Hinaus auf's Land
Hinaus auf's Land
Bis vor wenigen Jahren war es normal, dass die Musikschüler ihrem Hobby, der Musik, an ihren freien Nachmittagen nachgehen konnten. In Zeiten, in denen viele Kinder tagsüber in Betreuungsstrukturen sind, gestaltet dies sich aber als schwierig – ein Problem, das mittlerweile auch viele Gemeinden und städtische Musikschulen erkannt haben. Wurde der Unterricht bis dato noch in der Musikschule selbst abgehalten, ist nun bei den Verantwortlichen ein Umdenken erforderlich. Neue Wege müssen beschritten werden. Wege, die die Ugda noch immer gegangen ist. Wege, die über den Tellerrand hinausgehen. Darauf zu warten, dass die jungen Musikschüler die Gebäude füllen,
ist heute eine Utopie. Heute gilt es, in die Dörfer zu gehen
und gemeinsam mit den Betreuungsstrukturen eine
neue Art der Musikerziehung einzuführen.
- Die Ugda und der Unterricht auf lokaler Ebene: "Alles geht reibungslos ineinander über"
(nas) - Wir legten stets großen Wert darauf, in die Dörfer zu gehen“, betont der Direktor der Ugda-Musikschule, Paul Scholer. Und er weiß, wovon er spricht. Immerhin sind die Musikkurse der „Union Grand-Duc Adolphe“ auf Initiative der lokalen Musikvereine entstanden.
Bis 1959 organisierten die Vereine ihren Unterricht alleine; Lehrbeauftragter war meistens der Dirigent. Prüfungen gab es nicht. Doch dann führte die Ugda die Musikprüfungen im Musik- und später im Instrumentalunterricht ein. Der Musikunterricht entwickelte sich langsam weiter. Nachdem sich anfangs nur einige Vereine beteiligten, stießen die Gemeinden nach und nach hinzu. Angefangen hat alles mit etwa 100 Schülern, 1987 waren es 780, 1998 zählte man bereits 2 800 Schüler bei der Ugda. Heute sind es über 5 300.
"Lokaler Gedanke hat mehr und mehr zugenommen"
„Der lokale Gedanke hat im Laufe der Jahre mehr und mehr zugenommen“, erklärt Scholer. Einige regionale Musikschulen hätten früher auch in den Dörfern unterrichtet. Nachdem dies geändert worden sei, hätten die Vereine bemerkt, dass es ihnen am Nachwuchs mangele. „Der Kontakt zu den Schülern ging langsam verloren.“ Auch als Paul Scholer noch an der städtischen Musikschule in Echternach unterrichtete, sei viel Wert darauf gelegt worden, in die Dörfer zu gehen. Nicht jeder Lehrbeauftragte habe diese Aufgabe gerne angenommen, Scholer schon. Als er 1986 zum Direktor der Ugda-Musikschule ernannt wurde, konnte er von diesen Erfahrungen profitieren.
Allerdings arbeitet die Ugda-Musikschule nicht nur auf lokaler Ebene. Auf Wunsch vieler Gemeinden wurde auch auf regionaler Ebene enger zusammengearbeitet. So funktioniert bereits seit 1984 in Clerf eine Musikschule unter der Schirmherrschaft der Ugda; geleitet wird sie von einem interkommunalen Syndikat. Der Unterricht findet nicht nur in Clerf statt, sondern wird auch in den einzelnen Ortschaften der Mitgliedsgemeinden abgehalten.
Die negative Entwicklung der Schülerzahlen in Verbindung mit der Ganztagsbetreuung habe Scholer übrigens schon vor etwa zehn Jahren mit der Einführung der Maison relais befürchtet. Zu diesem Zeitpunkt sei man sich der Probleme in der nationalen Kommission noch nicht bewusst gewesen. Heute wisse man es besser. Ein Umdenken bei den städtischen Musikschulen und den Konservatorien sei nun unumgänglich. Denn: „Talentierte Kinder sollen die Möglichkeit haben, ihrem Hobby nachzugehen.“
„Wir hatten damit deutlich weniger Probleme, da wir direkt an der Basis tätig sind“, so der Direktor. Durch die Vereinbarungen mit Gemeinden, Maison relais, Grundschulen und Musikvereinen gehe alles reibungslos ineinander über. Meistens würden die Kinder am gleichen Ort unterrichtet und betreut, was eben in regionalen Strukturen nicht der Fall sei. Das Fazit des Direktors ist klar: „Die Präsenz auf lokaler Ebene ist wichtig. Es besteht eine gesunde Mischung zwischen allen Beteiligten. Neue, gemeinsame Projekte entstehen.“
- Die städtische Musikschule Echternach steht vor neuen Herausforderungen
„Wir müssen uns neu aufstellen“, erklärt Marc Juncker von der städtischen Musikschule Echternach. Und dies nicht ohne Grund: Denn ein großes Problem, dem die Verantwortlichen der städtischen Musikschulen hierzulande gegenüberstehen, ist die Tatsache, dass viele Kinder, die mit der musikalischen Grunderziehung beginnen, den Tag in einer Betreuungsstruktur verbringen. Für den Musikunterricht bleibt danach kaum Zeit und Lust.
