Frauen-Power in Polizeiuniform
Frauen-Power in Polizeiuniform
Die Idee kam dem damaligen Polizeidirektor Arthur Simon und dem Minister Emile Krieps der Legende nach beim Kaffeekränzchen: Frauen sollten zur Polizei gehen können. Im Jahr 1978 eine mutige Entscheidung, denn das gab es in ganz Europa noch nicht. Einzig Israel hatte diesen Schritt gewagt und wohl die beiden Herren inspiriert.
Und die Umsetzung folgte prompt: Es wurde eine Anzeige im „Luxemburger Wort“ geschaltet und der Andrang war riesig. 220 Frauen meldeten sich, 76 kamen in die engere Auswahl. 20 Frauen durften schließlich im April 1979 die Ausbildung am Herrenberg antreten – mit einem Sold, der zwei Gehaltsstufen unter jenem ihrer männlichen Kollegen lag.
„Als wir zum Herrenberg kamen, wusste eigentlich niemand so genau, was mit uns anzustellen ist“, erinnert sich Malou Antony, eine der 20 Kandidatinnen. „Wir wurden in die taktische Grundausbildung der Armee geschickt und die dortigen Unteroffiziere hatten keine Ahnung, wie sie mit uns umgehen sollten. Außerdem wurde ein Polizist abkommandiert, der auf uns aufpassen sollte. Dazu kam, dass quasi wöchentlich die Presse auf der Matte stand. Wir waren ein Novum, das war schon komisch.“
"Keine Presse, keine Sonderwünsche"
„Bei uns war das schon alles anders“, hält dem Danièle Fusenig entgegen. Sie gehörte zu den zehn ersten Kandidatinnen für die Gendarmerie. „Kein so großer Andrang, keine Presse und keine Sonderwünsche. Wir absolvierten die dreimonatige taktische Grundausbildung und wurden dann gleich in die Armeekompanien integriert.“ Im Anschluss an die militärische Grundausbildung folgte dann ein einjähriger Gendarmeriekurs und die Vereidigung am 20. Oktober 1983.
Einen Teil ihrer Ausbildung absolvierten sie zusammen mit den Gendarmetten im französischen Fontainebleau. „In Frankreich durften Frauen zwar zur Gendarmerie, aber nach ihrer Ausbildung nur Verwaltungsaufgaben übernehmen“, erzählt Danièle Fusenig. „Als wir denen erzählt haben, dass wir schon in der Armee voll integriert und später zur regulären Truppe gehören würden, gründeten die gleich eine Frauengewerkschaft und setzten sich schließlich durch.“
„Wir waren in Reims auf der Polizeischule“, ergänzt Malou Antony. „Dort durften die Frauen lediglich als Hilfspolizisten arbeiten, nicht als vollwertige Polizeibeamte.“
Aber wie war das denn, am Herrenberg, als plötzlich Frauen in einer reinen Männerwelt auftauchten? „Die Jungs waren froh, dass nun auch Mädchen da waren“, lacht Malou Antony. „Die waren sehr nett zu uns. Schwieriger wurde es erst später, im Polizeidienst, vor allem im Umgang mit älteren Kollegen.“
Streiche blieben aber auch auf dem Herrenberg nicht aus. „Einmal, als wir beim Sport waren, haben die Soldaten uns die Büstenhalter aus der Umkleide geklaut und sie an einen Fahnenmast gehängt“, schmunzelt Malou Antony. „Von dem Tag an durften wir uns nur mehr in unserem Pavillon 14 umziehen, zu dem Männern der Zugang strengstens untersagt war.“
Nur einmal hatten sich Männer über dieses Verbot hinweg gesetzt. „Das waren amerikanische Soldaten, die zum Rememberance Day zu Besuch waren“, erzählt Malou Antony. „Da war der Aufschrei groß.“ Doch die Leidtragenden waren wieder die Frauen. Sie wurden fortan zum Rememberance Day nach Hause geschickt. Zu ihrem eigenen Schutz, wie es hieß.
