Esch: Bürger wehren sich gegen Abriss der Keeseminnen
Esch: Bürger wehren sich gegen Abriss der Keeseminnen
Anrainer aus dem Escher Viertel Grenz-Hiel hatten Alarm geschlagen. Dies als sie am Montag die ersten Bagger gesehen hatten, die an den Keeseminnen nagten.
Ein riesiges Gebäude, Baujahr 1907, das auf der Brache Lentille Terres Rouges längs der Zugstrecke nach Audun-le-Tiche (F) steht und seit gut 40 Jahren sich selbst überlassen ist. Anstelle sollen Neubauten des künftigen Viertel Rout Lëns entstehen.
Der CNCI wehrt sich
Es wurde hin und her telefoniert. In kürzester Zeit schaffte es die noch junge Vereinigung CNCI, die sich für Industriekultur einsetzt, eine kleine Truppe zu mobilisieren. Corona zum Trotz, demonstrierten etwa 15 Personen am Donnerstag vor Ort, mit Masken und Regenschirmen ausgestattet.
„Heute sind es gerade Gebäude dieser Art die Belval seinen Charme geben“, sagt Historiker Denis Scuto, einer der Protestierenden.
Bei den Keeseminnen handelt es sich um eine Möllerei, eine Anlage in dessen Silos Eisenerzpräparate gelagert wurden, ehe sie zu den Hochöfen transportiert wurden.
Méco: erst Ideen entwickeln
um weitere Bilder zu sehen.
„Man soll es nicht einfach abreißen, weil man noch keine Idee hat, was dort entstehen könnte“, argumentiert Francis Hengen vom Mouvement écologique. Und verweist auf den verbleibenden Teil der Möllerei in Belval, wo nach langen Jahren erst jetzt, für das Kulturjahr Esch 2022, ein Projekt umgesetzt wird.
Für Heng Clemes, Präsident der Entente Mine Cockerill, muss das massive Bauwerk auf der Lentille gerettet werden, weil es „das Letzte seiner Art ist“.
Denkmalschutzbehörde und Stadt auf einer Wellenlänge
Anders sehen dies aber sowohl die nationale Denkmalschutzbehörde, als auch die Stadt Esch. „Vor Jahren wurde auf der Lentille eine Standortbestimmung durchgeführt“, erklärt Patrick Sanavia, Direktor des Service des sites et monuments. Damals wurde das Gebäude der Keeseminnen nicht als schützenswert zurückbehalten.
„In ihrem neuen allgemeinen Bebauungsplan ist die Stadt Esch eigentlich weiter gegangen als wir. Darüber sind wir froh“. Sprich, es wurden mehr Gebäude der Brache als erhaltenswert eingestuft.
Dennoch wurden auch dieses Mal die Keeseminnen nicht zurückbehalten. Das Gebäude stehe isoliert, der Zusammenhang fehle, so Sanavia.
Stadt Esch nicht für Erhalt
Das sieht auch der Escher Schöffe André Zwally (CSV) so. „Ich bin sicher keiner der sagt: Reißt alles ab“. Aber der Erhalt müsse einen Sinn ergeben.
Die Eisengussproduktion sei in Belval dokumentiert, mit den Hochöfen, der Möllerei und mit der Gebläsehalle, für deren Erhalt er sich einsetzt.
Eine einzelne Möllerei auf der Lentille zu erhalten, sei dagegen wenig sinnvoll. Dafür sei aber geplant, einige Elemente des massiven Bauwerkes, sogenannte Portale, zu erhalten und an anderem Stellen auf der Rout Lëns neu zu errichten.
Kox: Erhalt war nie ein Thema
Schöffe Martin Kox (Déi Gréng) weist seinerseits darauf hin, dass bereits im vorigen Schöffenrat nie die Rede von einem Erhalt der Keeseminnen war. Dafür werden jetzt auf dem Standort der Lentille die meisten der verbleibenden Gebäude erhalten und in das neue Viertel integriert.
Dies bestätigt das Unternehemen Iko, das ArcelorMittal die Fläche abgekauft hat und das neue Viertel entwickeln wird. Konkret sollen die Turbinenhalle und ein weiteres Gebäude, genannt TT, beide mit roter Ziegelfassade und beide vom Kreisverkehr bei der Tankstelle aus zu sehen, erhalten werden.
Gleiches gilt für die Gebläsehalle und für ein kleines Stellwerk. All diese Gebäude werden neue Funktionen erhalten. Welche will Iko aber aktuell noch nicht verraten.
Iko: Zustand der Keeseminnen zu schlecht
Bei den Keeseminnen sei der Zustand des Gebäudes zu schlecht und die Schwierigkeiten für einen Umbau zu groß.
Außerdem erlaube das Gebäude nicht die gewünschte Verbindung zwischen Escher Zentrum und dem Viertel Grenz-Hiel herzustellen. Weiter schränke es die Baumöglichkeiten auf dem Gelände ein.
„Allée de la culture industrielle“
Dafür soll aber eine „Allée de la culture industrielle“ entstehen. Sie wird die Gebäude, die erhalten werden, miteinander verbinden, kündigt Iko an. Die Instandsetzung der genannten Industriegebäude koste, alleine für Fassaden- und Dacharbeiten, 15 Millionen Euro.
„Da sind die Asbestentsorgungskosten nicht inbegriffen. Es wäre einfacher gewesen, alles abzureißen, aber das wollten wir nicht“, sagt der CEO von Iko, Eric Lux. Diese Industriegebäude werden später dem Viertel seinen Charme verleihen. Und dafür sogen, dass er mit keinem anderen austauschbar sei.
Vorstellung des Masterplans im September
Eigentlich hätte der Masterplan der Rout Lëns dieser Tage vorgestellt werden sollen. Doch die Coronakrise machte dem einen Strich durch die Rechnung. Nun soll dies im September nachgeholt werden. So erklären André Zwally und Martin Kox, dass nicht weiter über die Abrissarbeiten kommuniziert wurde.
Die Abrissgenehmigung war aber bereits im August unterschrieben, betont Kox. Es habe sich bisher keiner daran gestört.
Vor vollendeten Tatsachen
Francis Hengen sagt dazu, dass der Abriss der Keeseminnen in der Baukommission, in der er Mitglied ist, nie thematisiert wurde. Man fühle sich vor vollendeten Tatsachen gestellt.
Dabei hatte die Vereinigung CNCI noch im März eine Anfrage gestellt, um mehrere Gebäude auf der Lentille Terres Rouges schützen zu lassen. Dieser Schritt sei legitim, erfordere aber kein Abrissstopp, erklärt Patrick Sanavia.
Die Denkmalschutzbehörde bleibe bei ihrer Ansicht, dass die Keeseminnen nicht erhaltenswert seien. Ihr Schicksal scheint demnach besiegelt.
CNCI: Bleiben am Ball
Es braucht aber mehr, um Marlène Kreins und Misch Feinen, beide Kopräsidenten der Vereinigung CNCI, zu demotivieren. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, so Misch Feinen.
Ziel sei es auch, ein Zeichen zu setzen, dass Bürger den Abriss von historischen Industriebauten in Zukunft nicht einfach so hinnehmen werden. Das CNCI bleibe am Ball, versprechen beide. Ob mit oder ohne Maske.
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