Die Schrift ist Programm
Die Schrift ist Programm
Von Eberhard Wolf
Tageszeitungen sind Durchschnittsmedien - so sagt man. Das gilt für ihre Inhalte genauso wie für ihre Gestaltung. Man könnte auch sagen, das Gesicht einer Zeitung sei das Spiegelbild ihrer Leserschaft. Der Titelschriftzug einer Zeitung sei mehr als nur der Markenname. Er sei der Spiegel einer Geschichte.
Der Schriftzug des „Luxemburger Wort“ wurde aus einer Schriftart namens „Fraktur“ gesetzt. Diese Bezeichnung bezieht sich nicht auf unsere spezifische Schrift, sondern steht für eine Schriftgruppe, deren Entstehung irgendwo im 14. oder 15. Jahrhundert zu verorten ist. Sie war damals im mitteleuropäischen Raum eine weitverbreitete Schrift, wenn auch mit unterschiedlichen Auslegungen. Erfahrene Typografen können französische, englische oder deutsche Fraktur-Schriften unterscheiden. In diesem Sinne kann die Fraktur als europäische Schrift bezeichnet werden.
Mit der Reformation und der Aufspaltung der Kirche in ein evangelisches und katholisches Glaubensbekenntnis begann nicht nur ein religiöser Deutungsstreit. Evangelische Schriftsetzer bevorzugten die Fraktur-Schriften, während ihre katholischen Kollegen eher die so-genannten Antiqua-Schriften, die den römischen Schriften entsprang, verwendeten. Das „Luxemburger Wort“ würde demnach ins evangelische Lager tendieren.
Kommen wir zu unserem speziellen Schriftzug zurück. Die heute noch verwendete Schrift wurde in den Jahren 1830 bis 1840 als leicht lesbare Variante mit dem Namen „Reklame-Fraktur“ entwickelt und fand wohl bei einem damals top-modischen Zeitungsdesigner Gefallen. Sie passte aber auch in die damalige Zeit des Aufbruchs, der Modernisierung einer Gesellschaft. Die Liberalisierung des Presserechts im Jahre 1848 ermöglichte die Gründung einer Zeitung, um einer breiten Öffentlichkeit und ihrer Überzeugung eine vernehmbare Stimme zu geben.
Damit trägt unsere Fraktur etwas Revolutionäres in sich.
In den folgenden Jahrzehnten konnte man immer wieder Versuche beobachten, den Schriftzug zu verändern. Diese Versuche waren politisch, kulturell, aber auch geschmäcklerisch begründet und führten, nach harten Diskussionen, letztlich dazu, dass unser Schriftzug nach 175 Jahren immer noch der gleiche ist. So etwas nennt man Beständigkeit.
Blickt man in die internationale Medienlandschaft, so ist es auffallend, wie viele Zeitungen eine Fraktur in ihrem Zeitungskopf führen, z.B. „New York Times“, „Frankfurter Allgemeine“ oder „Washington Post“. Das Beibehalten der Fraktur ist ein Versprechen. Es signalisiert Unabhängigkeit und Kontinuität in der Berichterstattung – und damit auch Verlässlichkeit.
Interessant wäre jedoch die Frage, wie ein Zeitungsdesigner den Namen einer Zeitung im digitalen Zeitalter heute gestalten würde.
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