Heimliches Sonnenbad
„Wir haben aber auch profitiert, wo wir konnten“, fährt die damalige Polizeischülerin fort. „Hinter unserer Baracke waren hohe Hecken, und einige nutzten diese aus, um in ihrem Schutz mitten in der Kaserne ein Sonnenbad zu nehmen. Dabei wurden die Jungs bereits mit Strafdienst sanktioniert, wenn sie sich nur trauten, die Ärmel ihres Drillichs hochzukrempeln. Und die Mädchen legten sich im Bikini in die Sonne, andere stolzierten mit High-Heels durch die Kantine.“
„Aber auch wir wurden bestraft“, wirft Danièle Fusenig ein. „Wir wurden einmal zu viert von Colonel Harpes kaserniert. Das bedeutete ein Wochenende lang drei Mal am Tag zum Appell am Fahnenmast antreten und den Rest des Tages die Fliesenfugen in den Treppen des Kinosaals mit der Zahnbürste schrubben.“
Und warum das alles? „Wir waren zum Gënzefest in Wiltz abkommandiert worden“, erzählt die damalige Stagiaire. „Es war eine Affenhitze, einer der örtlichen Gendarmen stand mit einer Flasche Bier an der Absperrung, der andere hielt einen Thüringer in der Hand. Dann kam der Chef des ,Volant‘, der heutigen Verkehrspolizei, vorbei und der spendierte uns ein Eis. Ja, und dann stand plötzlich Colonel Harpes vor uns, als wir gerade unser Eis verspeisten. Es war klar, dass das Ärger geben würde.“
Wenn alte Herren junge Damen an der Nase herumführen
Für schlechte Stimmung sorgten zu Beginn aber auch die Uniformen, die ältere Männer aus der Führungsebene für die Frauen ausgesucht hatten. „Da waren wir nicht immer einer Meinung mit den Oberen und dann haben die versucht, uns an der Nase herumzuführen“, feixt Malou Antony. „Oft kamen sie mit richtig altmodischem Zeugs, einmal versuchten sie uns irgendwelche belgischen Plastikschuhe unterzujubeln. Wenn wir uns dann weigerten, dann hieß es immer, Andrée Colas, die damals erste Offiziersanwärterin in der Polizei, die zur gleichen Zeit in Brüssel in der Ausbildung war, die trägt das aber. Und ihr haben sie das Gleiche über uns erzählt.“ Das ging so lange gut, bis wir uns einmal über den Weg liefen und geredet haben. Da war der Spuk im Nu vorbei.“
Schlagfertige Mädchen
Es war aber nicht nur die Präsenz von Frauen in der bis dahin reinen Männerwelt, die den Colonels Schwierigkeiten bereitete, sondern auch die Schlagfertigkeit der Frauen. „Beim Vorstellungsgespräch kam ein Verantwortlicher auf mich zu, stellte sich neben mich und fragte, ob ich denn mit meiner Größe kein Problem hätte, einen Mann zu finden“, erinnert sich Malou Antony. „Wissen Sie, alle schönen Männer sind groß, entgegnete ich ihm. Da er noch etwas größer war als ich, meinte er, Merci, Merci Madame, und fühlte sich offensichtlich geschmeichelt. Da mir die Frage aber so bodenlos dumm erschien, stellte ich sogleich klar, das ich das aber jetzt nicht auf ihn bezogen hätte.“
Dem Colonel stockte wohl der Atem. Er zog es dann aber vor, sich wieder zu setzen – an den Tisch zu seinem Kollegen, der ohnehin gedrungener war. Anders als befürchtet, bedeutete diese Ansage für Malou Antony aber nicht das Ende ihrer Karriere.
Von den zwanzig Polizeianwärterinnen kamen nach Abschluss der Ausbildung am 28. April 1982 zehn zum Dienst in die Hauptstadt und die zehn anderen nach Esch/Alzette. Alle zehn Gendarmetten wurden am 20. Oktober 1983 in die Hauptstadt abkommandiert. Doch während der Umgang mit den Gleichaltrigen während der Ausbildung reibungslos ablief, wurde den Frauen in den Kommissariaten das Leben nicht immer leicht gemacht.
