweg möglich.
Foto: Steve Remesch
Der Zugang zum Kernkraftwerk ist im Katastrophenszenario nur über den Wasserweg möglich.
Foto: Steve Remesch
Der Zugang zum Kernkraftwerk ist im Katastrophenszenario nur über den Wasserweg möglich.
Foto: Steve Remesch
Der Zugang zum Kernkraftwerk ist im Katastrophenszenario nur über den Wasserweg möglich.
Foto: Steve Remesch
Es ist der gewaltigste Warnschuss für die weltweite Kernenergie seit Tschernobyl 25 Jahre zuvor. Die Dreifachkatastrophe setzt neue Maßstäbe in puncto Sicherheit, vor denen man sich auch im Kernkraftwerk Cattenom – in Frankreich, knapp zehn Kilometer von der Luxemburger Grenze, aber weit von Weltmeeren und im Prinzip auch von Erdbebengebieten entfernt – in Acht nimmt.
Wie effizient die seit 2011 ergriffenen Maßnahmen (siehe Kasten unten) tatsächlich sind, wird seit gestern in Cattenom bei einer Katastrophensimulation geprüft. Zum dritten Mal seit der Gründung der schnellen Eingreiftruppe Force d’Action Rapide Nucléaire (FARN) des Betreibers Electricité de France (EDF). Und bei dieser Übung sind auch Pressevertreter zugelassen.
Die Botschaft, die auf diesem Weg hinausgetragen werden soll, ist klar: Französische Nuklearzentralen sind sicher, robust und nachhaltig. Und wenn es doch zu dem kommen sollte, was die Verantwortlichen als „Aggression climatique“ bezeichnen, ist man gut vorbereitet – so der Tenor. Wie gut, das kann erst der Katastrophenfall beweisen, den es tunlichst zu vermeiden gilt.
Klicken Sie auf ein Bild, um die Galerie zu öffnen
6
Mehrere Post-Fukushima-Maßnahmen sind auf den ersten Blick zu erkennen. Für jeden Reaktor wurde etwa ein neue leistungsstarker und massiv abgesicherter Dieselgenerator (Gebäude mit blauen Elementen) errichtet.
Foto: Steve Remesch
Bildergalerie
Bitte scrollen Sie nach unten,
um weitere Bilder zu sehen.
Mehrere Post-Fukushima-Maßnahmen sind auf den ersten Blick zu erkennen. Für jeden Reaktor wurde etwa ein neue leistungsstarker und massiv abgesicherter Dieselgenerator (Gebäude mit blauen Elementen) errichtet.
Foto: Steve Remesch
Zudem wurden die Leitungen an den Außenwänden der Reaktoren vor Schäden durch Starkwinde abgesichert.
Foto: Steve Remesch
Zum Vergleich: Bei Reaktor 4 ist diese Abdeckung noch nicht fertiggestellt.
Foto: Steve Remesch
Barrieren sollen die Reaktoren vor Hochwasser schützen.
Foto: Steve Remesch
Foto: Steve Remesch
Auch bei der Krisenorganisation habe man Verbesserungen herbeigeführt, heißt es.
Foto: Steve Remesch
Das Szenario für die Übung ist eng an Fukushima angelehnt: Cattenoms Reaktor 3 wird durch ein Erdbeben schwer beschädigt, die Wasser- und Stromversorgung ist unterbrochen. Es gibt größere Lecks. Die Reaktorkühlung ist bedroht. Und auch Reaktor 2 ist getroffen, wenn auch weniger schwer. Im bildlichen Sinn brennt es demnach an mehr als einer Stelle. Und der Zugang zum Gelände ist zudem ausschließlich über Wasserweg, den Lac du Mirgenbach, möglich.
