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Allein gegen alle
Leitartikel Lokales 2 Min. 03.07.2013 Aus unserem online-Archiv

Allein gegen alle

Leitartikel Lokales 2 Min. 03.07.2013 Aus unserem online-Archiv

Allein gegen alle

Marc SCHLAMMES
Marc SCHLAMMES
Alles Zögern und Zeitspiel hat nicht gefruchtet: Mit ihrer Antwort auf die Frage der Verantwortung des Regierungschefs beim Geheimdienstbetrieb steht die CSV ohne Alliierte(n) da. Einstweilen findet sich die zahlenmäßig stärkste Chamber-Fraktion in der Minderheit wieder, vom Koalitionspartner allein gelassen.

Alles Zögern und Zeitspiel hat nicht gefruchtet: Mit ihrer Antwort auf die Frage der Verantwortung des Regierungschefs beim Geheimdienstbetrieb steht die CSV ohne Alliierte(n) da. Einstweilen findet sich die zahlenmäßig stärkste Chamber-Fraktion in der Minderheit wieder, vom Koalitionspartner allein gelassen. Ein Déjà-vu-Erlebnis: Schon einmal, 2009, beim Gesetzvorschlag zur Euthanasie, musste die CSV-Fraktion diese bemerkenswert-bittere Erfahrung machen. Die politische Konsequenz war damals die Legalisierung der Sterbehilfe.

Und 2013? Die Konsequenzen sind nicht absehbar. Es gibt keine Gebrauchsanweisung für die Etappen nach der Feststellung der politischen Verantwortung bzw. des persönlichen Fehlverhaltens. Luxemburg fehlt das Navigationssystem; die Politik praktiziert „navigation à vue“. Mit Sicherheit wäre die Situation nachvollziehbarer zu handhaben, wenn eine zeitgemäße Verfassung oder/und ein Ministergesetz zum Arsenal der legislativen Geschirrkiste gehörten.

So darf es nicht verwundern, dass sich der Enquete-Ausschuss quasi im Zeitlupentempo durch seinen Bericht vorantastet – bestimmt, aber bedächtig. Nun haben sich die Konkurrenten der Christlich-Sozialen zwar schon vorgewagt und sehen politische Verantwortung und persönliches Fehlverhalten des Premierministers als erwiesen an. Darüber hinaus hat sich bis dato indes (noch) niemand getraut. Wobei: Wer die politische Verantwortung einfordert, der sollte auch die Folgen benennen. Es geht um das R-Wort. Rücktritt als Unwort? Wohl unter Umständen auch, weil die Roadmap fehlt.

Vor allem aber: Den Rücktritt zu fordern und den Rücktritt als Erster zu fordern, verlangt eine gewisse Portion an politischer Skrupellosigkeit, die, mit den elektoralen Kräfteverhältnissen im Hinterkopf, nicht so leicht aufzubringen ist. Zudem kann niemand das jüngste Umfrageresultat ausblenden: 63 Prozent der Befragten sprechen sich gegen einen Rücktritt aus. Wer also den Rücktritt des Regierungschefs fordert, der verfügt beim Wähler über keine Mehrheit.

Demzufolge bleibt der Eindruck, als wolle die Enquete-Kommission dem Premier partout die Initiative überlassen, damit er selbst die Konsequenzen aus der Feststellung der Verantwortung zieht – was er bereits bei der Debatte vom 13. Juni andeutete. – Mit dem damaligen Gesundheitsminister Johny Lahure hatte im Januar 1998 zuletzt ein Regierungsmitglied politischen Konsequenzen vorgegriffen und sein Amt zur Verfügung gestellt.

Noch aber tut der Premierminister seinen Gegnern nicht den Gefallen, die Initiative zu ergreifen. Seit der Misstrauensdebatte Mitte Juni hält er sich bedeckt – einem Boxer gleich, der (verbale) Schläge einsteckt und wegsteckt, um sich über die Runden zu retten. Oder etwa, um den großen Gegenschlag zu präparieren? Am Freitag tagt der Ministerrat ...

Letztlich muss der Premierminister für sich – und für seine Partei – abwägen, wie lange er sich durch den Ring treiben lässt. Und die politische Konkurrenz muss für sich entscheiden, ob sie zum K.-o.-Coup ausholen will. Im Fall Liwingen/Wickringen war die Opposition nicht über ein Schattenboxen hinausgelangt. Vielleicht ruht die Taktik auch nur darin, dass die CSV mit einem angezählten Spitzenkandidaten die Wahlen 2014 bestreiten soll.