„Dies war bis vor einigen Jahren nicht der Fall, der Unterricht fand an den schulfreien Nachmittagen statt. Heute geht dies nicht mehr“, erklärt Marc Juncker. Nun müsse man sich neu aufstellen, um der Veränderung in der Gesellschaft Rechnung zu tragen. „Auch wir müssen den Weg wie die Ugda einschlagen und mit den Maison relais und Schulen zusammen Möglichkeiten finden, um den Kindern die Musik näherzubringen“, erklärt der Direktor. Und: „Wir müssen die Musik hinaus transportieren.“
Klar sei, dass man bei der Umstrukturierung bei der musikalischen Grunderziehung ansetzen müsse. Dies erfordere denn auch eine komplett neue Organisation. „Wir stehen vor großen Aufgaben“, betont Marc Juncker. Erste Schritte in diese Richtung haben die Verantwortlichen bereits gewagt. Seit dem laufenden Schuljahr wird die musikalische Grunderziehung bereits in den Maison relais in Born, Consdorf und Rosport angeboten. In den kommenden Jahren sollen die Kurse dann mit Solfeggio und den einzelnen Instrumenten fortgeführt werden.
Höhere "Durchhaltequote" möglich
Doch auch der Instrumentalunterricht erfordert eine andere Organisation als dies bisher der Fall war. Da die Instrumentenwahl sehr unterschiedlich ist, könnte es vorkommen, dass ein Musiklehrer für einen Schüler in die Ortschaft kommen muss. Ideal sei es, wenn eine Gruppe von drei bis vier Kindern das gleiche Instrument wählen würde. „Dann ist es machbar, dass ein Lehrer dies im Ort übernehmen kann, ohne dass die Kosten zu sehr in die Höhe schnellen.“
Für Marc Juncker hat die Situation allerdings auch ihre guten Seiten. „Die Kinder, die zusammen in der Maison relais betreut werden, kennen sich. Dies bringt mit sich, dass wahrscheinlich ein Kind das andere mitreißt und die ,Durchhaltequote‘ höher ist“, erklärt er. Es sei ein gegenseitiges Motivieren, was in den doch zum Teil „anonymen“ Klassen in Echternach nicht der Fall sei.
Einen positiven Effekt könnte diese Umstellung auch für die Musikvereine mit sich bringen. „Wenn die Vereine mitziehen, kann dies ein Gewinn für sie sein“, so Juncker. Aber: „Sie müssen sich auf ihre Hinterbeine stellen, um die Kinder mit ins Boot zu ziehen. Wieso sollten sie nicht vor einem Konzert ein paar Lieder vorführen oder etwas gemeinsam einstudieren?“ Nur durch ein solches Engagement könnten die Vereine Kinder und Eltern auf ihre Seite bekommen, so Juncker.
"Können uns nicht hier einsperren und auf die Schüler warten"
A propos Eltern: Durch die Kooperation mit den Betreuungsstrukturen werde man künftig weniger Kontakt mit den Eltern der Schüler haben. Auch hier sei demnach ein Umdenken erforderlich. So müssten Elterngespräche auf eine andere Art geführt werden; das schnelle Gespräch via Telefon oder E-Mail sollte nicht gescheut werden. Auch Elternabende mit einer Darbietung der Musikschüler kann sich der Direktor vorstellen. Eine weitere Herausforderung ist der sogenannte „Plan d'encadrement périscolaire“, der vorsieht, dass die „Maison relais“ und die Musikschulen zusammenarbeiten sollen – ein Punkt, in dem man sich noch verstärkt einbringen möchte. Immerhin sei dies auch eine Chance, den Kindern Musik näherzubringen. „Wir können uns nicht hier einsperren und darauf warten, dass die Kinder zu uns kommen“, betont Juncker. Aber: Ohne die Unterstützung von Betreuungspersonal, Gemeinden und Eltern können die neuen Wege nicht beschritten werden.
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