Während die erste Reaktion durch Ortskräfte erfolgt, kommt dann die nach Fukushima gegründete – und eigenen Angaben zufolge weltweit einzigartige – schnelle Eingreiftruppe FARN zum Einsatz. Diese setzt sich aus rund 300 EDF-Mitarbeitern aus dem Nuklearbereich und aus allen Spezialisierungsebenen zusammen. Die Mitglieder sind im Alltag zu 50 Prozent ihrem Arbeitsplatz zugeteilt und zu 50 Prozent der FARN.
Nach einer dreiköpfigen Vorhut, die zwei Stunden nach einem Alarm mobilisiert ist, bricht jeweils eine Fahrzeugkolonne mit 14 Einsatzkräften aus den vier strategisch platzierten Einsatzzentren in Frankreich auf. Binnen 24 Stunden soll die erste Gruppe dann vor Ort im Einsatz sein – autark, mit eigenem Gerät, Logistik, Kommunikation und Versorgung.
Reaktorsicherheit geht nur über Wasser-, Strom- und Luftzufuhr
Zunächst gilt es, die Lage vor Ort zu bewerten. Dann wird 20 bis 30 Kilometer vom Einsatzort entfernt eine mobile Basis eingerichtet, von der aus der Einsatz koordiniert und ausgeführt wird. Zwölf Stunden nach der ersten Kolonne bricht eine zweite zur Ablösung auf. An der Übung in Cattenom sind 65 FARN-Einsatzkräfte beteiligt und 20 andere EDF-Mitarbeiter, um das Szenario abzuwickeln.
Klicken Sie auf ein Bild, um die Galerie zu öffnen
6
„Nicht nur das Material muss aufeinander abgestimmt sein, sondern auch die Einsatzkräfte und die Mitarbeiter der Anlage", sagt der beigeordnete Direktor des Kernkraftwerks, Jérôme Le Saint.
Foto: Steve Remesch
Bildergalerie
Bitte scrollen Sie nach unten,
um weitere Bilder zu sehen.
„Nicht nur das Material muss aufeinander abgestimmt sein, sondern auch die Einsatzkräfte und die Mitarbeiter der Anlage", sagt der beigeordnete Direktor des Kernkraftwerks, Jérôme Le Saint.
Foto: Steve Remesch
Foto: Steve Remesch
Foto: Steve Remesch
Foto: Steve Remesch
Foto: Steve Remesch
Foto: Steve Remesch
„Vorrangig geht es darum, die Strom-, Wasser- und Pressluftversorgung der Reaktoren nach einem Unfall sicherzustellen. Dann darum, das auch dauerhaft und nachhaltig zu gewährleisten“, erklärt FARN-Übungsleiter Thierry Hugony. Denn alle drei Elemente braucht es, um die Kühlung eines Reaktors sicherzustellen – sprich, eine Kernschmelze zu verhindern. Dabei bleibt die Leitung des Kernkraftwerks stets bei dessen Direktion. Die FARN ist ausschließlich unterstützende Kraft mit spezialisierten Kräften und leistungsfähigem Material.
Um die Übung zu erleichtern, liegt das Einsatzzentrum nur wenige Kilometer entfernt, am örtlichen Moselanleger. Statt einer Zeltstadt wurde nur das Kommandozelt aufgerichtet, mitsamt eigener Satellitenkommunikationsanlage. Aber ansonsten wird bei der Simulation dringlich auf realitätsgetreue Bedingungen geachtet.
Klicken Sie auf ein Bild, um die Galerie zu öffnen
4
Im Ernstfall 20 bis 30 Kilometer vom Einsatzort entfernt befindet sich die Einsatzzentrale der FARN.
Foto: Steve Remesch
Bildergalerie
Bitte scrollen Sie nach unten,
um weitere Bilder zu sehen.
Im Ernstfall 20 bis 30 Kilometer vom Einsatzort entfernt befindet sich die Einsatzzentrale der FARN.
Foto: Steve Remesch
Die Kompetenzen der Leitung sind klar aufgeteilt.
Foto: Steve Remesch
Das Basislager kann über Tage hinweg autark funktionieren.