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„Da waren Männer, die noch nie mit Frauen zusammengearbeitet hatten“, erzählt Malou Antony. „Die kannten nur die eigene Frau, die sie am liebsten zu Hause am Herd wähnten. Die hatten echte Probleme, damit umzugehen, dass da auf einmal gleichberechtigte Frauen waren. Diese Männer waren dann auch schon mal richtig grob.“ Einige Frauen hätten mitgespielt und sich untergeordnet, andere hätten sich jedoch gewehrt. „Ich habe mich gewehrt und deshalb bin auch heute, 35 Jahre später, noch immer dabei“, bekräftigt Malou Antony. „Manchmal war es aber richtig heftig und verletzend.“
Mobbing auf dem Revier
Die beiden selbstbewussten Frauen machten aber auch Karriere innerhalb von Polizei und Gendarmerie. „Mein erster Chefposten ist gleich zu einer Mobbingaffäre ausgeartet“, holt Danièle Fusenig aus. „Ich habe Bericht an den Verwaltungschef erstattet und fünf Kollegen wurden strafversetzt.“
Der Vorfall spielte sich 1999 ab, also kurz vor der Fusion von Polizei und Gendarmerie. „Die betroffenen Beamten hatten sich zwar an eine Frau im Kommissariat gewöhnt“, erzählt Danièle Fusenig. „Nicht aber an mich als Chefin. Nun war es aber an mir, die Entscheidungen umzusetzen, die im Kontext der Fusion gefällt wurden. Fünf von neun Beamten haben versucht, mich zu sabotieren. Das ging über zwei Monate. Nachdem alles gute Zureden nichts mehr brachte, habe ich einen Bericht verfasst. Sehr zum Nachteil dieser Männer habe ich zu der Zeit auch Disziplinarrecht am Herrenberg unterrichtet, war also bestens mit dem Regelwerk vertraut.“
„Auch heute gibt es noch welche, die dieses Frau-am-Kochtopf-Denken an den Tag legen“, ergänzt Malou Antony. „Doch die werden in nächster Zeit aussterben. Den jungen Menschen in der Polizei ist es egal, ob ihnen ein Mann oder eine Frau gegenüber steht.“
Verklemmte Männer und begeisterte Bürger
Im alltäglichen Einsatz auf der Straße war es, so scheint es, für die Frauen oft leichter, als in der eigenen Dienststelle. Aber auch im Einsatz waren es oftmals eher die Kollegen, die sich schwer taten, als die Bürger. „Da gab es Polizisten, die nicht mit einer Frau auf Patrouille gehen wollten, die größer ist, als sie“, stichelt Malou Antony, selbst über 1,80 Meter groß. „Ich war eben größer als die meisten männlichen Kollegen. Aber einer war besonders schlimm. Entweder musste ich als Stagiaire im Auto sitzen bleiben, oder auf der Fahrbahn gehen, während er den etwas höheren Bürgersteig in Anspruch nahm.“
In Diekirch habe es zudem einmal einen Mann gegeben, der vor Schreck gegen eine Straßenlaterne gelaufen sei, weil er noch nie eine Frau in Polizeiuniform gesehen hatte. „Beim Bürger kamen wir zumeist sehr gut an. Manchmal schickte man uns sogar Blumen nach Hause“, erzählt sie.
Es gab aber auch Ausnahmen. „Richtig verhasst waren wir bei den Damen im Rotlichtbezirk“, erinnert sich Danièle Fusenig. „Die vertrugen uns überhaupt nicht. Während sich unsere männlichen Kollegen auch mal gerne umgarnen ließen, liefen diese Damen bei uns gegen eine Wand.“ – „Im Allgemeinen kann man aber schon sagen, dass Frauen im Einsatz oft eine deeskalierende Wirkung haben“, fügt Malou Antony hinzu.
Heute 216 Polizistinnen im Dienst
In 35 Jahren hat sich die Welt deutlich verändert. Reine Männerberufe gibt es kaum noch. Frauen den Zugang zu verweigern, wäre heute ohnehin strikt illegal. Heute gibt es 216 Frauen in den Reihen der Polizei – die ihre Ausbildung gemeinsam mit den männlichen Schülern und den gleichen Ansprüchen entsprechend absolvieren.
Danièle Fusenig und Malou Antony können auf eine ebenso ereignisreiche wie erfolgreiche Karriere zurückblicken. Beide sind heute Commissaire en chef und beide sind ihrer Heimatstadt Diekirch treu geblieben. Danièle Fusenig ist Kontroller im Polizeibezirk und somit verantwortlich für Disziplinarfragen, Malou Antony leitet das örtliche Einsatzzentrum.
Und beide brechen nach wie vor eine Lanze für ihren Beruf: „Es ist ein sehr abwechslungsreicher und vielseitiger Job“, betont Danièle Fusenig. „Wer bei uns auch wirklich arbeiten will, der kann sich den Beruf sehr interessant machen. Außerdem ist es eine Arbeit, bei der man viel Verantwortung übernehmen kann.“
„Ganz gleich ob Mann oder Frau, der gute Rat, den ich jungen Polizisten mit auf den Weg geben will, lautet, lebe die Polizei, arbeite für deinen Chef, bleibe authentisch, gib dir eine Linie und halte dich an die Gesetzestexte“, ergänzt Malou Antony. „Es ist ein sehr schöner Beruf, in dem jeder seinen Weg findet. Ich habe kein Jahr mehr zu arbeiten und es hat mir nicht einen einzigen Tag leid getan, dass ich Polizist geworden bin.“
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