Eine typisch luxemburgische Kulturlandschaft
Eine typisch luxemburgische Kulturlandschaft
An den sanft ansteigenden Sauerhängen rund um Born ist die Bongerte-Welt noch in Ordnung. Zig Obstbäume tragen hier Äpfel, Zwetschgen und Birnen. Doch die in Luxemburg traditionell beheimatete Kulturlandschaft hat einen schwierigen Stand: Vielen Landwirten ist die Pflege der Bäume zu umständlich, das Obst bringt wenig Ertrag. Zudem wissen viele nicht mehr, wie die Bäume richtig gepflegt und beschnitten werden. "In manchen Fällen wissen die Besitzer nicht mal mehr, dass sie noch irgendwo Obstbäume haben", erklärt Georges Schiltz.
Schnaps und Kompott
Der studierte Önologe aus Rosport hat die Liebe zum Obst sozusagen im Blut: "Das lag bei uns in der Familie", erklärt Schiltz, der selbst eine Brennerei betreibt. Ihn fasziniert vor allem die Vielfalt der Obstsorten. "Es ist wichtig, diese zu erhalten und alte Sorten sozusagen wieder zu beleben. Da sie zum Teil seit mehr als hundert Jahren in Luxemburg heimisch sind, kann man davon ausgehen, dass sie ideal an unser Klima und unseren Standort angepasst sind." Mit dem Aktionsprogramm soll das Verschwinden der Streuobstwiesen gebremst werden: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts stellten die Bongerten noch eine wichtige Einkommensquelle für die Landwirtschaft dar.
Im klimatisch begünstigten Osten des Landes waren die Früchte von solcher Qualität, dass sogar ein Exportgeschäft entstand. Im Lauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdrängte der kommerzielle Plantagenobstbau dann die traditionelle Anbauweise. Die Mechanisierung der Landwirtschaft und mangelnde Pflege trugen das Ihre dazu bei, dass die Bongerten fortan zur Randerscheinung verkamen. Wurden Anfang des 20. Jahrhunderts noch 1,2 Millionen Obstbäume gezählt, so sind es deren heute noch rund 200 000. Zudem sind viele regionaltypische Obstsorten ganz verschwunden.
10 000 Neupflanzungen
Vor 15 Jahren bereits wurden erste Gegenmaßnahmen ergriffen: Verschiedene Gemeinden, Gemeindesyndikate und Naturschutzorganisationen starteten mit der Unterstützung des Umweltministeriums Projekte, um die Bongerten zu fördern. Dazu gehören Kurse zum fachgerechten Baumschnitt, die Pflanzung neuer Bäume sowie die Erfassung der Sorten. Da die Hälfte der noch erhaltenen Bestände im Osten des Landes liegt, haben die biologischen Stationen Mëllerdall und SIAS die Initiative ergriffen. In den letzten 15 Jahren wurden zum Beispiel rund 10 000-12 000 Hochstammobstbäume neu gepflanzt. Die Tendenz ist zurzeit denn auch eher positiv. „Der Erfolg des Projektes hängt aber sehr stark davon ab, ob die Besitzer bereit sind, weitere Bäume zu pflanzen“, so Schiltz.
„Wir haben schützenswerte Kirchen und Schlösser, aber wir haben auch Kulturlandschaften wie die Bongerten, die es wert sind, geschützt zu werden“, so Mikis Bastian von der Biologischen Station Mëllerdall. Vor allem das Erlangen des Know-how zur Pflege der Obstbäume und der Aufbau eines Vermarktungsnetzes sind dabei die Säulen, auf die man aufbauen will.
Biotop und Artenvielfalt
Neben dem kulturhistorischen Aspekt bieten Bongerten aber eine ganze Reihe anderer Vorteile: Sie sind Lebensraum für Tausende von Arten, unter ihnen zum Beispiel der vom Aussterben bedrohte Steinkauz. Die Obstwiesen vernetzen die Biotope, sie schützen Boden und Wasser und spielen zudem eine Rolle beim Klimaausgleich. „Bongerten tragen aber auch in erheblichem Maße dazu bei, die Artenvielfalt der Nutzpflanzen zu erhalten“, so Georges Moes von natur & ëmwelt. "In Luxemburg werden etwa 400 Obstsorten kommerzialisiert, die in Bongerten gepflanzt werden. Landesweit wurden sogar 750 Obstsorten über die sogenannte SEED-Datenbank erfasst, darunter Sorten, die kaum noch bekannt sind."
Laut Moes könnten das Erhalten und der Ausbau dieser Sorten einem allgemeinem Trend zur Verarmung der Nahrungsvielfalt entgegenwirken. „Während große Konzerne Lizenzen auf nachwachsende Lebensmittel erheben, haben wir hier die Möglichkeit, die Vielfalt in aller Unabhängigkeit zu erhalten.“ Supermärkte werden die vielen einheimischen Obstsorten wohl eher nicht sehen, dafür erfüllen sie nicht die strikten ästhetischen Normen. Aber der Apfelwein, der Schnaps, die Torte oder das Kompott lassen sich auch so erfolgreich vermarkten. Und schmecken tun sie ohnehin.
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