Gaffen kann teuer werden
Gaffen kann teuer werden
(str) - Am hauptstädtischen Polizeigericht mussten sich am Dienstag erstmals Gaffer verantworten, denen vorgeworfen wird, nach einem schweren Unfall und während der Fahrt Handyfotos gemacht zu haben. Sieben Beschuldigte riskieren nun ein Bußgeld in Höhe von 250 Euro und ein dreimonatiges Fahrverbot.
Es waren schreckliche Szenen, die sich am 4. Oktober 2016 auf der A1 in Höhe der Ausfahrt Kirchberg abspielten: Nach einem Auffahrunfall zwischen drei Sattelschleppern in Fahrtrichtung Luxemburg war einer der Lastwagenfahrer mit den Beinen in der Fahrerkabine eingeklemmt, während er mit dem Oberkörper aus dem Seitenfenster hing. Der schwer verletzte Mann schrie vor Schmerzen. 40 Minuten brauchten Rettungskräfte um ihn zu stabilisieren und aus dem Fahrzeug zu bergen.
Dabei hatten die Retter große Mühe überhaupt zur Unfallstelle zu gelangen. Anstatt eine Rettungsgasse zu bilden, verlangsamten Schaulustige den Verkehr auf der Gegenspur, um den Unfall besser sehen zu können. Viele Fahrer zückten ihr Handy, um Fotos und Videos von der Unglücksstelle und vom Fahrer zu machen.
Dies hatte zur Folge, dass die Rettungsdienste bei der Anfahrt zum Unfallort erheblich behindert wurden. Ersthelfer mussten beispielsweise ihr Ambulanzfahrzeug aufgeben, um über die Leitplanken zum Verletzten zu gelangen.
Polizist fotografiert Gaffer
Ein Polizeibeamter, ein Mitarbeiter der Pressestelle der Sicherheitskräfte, war derart schockiert von Verhalten der Gaffer, dass er entschied diese und ihre Fahrzeugkennzeichen zwecks Beweissicherung mit seiner Dienstkamera zu fotografieren.
Sieben Fahrer, die auf diese Weise während der Fahrt mit dem Mobiltelefon in der Hand fotografiert wurden, mussten sich nun am Dienstagvormittag dafür vor dem Polizeigericht Luxemburg verantworten, das u.a. für geringfügigere Vergehen kompetent ist.
Eine Frau war nicht zur Verhandlung erschienen – ihr wird der Prozess nun in Abwesenheit gemacht und sie hat somit die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe verspielt – und ein Beschuldigter konnte nicht erreicht werden – ihm wird später der Prozess gemacht.
Zwei Angeklagte verneinen
Von den fünf anderen Beschuldigten – zwei Lieferwagenfahrer, ein Busfahrer, ein Bankangestellter und eine Hausfrau – bestritten drei vor Gericht, Fotos gemacht zu haben. Zwei sagten aus, sie hätten lediglich telefoniert, um ihre Kollegen bzw. ihren Arbeitgeber über den Stau zu informieren. Ein Beschuldigter gab zu, ein Foto gemacht zu haben, weil er derart vom Schadensumfang beeindruckt gewesen sei, einer gab an, lediglich den Rettungshubschrauber fotografiert zu haben, um das Foto seinem Sohn zu zeigen und die angeklagte Fahrerin führte aus, sie habe ein Foto gemacht, um ihren Sohn per SMS über den Unfall und den Stau zu informieren.
Motiv irrelevant
Doch letztendlich sind die Motive der Beschuldigten nicht relevant, denn das Gesetz bestraft nicht das Fotografieren und den Voyeurismus, sondern die Benutzung des Mobiltelefons während der Fahrt, so wie im „Code de la Route“ vorgesehen. Dazu kommt der Tatbestand des „Défaut de se comporter raisonnablement et prudemment afin de ne pas constituer un danger pour la circulation“, denn durch ihr Handeln im rollenden Verkehr brachten sie sich selbst und andere in Gefahr.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft forderte dann zum Abschluss des ersten „Gafferprozesses“ vor Luxemburger Gerichten die Höchststrafe: eine Geldbuße in Höhe von 250 Euro und ein Fahrverbot von drei Monaten. Das Urteil ergeht am 19. Dezember.
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Präzedenzfall: Anwalt moniert illegale Beweise
Darf ein Polizist im öffentlichen Raum auf Eigeninitiative Straftäter zur Beweissicherung fotografieren? Das ist eine weitere Frage, über die das Polizeigericht im „Gafferprozess“ urteilen muss.
Denn für den Anwalt einer Angeklagten ist die Beweissicherung in diesem Fall illegal. Der „übereifrige Polizist“ habe sich über die Persönlichkeitsrecht der Angeklagten hinweggesetzt, indem er als einfacher Zeuge die Autofahrer ohne legale Basis fotografiert habe. Das käme einer strafrechtlich relevanten Handlung gleich.
Zudem verstoße auch der Ermittlungsbericht gegen den Datenschutz, da dieser vertrauliche Personendaten aller Beschuldigten enthalte. Hier hätte für jeden der Angeklagten ein einzelner Bericht erstellt werden müssen, so der Anwalt. Seine Mandantin sei freizusprechen.
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