Drei Verstöße und du bist raus
Drei Verstöße und du bist raus
„Die Staatsanwaltschaft schlägt härter zu“, hieß es jüngst in einem Bericht der belgischen Tageszeitung „La Meuse“. Gemeint sind die Strafverfolgungsbehörden aus Arlon und die Ansage bezieht sich auf häusliche Gewalt: Drei Taten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt binnen zwölf Monaten führen automatisch zu einer Festnahme. Der Fall wird beschleunigt behandelt und der Tatverdächtige kommt vor den Untersuchungsrichter.
Ziel ist es, dass Wiederholungstäter sich schneller vor Gericht wiederfinden als bisher. Die neue Vorgabe gilt seit dem 1. Januar und ist retroaktiv. Demnach werden auch die Vorfälle aus dem Jahr 2018 bei der Entscheidung in Betracht gezogen.
Das Vorgehen beruht auf dem US-amerikanischen Rechtsprinzip „Three strikes and you are out“, das frei nach der aus dem Baseballsport bekannten Regel vorsieht, dass bei der dritten Verurteilung wegen einer Straftat automatisch eine besonders schwere Strafe ausgesprochen wird. Könnte das auch für Luxemburg ein denkbarer Weg sein?
„Eher nicht“, meint Laurent Seck von der hauptstädtischen Staatsanwaltschaft auf Nachfrage. „Wir haben hierzulande sehr effiziente Möglichkeiten, um für jeden Fall, für jeden Täter eine angebrachte Lösung zu finden. Quasi einen Service sur mesure“, meint Seck.
Gebündelte Zuständigkeit bei Taten mit Familienbezug
„Wir haben ein eigenes Gesetz zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt“, führt der Substitut Principal aus. „Dieses sieht beispielsweise zunächst die Möglichkeit einer Zwangsverweisung aus dem Domizil vor. Darüber hinaus ist das Strafmaß bei Taten im häuslichen oder familiären Kontext um einiges höher. Wer den eigenen Partner misshandelt, wird strenger bestraft, als derjenige, der einen Fremden schlägt. Das familiäre Umfeld ist dadurch in Luxemburg besser geschützt.“
Als sehr effizient habe sich zudem eine Neuorganisation der Strukturen bei der hauptstädtischen Staatsanwaltschaft erwiesen: So wurde beispielsweise die für Jugendschutz zuständige Abteilung mit jener für Familienangelegenheiten zu einer einzigen Instanz zusammengefügt. Acht Substitute sind nun ausschließlich für die Strafverfolgung in Familien- und Beziehungsfällen zuständig – von Gewalttaten über Stalking, Vergewaltigung bis hin zur Verletzung der Unterhaltsplicht und Kindesentzug.
Die Schaffung einer solchen gemeinsamen Instanz gilt insbesondere im Bereich des Jugendschutzes als sehr förderlich, da nun alles, was das Familienleben direkt betreffe, von den gleichen Entscheidungsträgern behandelt werde.
„Wenn Sie nun Anzeige wegen häuslicher Gewalt bei der Polizei erstatten, wird diese an den Substituten vom Dienst weitergeleitet“, erklärt Laurent Seck. „Falls der mutmaßliche Täter sich zuvor schon etwas Vergleichbares zuschulden kommen gelassen hat, dann wird sich immer der gleiche Vertreter der Staatsanwaltschaft mit dieser gleichen Person befassen. Der Substitut hat Zugriff auf alle Dossiers des Täters oder Tatverdächtigen, hat sich schon selbst ein Bild der Person gemacht, und weiß demnach auch, welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden. Aufgrund dessen entscheidet er dann über das weitere Vorgehen.“
„Maßnahmen stets auf den Einzelfall angepasst“
Der Staatsanwaltschaft stehe ein ganzer Katalog von Maßnahmen in Fällen von Handgreiflichkeiten oder Drohungen innerhalb von Beziehungen zur Verfügung, die auf den Einzelfall angepasst zum Einsatz kommen könnten. Wegweisungen aus einer gemeinsamen Wohnung etwa könnten sowohl für zunächst 14 Tage als auch für drei Monate ausgesprochen werden. Etwaige Zuwiderhandlungen bringen sofortige strafrechtliche Folgen mit sich.
Im Gegensatz zur „Three Strikes“-Praxis der Belgier stuft die Luxemburger Staatsanwaltschaft die Vorfälle der Schwere der Taten entsprechend ein. Beleidigungen, Drohungen oder Stalking sind anders einzuordnen als Schläge und Verletzungen – alle diese Tatbestände werden aber, wenn sie im familiären oder häuslichen Kontext stattgefunden haben, auch als häusliche Gewalt eingestuft, denn diese kann weit über körperliche Angriffe hinausgehen.
Die Staatsanwaltschaft kann einen Täter beispielsweise in geringfügigeren Fällen zunächst schriftlich verwarnen. Diese Verwarnung kann bereits an Bedingungen geknüpft werden. Die Staatsanwaltschaft setzt dem Betreffenden sprichwörtlich das Messer auf die Brust: Wenn er das beanstandete Verhalten nicht einstellt, wird es unmittelbar strafrechtliche Folgen geben.
Wenn es Hinweise gibt, dass das Verhalten in Zusammenhang mit Drogen- oder Alkoholkonsum steht, dann kann die Verwarnung zum Beispiel mit einer Therapieaufforderung verbunden werden. Gewalttäter werden zu einem Therapiezyklus bei der Einrichtung „Riicht eraus“ verpflichtet, die sich mit gewalttätigen Frauen und Männern befasst. Wenn der Täter diesen Auflagen nicht Folge leistet, wird ein Prozess angestrengt.
Das kann sehr kurzzeitig geschehen. Die minimale Vorladungsfrist für einen Prozess beträgt acht Tage. In den meisten Fällen kommt der Fall binnen drei Monaten nach der Tat in eine Sitzung.
Oftmals wird die Verwarnung dem Täter persönlich von der Polizei zugestellt. Auch dem Opfer wird eine Kopie ausgehändigt, zusammen mit der Aufforderung, Zuwiderhandlungen unverzüglich der Staatsanwaltschaft zu melden. Spätestens nach drei Monaten ist die Polizei angehalten, die Situation erneut im Einzelgespräch mit Täter und Opfer zu überprüfen.
Schlechte Karten für Wiederholungstäter
„In schwerwiegenden Fällen, wenn es mit einer Verwarnung nicht mehr getan ist, können wir auch sofort einen Prozess anstrengen“, betont Substitut Principal Laurent Seck. „Bei einer ersten Verurteilung wird das Strafmaß zumeist zur Bewährung ausgesetzt. Aber auch diese ist in vielen Fall wiederum an strenge Auflagen geknüpft. Wenn diese nicht erfüllt werden, wird das volle Strafmaß fällig.“
Bei schweren Straftaten wird ohnehin ein Untersuchungsrichter befasst. Die Staatsanwaltschaft beantragt dann auch die Unterbringung in Untersuchungshaft. „Das geht dann seinen Weg“, sagt Laurent Seck. Und Wiederholungstäter hätten ohnehin vor Gericht immer schlechte Karten – auch ohne die „Three strikes out“-Regelung. „Wer zum ersten Mal verurteilt wird, kann fast immer auf eine Bewährungsstrafe oder eine teilweise Bewährung hoffen“, unterstreicht der Substitut Principal. „Beim zweiten Mal darf es keine Bewährung mehr geben.“
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
