Fall Tanja Gräff: Bei Bewusstsein abgestürzt
Fall Tanja Gräff: Bei Bewusstsein abgestürzt
(jsf) - Tanja Gräff ist offenbar vor acht Jahren gar nicht direkt von den Roten Felsen in Trier ins Unterholz gestürzt, sondern in einen Baum. Das wurde am Donnerstag auf einer weiteren Pressekonferenz in Trier deutlich. Dort hat der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Mainz, Professor Reinhard Urban, seine Ergebnisse vorgestellt.
In den vergangenen Monaten hat er das Skelett der 21-jährigen Studentin untersucht. Urban fand keinerlei Spuren von „Werkzeugen“, also beispielsweise einem Messer oder Knüppel. Gräff starb an den Sturzverletzungen. Das heißt freilich nicht, dass sie nicht das Opfer eines Verbrechens geworden sein kann.
Kein Opfer eines Sexualverbrechens
Ausgeschlossen kann aber werden, dass sie Opfer eines Sexualverbrechens wurde. Über dem Oberkörperskelett befand sich noch der intakte Pullover, darunter ein geschlossener Büstenhalter. Auch ihre Hose war verschlossen. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die junge Frau 26 Meter fußwärts fiel und mehrmals gegen Felsvorsprünge prallte, bevor sie in dem Baum landete. Urban fand Stoßverletzungen am linken Handgelenk sowie am Unterarm. Diese Verletzungen seien die Folge „einer typischen Reaktion“, so Urban. „Es wird versucht nach hinten zu greifen, um den Sturz abzufangen.“ Das bedeutet, Gräff war bei Bewusstsein, als sie den Felsen hinab fiel.
Urban stellte unter anderem eine vollständige Zertrümmerung eines Lendenwirbels fest. Die Wirbelsäule wurde durch den Sturz durchtrennt, Gefäße und das Rückenmark ebenfalls. Zudem gab es Verletzungen an der Halswirbelsäule, an der Brustwirbelsäule, an den Knien sowie eine längsseitige Verstauchung der Wirbelsäule. Der Schädel wies keinerlei Verletzungen auf.
Lebensgefährliche Arterienverletzung
Durch die Brüche geht Urban davon aus, dass Gräff eine lebensgefährliche Arterienverletzung erlitten hat. So eine Blutung reiche bis in den Rückenmarkskanal hinein, zudem werde das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Durch die Verletzungen könnte Gräff sofort gestorben sein, sagt Urban, möglicherweise aber auch erst Stunden später. Dass sie mehrere Tage noch lebte, hält er für unwahrscheinlich. „Selbst bei einer raschen ärztlichen Versorgung, wäre Tanja Gräff sehr schwer zerebral geschädigt geblieben und mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 bis 30 Prozent gestorben“, so der Rechtsmediziner.
Die sterblichen Überreste von Gräff waren im Mai bei Rodungsarbeiten entdeckt worden. Am Fuße der Roten Felsen im dichten Unterholz in der Nähe der Bonner Straße – nur wenige hundert Meter von dem Gelände der Hochschule Trier entfernt, auf dessen Sommerfest Gräff im Juni 2007 spurlos verschwunden war. Das Skelett war noch recht zusammenhängend, befand sich aber dennoch nicht an einer Stelle, sondern in einem Radius von mehreren Metern. Das passt zum Wirbelsäulenbruch und dem Sturz in den Baum.
Die Polizei Rheinland-Pfalz stellt die Aufzeichnung der Pressekonferenz auf Youtube zur Verfügung:
In der vergangenen Wochen hatten die Ermittler 50 Kilo schwere Puppen von der Felswand geworfen, um den Absturz nachzustellen. Die Puppen landeten in einer Eiche, die dort steht. Die Ermittler schließen darauf, dass Gräff ebenfalls in den Baum gestürzt war. Der Leiter der Sonderkommission „FH neu“, Christian Soulier, sagte: „Der Baum ist eine alte Eiche, die wie eine offene Hand dort seht, mit drei großen Ästen, die sich ausbreiten.“
Laut Urban sei die Leiche von Gräff dort mehrere Wochen oder Monate verwest und schließlich in zwei Teilen 14 Meter tief ins Unterholz gestürzt. Das erkläre die Position der Knochenfunde.
Leiche auf alten Aufnahmen nicht zu sehen
Wenn die Leiche von Gräff nicht im Unterholz lag, sondern in einer Baumgabelung, warum wurde sie dann bei den Suchen nicht entdeckt?
Ermittlerchef Soulier sagt, dass sie sich noch mal die alten Hubschrauber-Luftaufnahmen angesehen haben, nachdem sie wussten, wo Gräff lag. „Aber auf den Fotos ist nichts zu sehen“, so Soulier. Selbst die weißen Dummies konnten vom Dach eines nahen Gebäudes nicht im Baum gesehen werden. Unklar ist weiterhin, ob Tanja Gräff in einem Unfall abgestürzt ist oder ob sie heruntergestoßen wurde. Urban sagt, dass ein Stoß auch für den Täter an der steilen Felskante gefährlich gewesen wäre.
20 Beamte ermitteln derweil in der Soko weiter. Der Trierer Polizeipräsident Lothar Schömann sagt: „Der Fall war immer Chefsache. Das nötige Personal war immer vorhanden.“ Fast 900 alte Spuren werden neu bewertet, Gräffs Handy wird noch ausgewertet, 65 neue Hinweise sind nach dem Fund im Mai eingegangen. Zeugen werden erneut verhört. Der leitende Oberstaatsanwalt Peter Fritzen sagt, für Hypothesen sei es noch zu früh. Es werde allerdings auch immer noch „wegen eines Tötungsdeliktes ermittelt“.
