„Ausgerutscht“
„Ausgerutscht“
(str) - Der 28. Mai 2014 war ein schöner Frühlingstag mit angenehmen Temperaturen. So entschied sich eine Frau aus dem Süden des Landes, noch etwas Zeit auf der Terrasse ihres Hauses zu verbringen. Für 21 Uhr sollte ihr Ex-Partner die beiden gemeinsamen Kinder vorbei bringen, die er an jenem Tag zu einer Kommunionsfeier mitgenommen hatte.
Kurz vor dem ausgehandelten Zeitpunkt hörte die Frau dann von der Terrasse aus auf einmal ein Kind laut weinen. Auf Anhieb erkannte sie, dass es ihr dreieinhalbjähriger Sohn war.
Faustschlag aus dem Nichts
Wie sie nun vor Gericht aussagte, ging die Frau dann um das Haus, um nach dem Rechten zu sehen. Dort kam ihr Ex-Partner ihr gleich auf der Treppe entgegengestürzt und fauchte sie an: „Tu aurais pu ouvrir la porte, connasse!“
Die Frau hatte die Türklingel offensichtlich nicht gehört. Doch Zeit für Erklärungen gab es nicht. Denn im gleichen Augenblick holte der Mann aus und schlug seine Ex-Partnerin mit der Faust ins Gesicht. Dann drehte er sich um und ging weg.
„Die Polizei aus Esch konnte nicht kommen“, erklärte die Frau weiter vor den Richtern. „Was ich sehr beunruhigend finde, wenn man Frauen dazu bringen will, sich gegen häusliche Gewalt zu wehren.“ Sie habe dann selbst zur Wache gehen müssen, um Anzeige zu erstatten.
Ärzte stellten zudem Hämatome im Gesicht, eine aufgeplatzte Lippe und Verletzungen am Zahnfleisch fest. Eine zweiwöchige Arbeitsunfähigkeit war die Folge.
"Jovial" nach dem Angriff
Im Prozess wurde sie nun vom Verteidiger ihres Ex-Partners darauf angesprochen, dass ihr Umgang mit dem Beschuldigten wenige Tage nach der Tat doch recht jovial gewesen sei. „Ich habe sein Spiel gespielt, im Interesse der Kinder“, erwiderte sie. Der Mann habe nämlich einfach so gemacht, als ob nichts passiert wäre.
Vor Gericht machte er indes einen ganz anderen Eindruck. Reuig und mit flüsternder Stimme stellte er sich den Fragen des vorsitzenden Richters. Es sei ein Ausrutscher gewesen. „J'ai disjoncté“, erklärte er, kaum vernehmbar. Er könne es selbst auch nicht so recht verstehen. Aber auch er wies darauf hin, dass seine Ex-Frau zwar Anzeige erstattet, ihm gegenüber aber nie Vorwürfe geäußert habe.
Verständnis erntete er dafür beim Richter nicht. „Sie stellen sich keine Fragen, nachdem Sie Ihre Frau geschlagen haben, wundern sich dann aber darüber, dass sie nichts sagt?“, hielt er dem Angeklagten kopfschüttelnd entgegen.
Sympathiepunkte hatten der Angeklagte und sein Verteidiger auch bei der Vertreterin der Staatsanwaltschaft nicht gesammelt. „Sie schlagen Ihre Frau mit der Faust ins Gesicht, dann gestehen Sie die Tat, um anschließend, um ein nicht zu strenges Urteil zu bitten, damit die Beziehung zu den Kindern nicht beeinträchtigt wird“, hielt die Anklägerin der Gegenpartei vor. „Es ist schon traurig, dass das das Résumé der Verteidigung ist.“ Der Mann habe die Mutter der Kinder vor deren Augen geschlagen, und erwarte nun, dass diese stillhalte.
Nicht nachvollziehbare Tat
Es sei eine schwerwiegende und nicht nachvollziehbare Tat, meinte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und beantragte schließlich eine Haftstrafe von 14 Monaten und eine Geldbuße. Einer Aussetzung des Vollzugs der Gefängnisstrafe zur Bewährung werde sie sich allerdings nicht widersetzen.
Als Nebenklägerin forderte das Opfer zudem den symbolischen Euro Schadenersatz. „Im Interesse aller misshandelten Frauen“, hob sie hervor.
Das Urteil ergeht am 8. Februar.
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