Hauptangeklagtem drohen 20 Jahre Haft
Hauptangeklagtem drohen 20 Jahre Haft
(SH) - Vor Gericht hatte Boban B. zwar noch versucht, seine Rolle herunterzuspielen, dennoch muss er nun wegen Drogenhandels in großem Maß mit einer 20-jährigen Haftstrafe rechnen. „Der Handel war bis ins kleinste Detail organisiert, nichts wurde dem Zufall überlassen“, erklärte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Boban B. soll durch den Verkauf von Marihuana und Kokain knapp 1,36 Millionen Euro eingenommen haben. Für sie ist der erschwerende Tatbestand der kriminellen Vereinigung gegen die zehn Angeklagten dann auch gegeben.
Boban B. werden neben dem Handel mit Kokain und Marihuana diverse Betrugsdelikte im Zusammenhang mit Autoverkäufen und dem Konkurs einer Metzgerei vorgeworfen. Die Anklägerin sprach von einer „mafiösen Struktur“, in der die legalen Aktivitäten, wie der Autoverkauf, dazu gedient hätten, das Geld der illegalen Aktivitäten, sprich dem Drogenhandel, zu waschen. Sie ging jedoch auch auf das Verhalten von Boban B. während der Ermittlungen ein. So soll er nicht nur die Polizeiarbeit behindert haben, sondern auch nach seiner Verhaftung aus dem Gefängnis noch Druck auf einige andere Angeklagte ausgeübt haben.
Zwischen fünf und 15 Jahren
Gegen Kevin K., rechte Hand von Boban B. und „verantwortlich für den Marihuanahandel“, forderte sie eine 14-jährige Haftstrafe. Frank V., mutmaßlicher Cannabisproduzent und -zulieferer der Bande, und Feti P., der das Kokain aus Südamerika importiert haben soll, müssen ihrerseits mit 15 Jahren Gefängnis rechnen.
Gegen die vier Drogendealer forderte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zwischen sieben und zehn Jahren. Schlussendlich muss die damalige Freundin von Boban B. mit einer Haftstrafe von 5 Jahren rechnen. Laura S. soll zwar nicht aktiv am Drogenhandel teilgenommen haben, sie gilt dennoch als Komplizin.
Vom Vizepräsidenten zum Opfer
In ihrem Strafantrag ging die Vertreterin der Staatsanwaltschaft jedoch auch auf die während des Prozesses oft angesprochene Rolle der „Hells Angels“ ein. Ihrem Ermessen nach sei der Kokainhandel nicht unter Mitgliedern der „Hells Angels“ erfolgt. „Eben dies setzt einige der Beschuldigten in eine heikle Lage“, sagte sie. Denn die Beziehung zwischen Boban B., Feti P. und Luca S. sei eine geschäftliche und widerspreche der Logik des „Clubs“.
Dadurch erkläre sich, warum Feti P., ehemals Vizepräsident der Antwerpener „Hells Angels“, in Missgunst gefallen sei. Er sei - entgegen seiner Aussagen - aus dem „Club“ geworfen worden. Dies, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft zufolge, da er den Kokainhandel vor den „Hells Angels“ verheimlichte. Die Abgaben von fünf bis zehn Prozent der Einnahmen des Drogengeschäfts an den „Club“ sei nämlich nicht wie vor Gericht geschildert freiwillig, sondern obligatorisch. Im Gegenzug würden die „Hells Angels“ Schutz bieten. „Jeder findet sich in diesem Deal wieder.“ Feti P. muss die Konsequenzen nun tragen. Er wurde nicht nur zusammengeschlagen, sondern müsse wohl auch um sein Leben fürchten. Unter diesem Licht sind demnach auch seine Aussagen vor den Richtern zu sehen. In direktem Zusammenhang mit dem Fall von Feti P. steht der Anklage zufolge auch der Aufstieg von Geert D.: Als „Hells Angels“-Anwärter hat er den Anweisungen von Feti P., einem „Full Member“, Folge geleistet, so wie dies von ihm erwartet wurde.
Ein-Kilo-Päckchen Marihuana
Der Prozess dreht sich allerdings nicht nur um den Kokainhandel, sondern auch um den Verkauf von großen Mengen an Marihuana – den Ermittlern zufolge mindestens 160 Kilogramm. Auch hier gibt es für die Vertreterin der Staatsanwaltschaft keine Zweifel an der Schuld der Angeklagten. Wohl hatte der mutmaßliche Cannabiserzeuger und Zulieferer Frank V. vor den Richtern vehement abgestritten, etwas mit dem Drogenhandel zu tun zu haben. Es hätten jedoch seit Februar 2012 Kontakte zwischen ihm, Boban B. und Kevin K. nachgewiesen werden können. Die Fahrten von Boban B. und Kevin K. nach Trooz (B), wo der Niederländer eine Plantage oder zumindest Mutterpflanzen gezüchtet haben soll, hätten erst aufgehört, als Frank V. 2013 wegen eines Banküberfalls verhaftet wurde. Zudem habe Boban B. zugegeben, in eine Plantage investiert zu haben. „Es ist wie mit Kartoffeln. Man pflanzt sie nicht nur aus Spaß an, sondern weil man konsumieren oder verkaufen will“, so die Anklage.
Das Geschäft sei auf Vertrauen basiert gewesen. Die Zulieferer hätten den Käufern eine Sporttasche mit Ein-Kilo-Päckchen Marihuana in den Wagen gelegt und dafür einen Umschlag mit Geld erhalten. Den Inhalt kontrolliert hätte niemand. Diese Päcken haben Boban B. und Kevin K. dann in Luxemburg oder im nahen Grenzgebiet an die Dealer weitergegeben. Dabei sei stets nach dem gleichen Modus operandi verfahren worden. Boban B. habe Kontakt zu den einzelnen Händlern – David G., Paulo D. und Patrick P. sitzen als solche auf der Anklagebank – aufgenommen. Die Drogen habe jedoch Kevin K. ausgeliefert und zwar indem der Dealer seinen Wagen am vereinbarten Ort abstellte, einen Umschlag mit Geld im Kofferraum hinterließ, insofern der Deal nicht auf Kredit abgewickelt wurde, und sich dann für rund eine halbe Stunde vom Wagen entfernte. Während dieser Zeit tauschte Kevin K. den Umschlag gegen die Päckchen – noch original in einem schwarzen Müllbeutel verpackt – aus. Seine Präsenz an den Übergabeorten konnte nachgewiesen werden, da sich eine Zeit lang ein GPS-Sender an seinem Auto befand.
Angeklagte unter Druck
Bei ihren Ausführungen basierte sich die Vertreterin der Staatsanwaltschaft übrigens auf die ersten Aussagen der Angeklagten gegenüber des Untersuchungsrichters. Im Verlauf des Verfahrens sei der Druck auf die Beschuldigten nämlich immer größer geworden. Dass dieser nicht nur von Boban B. ausging, belegte die Präsenz des „Sergeant of arms“ der „Hells Angels“ aus Antwerpen am ersten Verhandlungstag.
Der Prozess wird nun mit den Plädoyers der Anwälte fortgesetzt. Erst wenn diese vorbei sind, werden die Richter bekanntgeben, wann sie ihr Urteil sprechen werden.
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