Foto: Steve Remesch
Die Kommunikation erfolgt über eine eigenes sattelitengebundenes Netzwerk mit einer Reichweite von rund zehn Kilometern.
Foto: Steve Remesch
Die Zufahrt zum Einsatzort erfolgt ausschließlich auf dem Wasserweg, für Mensch und Material auf Booten und Flößen. Und auch der Nachschub etwa mit Treibstoff wird nur so überbrückt. Auf der Anlage werden Pumpen für Luft- und Wasserzufuhr aufgebaut. Die Schläuche führen zum Mirgenbachsee, könnten bei Bedarf aber auch über Kilometer bis zur Mosel vorgelegt werden. Zudem werden leistungsstarke Stromgeneratoren in Stellung gebracht, und, – was sich im Katastrophenfall durchaus als schwierig erweisen kann – dem Szenario entsprechend angeschlossen.
„Das ist auch eines der wichtigsten Ziele der Übung“, bekräftigt der beigeordnete Direktor des Kernkraftwerks, Jérôme Le Saint. „Nicht nur das Material muss aufeinander abgestimmt sein, sondern auch die Einsatzkräfte und die Mitarbeiter der Anlage. Und beides funktioniert, soweit ich das bis jetzt beurteilen kann, sehr gut.“
Die Schaffung der FARN, im Bild deren Operationschef Thierry Hugony, ist eine der wichtigsten Neuerungen nach der Fukushima-Katastrophe.
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
Vor gut neuneinhalb Jahren löste der Super-Gau in Fukushima weltweit Angst und Schrecken aus. Riesige Mengen an verstrahltem Wasser bereiten zunehmend Probleme.
Am Freitagabend beginnt die Abschaltung des ersten Blocks von Frankreichs ältestem Meiler Fessenheim bei Freiburg. Die deutschen Nachbarn sind darüber erleichtert - doch in dem 2 400-Einwohner-Ort fehlen Job-Alternativen.
Auf einem Uferhang im Süden Moskaus wurden 60.000 Tonnen nuklearer Reststoffe entdeckt. Die Stadtregierung aber will die Strahlung dort nicht wahrhaben und eine Autobahnbrücke auf die Atommüllkippe bauen.
Es war die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl. Doch auch Jahre nach dem Super-Gau von Fukushima wird in Japan niemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.
Am 11. März 2011 verursachten ein Erdbeben und ein Tsunami einen Super-Gau im Atomkraftwerk Fukushima. Heute versucht der Staat, den Wiederaufbau zu betonen.
Vor fast acht Jahren löste der Super-Gau in Fukushima weltweit Angst und Schrecken aus. Inzwischen ist Fukushima aus den Schlagzeilen verschwunden. Die Lage ist zwar stabil, doch ein Ende ist noch weit.
Belgiens Atomkraftwerke sind sicher - sagen die Regierung, staatliche Behörden und der Betreiber. Die Nachbarländer und Menschen aus der Grenzregion beklagen aber gravierende Mängel bei Tihange und Doel.
Vom 15. bis zum 19. Mai läuft in Cattenom eine großangelegte Unfallübung. Getestet wird dabei die Reaktionsfähigkeit der französischen nuklearen Eingreiftruppe FARN.
Fragen und Antworten zum Unglück in Fukushima. Was geschah am 11. März 2011, wie viele Menschen waren betroffen, welche verheerenden Fehler wurden gemacht, wie viele Verantwortliche gibt es und wie steht es um den Atomausstieg in Japan. Außerdem: Zahlen die man nicht vergessen sollte.
Als Sechsjähriger musste er vor der Wehrmacht flüchten und wurde von einem französischen Metzger-Ehepaar versteckt.
Heute erzählt er über diese schwere Zeit.
Als Sechsjähriger musste er vor der Wehrmacht flüchten und wurde von einem französischen Metzger-Ehepaar versteckt.
Heute erzählt er über diese schwere Zeit.
Lokales
3
von
Jean-Philippe SCHMIT
6 Min.27.01.2023