Authentisch: Oh Gott! Eine Jugendkolumne
Authentisch: Oh Gott! Eine Jugendkolumne
Wir sind in Auschwitz. Ich stehe neben ihr. Als ich zu ihr rüber schaue, sehe ich, wie stille Tränen ihr über die Wangen laufen. Es ergreift mich noch jetzt, wenn ich daran denke. Es bleibt für mich das stärkste Bild des Weltjugendtages 2016 in Krakau: Rebecca, 29, eine Caritas-Mitarbeiterin aus Kanada, die bittere Tränen vergießt.
Wir stehen vor der Gaskammer des Konzentrationslagers Auschwitz I. Diese unscheinbare Tür, durch die hindurch Tausende von Menschen in den Tod geschickt wurden. Und die nun geschlossen ist. Wie wenn sie mahnen würde: Öffnet mich nie wieder! Öffnet nie wieder die Pandorabüchse des Hasses. Seid Menschen, keine Bestien. Lebt miteinander, nicht gegeneinander.
Der Papst setzte in Auschwitz ein starkes Zeichen: er schwieg.Ich dagegen zermartere mir das Gehirn, um irgendwie zu verstehen. Ich muss darüber reden. Oder schreiben. Rebecca hingegen weint. So hat jeder, jede seine Art des Respekts.
Wir haben mit den weltweiten Repräsentanten der Caritas-Jugendgruppen eine fantastische Zeit beim Weltjugendtag in Krakau erlebt.
Leider war ich nicht in der Luxemburger Gruppe mit dem Erzbischof, aber die Jugendlichen werden sicher in diesen Wochen voller Begeisterung erzählen. Fragt sie! In der sehr internationalen Caritas-Gruppe ist uns aufgefallen, wie sehr Papst Franziskus darauf pocht, dass unser Glaube zur Tat wird. Seid solidarisch, seid barmherzig, hinterlasst Fußspuren und lebt euer Leben mit voller Energie! So wie Jesus. Folgt ihm nach!
Ich habe meine ersten sieben Weltjugendtage oft als große katholische Party erlebt. Als ein Ort, an dem Jugendliche aus allen möglichen Ländern Freunde sind. Euphorisch. Mit Gesang. Und mit immer wieder neuen Ideen! „Yo soy espanol, espanol, espanol“, schreien die spanischen Jugendlichen unnachahmlich laut durch die Straßen. Nur die Italiener können mithalten: „Italiani, battete le mani!“ Und dann mittendrin kleine Gruppen aus Peru, Zentralafrika, Singapur. Und immer wieder das Gefühl: wir sind eine große Familie! Ich mag das. Und die Jugendlichen auch.
Und doch kam dieses Jahr etwas hinzu. War es der respektvolle Schrecken vom nahen Auschwitz? Waren es die rezenten Attentate? Oder ist es doch einfach nur die besondere Art von Papst Franziskus, selber authentisch zu sein und von den jungen (und älteren) Christen Authentizität zu erwarten? „Der Weltjugendtag geht zu Hause weiter!“ Wie wenn er sagen wollte: macht Party, trefft euch, amüsiert euch. Aber vergesst nicht eure Verantwortung.
Party zu machen ist oft ein Automatismus, barmherzig zu sein dagegen eine bewusste Entscheidung. Beides ist jugendlich.
Da stehen wir und starren schweigend auf die Tür des Grauens. Und wollen nur eines: die Tür der Barmherzigkeit aufstoßen. Unsere Verantwortung übernehmen. Gut sein, auch wenn das nicht immer einfach ist. Und Authentisch. Und damit Jesus nachfolgen.
Paul Galles, Koordinator „bénévolat solidaire“, Young Caritas Luxembourg.
Der Autor ist über E-Mail: paulgalles@gmail.com, sowie über Briefe an die Zeitung – Redaktion Glaube und Leben – und/oder soziale Netzwerke zu erreichen.
im Dossier: Oh, Gott! - Eine Jugendkolumne
siehe auch alle "Wegweiser"-Texte im entsprechenden Dossier.
