Gefangen im Hotel: Luxemburger berichtet über Quarantäne auf Teneriffa
Gefangen im Hotel: Luxemburger berichtet über Quarantäne auf Teneriffa
Das Szenarium: Es ist 8 Uhr morgens. Für die beiden Luxemburger, Lucien Spellini und seine Frau, hat die letzte Urlaubswoche auf Teneriffa begonnen. Sonnenstrahlen kämpfen sich durch die dicken Gardinen ins Innere des Hotelzimmers. Alles scheint so zu sein, wie sonst, denkt sich Lucien Spellini, als er zum Balkon schreitet.
Doch dann erblickt er, wie vor dem Hotel zahlreiche Polizisten den In- und Ausgangsbereich versperren. Sie tragen Masken. Krankenwagen und Spezialfahrzeuge mit der Aufschrift „Katastrophenschutz“ fahren heran. Ein Zelt wird aufgebaut. Was genau los ist, weiß der 63-Jährige aus Niederkerschen nicht. Erst als ein Zettel unter den Türschlitz des Zimmers geschoben wird, gibt es erste – wenn auch nicht sehr aufklärende - Informationen. Darauf steht: „Das Hotel steht unter sanitärer Quarantäne. Bitte verlassen Sie ihre Zimmer nicht.“
Lucien Spellini, der nun seit einer Woche wieder zurück in Luxemburg ist und sich wohlauf befindet, gehört zu den mehr als 700 Gästen des Vier-Sterne-Hotels H 10 Costa Adeje Palace im Südwesten von Teneriffa, die aufgrund des Covid-19-Virus am 24. Februar in Quarantäne gesetzt wurden. Seine Frau (57) und er machten zu dem Zeitpunkt bereits seit sechs Wochen Urlaub auf der Kanareninsel. „Wir hatten für sieben Wochen gebucht und hätten niemals gedacht, dass sich unser Urlaub unfreiwillig verlängern würde“, erzählt der pensionierte Luxemburger.
Informationspolitik scheitert
Auslöser für die zweiwöchigen Präventivmaßnahmen in der Luxus-Ferienanlage war ein Gast aus Italien. Dieser war am 24. Februar positiv auf Corona-Virus getestet worden. Später erkrankte auch seine Frau am Virus. Insgesamt wurde die Infektion während der Quarantäne an sechs Touristen diagnostiziert – die meisten von ihnen waren Teil einer italienischen Reisegruppe.
„Es gab kaum Infos. Eigentlich nur den einen Zettel am ersten Tag, auf dem stand, dass wir unsere Zimmer nicht verlassen sollten“, erklärt Lucien Spellini und fügt hinzu: „Die meisten Gäste verschanzten sich am ersten Tag auf ihren Balkons, telefonierten mit Angehörigen, Fluggesellschaften und den jeweiligen Botschaften. Niemand wusste genau, was los war. Erst ein oder zwei Tage später erfuhren wir über die Medien oder Gespräche mit anderen Gästen, dass es im Hotel Corona-Virus-Fälle gab.“
Eine klare Aussage seitens des Hotels gab es nicht, versichert der pensionierte Luxemburger. Allerdings seien sofort mehrere Sicherheitsmaßnahmen eingeführt worden. „Wir haben Masken erhalten und bekamen auch Thermometer, um zweimal täglich unsere Temperatur zu messen. Diese mussten wir dann aufschreiben. Lag sie über 37 Grad, mussten wir das sofort melden. Am ersten Tag kam jemand ins Zimmer, um zu kontrollieren, ob wir tatsächlich das Fieber gemessen hatten. In den darauffolgenden Tagen wurde zumindest bei uns nicht mehr kontrolliert“, meint der Luxemburger.
Moralische Unterstützung aus Madrid
Neben dem Paar aus Niederkerschen waren unter den mehr als 700 Hotelgästen auch zwei weitere Luxemburger sowie sechs Belgier und vier Franzosen, die alle über Luxair Tours gebucht hatten. Wie Lucien Spellini erklärt, nahmen sowohl der Reiseveranstalter als auch der Luxemburger Botschafter aus Madrid sowie der Honorarkonsul aus Teneriffa täglich Kontakt mit den Betroffenen auf. „Sie waren sehr nett, haben sich nach uns erkundigt und uns geraten, die Anweisungen der Mediziner vor Ort zu befolgen. Allerdings konnten sie uns nicht sagen, wann wir endlich nach Hause reisen dürfen“, erinnert sich Lucien Spellini.
