Auf luxemburgisch "gaga"
Auf luxemburgisch "gaga"
(str) - Ist Pierre Kohnen unfähig oder gar geistig invalide? Mit dieser Frage befasst sich zumindest indirekt derzeit die zwölfte Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg. Der Bommeleeër-Zeuge und pensionierte Polizeibeamte Kohnen behauptet nämlich in einer Privatklage von Ex-Generaldirektor Romain Nettgen und Pressesprecher Vic Reuter dementsprechend diffamiert und beleidigt worden zu sein. Pierre Kohnen war bis zum 11. Februar 2014 beigeordneter Regionaldirektor des Polizeibezirks Esch/Alzette. Zudem unterrichtete er den „Code d'instruction criminelle“ an der Polizeischule. Dieser Aufgabe wollte Kohnen auch nach seiner Pensionierung noch für zwei weitere Jahre nachgehen. Er sei der erfahrenste und kompetenteste Mann auf diesem Posten und in diesem Fachgebiet, schreibt er in der Klageschrift. Doch zu weiteren Unterrichtsstunden kam es nicht. „De Rom wëll net méi, dass du Coursen an der Polizeischoul häls“, habe der Direktor der Polizeischule ihn informiert. Der Grund hierfür seien seine Aussagen im Bommeleeër-Prozess gewesen.
„Ein Akt von unerhörter Bosheit“
In einem „Akt von unerhörter Bosheit“ habe der damalige Polizeichef Romain Nettgen „aus purer Rache und nebenbei, um sich selbst eine weiße Weste zu bescheinigen“, den Pressesprecher der Polizei angewiesen, Unwahrheiten zu verbreiten: Kohnen sei nicht mehr fähig, weil er – auf Luxemburgisch gesagt – „gaga“ geworden sei.
Untermauert wird dies mit einer Aussage, die Vic Reuter am 8. April 2014 gegenüber RTL gemacht haben soll: „Vum Dezember un huet hie keng Course méi gehalen, well en den Uspréch net méi gerecht gëtt an duerfir net méi zefriddestellend geschafft huet“.
Das sei allerdings falsch. Kohnen habe sehr wohl auch nach Dezember weiter unterrichtet, und bereits für März sollten ihm weitere Aufgaben zuerteilt werden. Die Aussagen Reuters hätten ihn gezielt als unfähig, als mental invalide darstehen lassen. Nettgen und Reuter hätten sich somit der Verleumdung und der Beleidigung schuldig gemacht.
In einer Privatklage (citation directe) fordert Kohnen, dass Nettgen und Reuter dafür strafrechtlich belangt werden. Für den moralischen Schaden sollen beide eine Entschädigung in Höhe von 20 000 Euro zahlen, für materiellen Schaden 7 500 Euro und für prozedurale Kosten 3 000 Euro. Doch genau diese Privatklage könnte ein Problem sein. Gestern beschäftigte sich das Gericht in der Gerichtsverhandlung, dann auch ausschließlich mit der Frage, ob diese Klage überhaupt zulässig ist – der Hintergrund des Prozesses war kein Thema.
Knackpunkt Staatsbeamtenstatut
Die Anwälte der Verteidigung und auch die Staatsanwaltschaft beantragten nämlich die Abweisung der Klage. Knackpunkt ist der Artikel 35.1 des Staatsbeamtenstatuts. Daraus geht hervor, dass zivilrechtliche Schritte für möglichen Schaden, der von einem Beamten in Ausübung seines Amtes angerichtet wird, nur vor ein Strafgericht gebracht werden kann, wenn die Staatsanwaltschaft bereits in dem Fall ermittelt.
Für den Anwalt von Pierre Kohnen ist die Anwendung dieses Gesetzes „blanker Horror“. Es gefährde die gesamte demokratische Gesellschaft, da jeder Mensch vor dem Gesetz gleichgestellt sein müsse – eben auch Staatsbedienstete. Jeder Mensch müsse das Recht haben, eine Strafverfolgung vor einem Gericht einzufordern.
Die Verteidiger von Nettgen und Reuter wollten davon nichts wissen. Sie erklärten, der Artikel führe keinesfalls zu einer faktuellen Strafunmündigkeit für Staatsbeamte. Der Artikel 35.1 setze lediglich einen Rahmen für Regeln und Form. Es gebe sehr wohl Mittel, um die Strafverfolgung eines Beamten einzuleiten – per Strafanzeige etwa. Wenn die Staatsanwaltschaft entscheide, kein Verfahren einzuleiten, sei es zudem möglich, auch gegen diese Entscheidung vorzugehen.
Am 9. Juli fällt die zwölfte Strafkammer ihr Urteil zur Zulässigkeit der „citation directe“ gegen Nettgen und Reuter. ⋌
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