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Diese Ungewissheit sei vor allem schwer gewesen, da einige Gäste bereits einige Tage nach der Entdeckung des ersten Corona-Falls abreisen konnten. „Von unserem Balkon aus konnten wir beobachten, wie immer mehr Gäste wegtransportiert wurden. Wir wussten also, dass sie bereits auf den Virus getestet worden waren, der Test negativ verlaufen ist und sie deshalb nach Hause konnten. Da ich jedoch eine schwere Erkrankung habe, wollte ich so schnell wie möglich auch abreisen“, erklärt der 63-Jährige.
Lucien Spellini leidet nämlich an einer Herzkrankheit. Dafür muss er täglich Medizin einnehmen. Die Pillen, die er für den siebenwöchigen Urlaub mitgenommen hatte, reichten nicht für die gesamte Quarantäne-Zeit aus.
„Die Situation spitzte sich zu. Ich bat die Mediziner vor Ort um Hilfe. Fragte auch den Luxemburger Botschafter, ob die zuständigen Behörden in Spanien die benötigten Medikamente besorgen konnten. Doch keiner konnte mir so richtig weiterhelfen – dem Botschafter waren die Hände gebunden, die spanischen Behörden waren wohl überfordert oder reagierten einfach zu langsam. Also haben wir eine Person in Luxemburg kontaktiert, diese schickte uns dann die Medikamente per Post nach Teneriffa. Angekommen ist bis zu unserer Abreise jedoch nichts. In der Zwischenzeit hatte ich in Absprache mit meiner Frau die Entscheidung getroffen, täglich weniger Pillen einzunehmen, um so bis zu meiner Abreise zumindest zum Teil medizinisch versorgt zu sein. Gut ging es mir dabei aber nicht“, erinnert sich Lucien Spellini an die kritischen Tage auf Teneriffa.
Keine Panik in Sicht
Trotz der Angst vor gesundheitlichen Komplikationen, verfiel das Paar aus Niederkerschen nicht in Panik. Denn: Nach nur wenigen Tagen hatte sich die Situation im Hotel bereits fast normalisiert: „Es herrschte generell kein Ausnahmezustand. Die Gäste sind ruhig geblieben. An die Zimmer-Quarantäne hielten sich nach zwei Tagen nur noch die Wenigsten. Die Regeln wurden aufgelockert, wir durften im Hotelgelände zirkulieren und auch wieder in den Speisesaal. Einige Gäste tanzten abends mit Masken, andere wiederum gingen ohne diese schwimmen und verbrachten Zeit am Pool.“
Es sei, als wäre fast alles normal gewesen, so Spellini. „Ich denke, viele von ihnen waren sich der Situation nicht bewusst. Für sie war es mehr eine Verlängerung des Urlaubes als eine erzwungene Sicherheitsmaßnahme. Zumal auch alle Gäste während dieser Zeit einen All-inklusiv-Service erhalten haben“, beschreibt der 63-Jährige die Quarantäne im Hotel und betont, dass er und seine Frau sich während dieser Zeit jedoch so oft wie möglich im Zimmer aufgehalten haben.
Weiter Vorsicht geboten
Vor einer Wochen, am 7. März, ist der 63-Jährige zusammen mit seiner Frau und vier weitere Gästen, die über den Reiseveranstalter Luxair Tours gebucht hatten, schließlich nach Luxemburg eingeflogen worden. "Einen Tag zuvor hat man uns im Hotel testen lassen. Das Resultat war negativ, also erhielten wir die Erlaubnis zum Abreisen - das sogar schriftlich. Dann sind wir mit einem Mini-Bus abgeholt worden. Man brachte uns durch einen Hintereingang in den Flughafen. Uns wurde geraten, keine Masken zu tragen, um keine Panik auszulösen. Erst kurz vor dem Abflug - in der Passerelle - gesellten wir uns zu den anderen Fluggästen. In Luxemburg haben uns dann die zuständigen Behörden am Flughafen abgeholt und nach Hause gebracht", erzählt Lucien Spellini.
Zurück zu Hause geht es dem 63-Jährigen nun sichtlich besser. "Ich war bereits bei meinem Arzt und habe nun auch meine Medizin bekommen. Mir geht es soweit sehr gut. Uns wurde geraten, in den kommenden Tagen zu Hause zu bleiben. Daran werden wir uns nun auch halten, vor allem, weil sich die Situation in Luxemburg von Tag zu Tag verschlechtert."
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