Zum Weltyogatag: „Es gibt keine Zauberpille“
Zum Weltyogatag: „Es gibt keine Zauberpille“
Eigentlich hatte die Fédération nationale des écoles luxembourgeoises de yoga (FNELY) für diesen Sonntag eine große sportlich-spirituelle Geburtstagsparty in der Abtei Neumünster geplant. Am Weltyogatag wollte die Vereinigung dort ihr 25-jähriges Jubiläum feiern. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Veranstaltung jedoch vertagt. Sie soll im kommenden Jahr nachgeholt werden. Als Trostpflaster bietet die FNELY am Sonntag den ganzen Tag über kostenlose Onlinekurse via Facebook Live an. Das „Luxemburger Wort“ hat mit der 45-jährigen Yogalehrerin Perla Ghidale über den beliebten Sport gesprochen, der eigentlich keiner ist.
Perla Ghidale, was hat Sie zum Yoga geführt?
Ich praktiziere Yoga seit dem Jahr 2003. Damals habe ich in einem Großraumbüro gearbeitet, wo es sehr laut war. Ich wollte den Stress auf der Arbeit in den Griff bekommen und meine Konzentration verbessern.
In einer FNELY-Mitteilung heißt es, Yoga sei keine Gymnastik und erfordere keine besonderen körperlichen Voraussetzungen. Schaut man sich Bilder oder Videos an, wirkt es bei einigen Übungen dennoch, als müsste man ein Schlangenmensch sein.
Solche Videos und Fotos nähren das Bild eines Yoga, das dünnen, jungen, biegsamen, fitten Frauen vorbehalten ist. Für manche ist Yoga zu einem Produkt der Konsumgesellschaft geworden, das sie wie jedes andere Produkt verkaufen müssen. Die FNELY hingegen vertritt ein qualitativ hochwertiges Yoga, das es jedem ermöglicht, das zu finden, was er sucht – mit der Garantie, einen Kurs bei einem Lehrer zu besuchen, der eine mindestens vierjährige Ausbildung absolviert hat und ein auf europäischer Ebene anerkanntes Diplom besitzt.
Nichtsdestotrotz kann man beim Yoga schonmal ins Schwitzen geraten. Was unterscheidet denn einen Yogakurs von einer herkömmlichen Gymnastikstunde?
Das Bewusstsein, das man in jede Übung einbringt. Die bewusste Wahrnehmung von Körper und Atmung beim Ausführen der Stellungen und bei Atemübungen. Die Wahrnehmung der Bewegungen des Geistes in der Meditation und das Bewusstsein für die eigene Stimme im Gesang.
Und warum müssen letzten Endes keine besonderen körperlichen Voraussetzungen erfüllt sein?
Wenn Sie Ihren Körper bewusst wahrnehmen, sind Sie sich auch Ihrer Grenzen bewusst. Sobald man Sinn und Zweck von Yoga verstanden hat, fühlt man sich frei, man selbst zu sein – ohne Angst, von anderen beurteilt zu werden. Man wird dann nur der Art von Yoga nachgehen, die zu einem passt.
Die FNELY betont auch, dass es weder eine Religion noch eine Lehre sei ...
Man kann Yoga als Lebensphilosophie betrachten, die es demjenigen, der es wünscht, erlaubt, sich besser kennenzulernen und an sich zu arbeiten. Es steht jedem frei, sich der passenden Werkzeuge aus dem Yoga zu bedienen, um sich in seinem eigenen Tempo weiterzuentwickeln.
Worin bestand bislang Ihre größte Herausforderung als Yogi?
Der Lehrer meines Lehrers hat einmal gesagt: „Man erkennt einen guten Lehrer an seiner mangelnden Beweglichkeit, denn er weiß, was die Schüler durchmachen, um die Stellungen zu üben.“ Meine größte Herausforderung war und ist es, den Kursteilnehmern und der Öffentlichkeit klarzumachen, dass es nicht darum geht, beweglich oder wie andere zu sein, sondern sich mit sich selbst zu verbinden, im Augenblick zu sein und loszulassen. In aller Bescheidenheit gebe ich nur das weiter, was man mich gelehrt hat. Wenn die Teilnehmer das finden, was sie gesucht haben, dann ist das mein größter Erfolg. Und das verdanke ich nicht mir, sondern ihnen. Ihrer Fähigkeit, sich mit sich selbst zu verbinden, loszulassen und mir zu vertrauen.
Welches ist Ihre Lieblingspose?
Die Frage bringt mich zum Schmunzeln, weil sie genau das Bild widerspiegelt, das die meisten Menschen von Yoga haben: die Stellungen. Dabei ist es soviel mehr: Es gibt die Meditation, die Atemübungen, die Gesänge, die Arbeit an seiner Person. Aber ich beantworte die Frage dennoch: Ich mag Brahmasana, den Schneider- oder Halblotussitz auf einem kleinen Kissen. Es ist meine Wohlfühlhaltung, die ich normalerweise beim Unterrichten einnehme. Dabei fühle ich mich im Boden verankert. Sie hilft mir, den Rücken gerade zu halten, den Brustkorb zu öffnen, tief durchzuatmen und mich zu konzentrieren.
Wie findet man unter den unzähligen Yogastilen den passendsten?
Im Yoga gibt es keine „Zauberpille“, die jedem sofortiges Wohlbefinden verschafft, denn jeder ist anders. Am besten experimentiert man mit verschiedenen Kursen, bevor man den für sich geeigneten auswählt. Ein guter Draht zum Lehrer und ein Kurs, in dem man sich – währenddessen und danach – wohlfühlt, sind wichtige Kriterien. Privatstunden erlauben natürlich gezieltere Anpassungen an die Bedürfnisse des Teilnehmers. Nicht jeder kommt aus dem gleichen Grund und mit dem gleichen Hintergrund, was Alter, Verfassung oder den Gesundheitszustand anbelangt. Ein aufmerksamer Lehrer wird aber immer in der Lage sein, Variationen vorzuschlagen, die es jedem ermöglichen, zu finden, was er sucht.
Sprechen wir über das berühmte „Om“. Wozu dient dieser Gesang?
Man kann es auch „Aum“ aussprechen. Es ist der Urton, die Urschwingung in der indischen Tradition. Er wird zu Beginn und/oder am Ende der Sitzung ausgesprochen und bringt einen in Harmonie mit anderen Praktizierenden, aber auch mit den Praktizierenden, die einem im Laufe der Jahrhunderte vorausgegangen sind und dieselbe Silbe mit derselben Absicht gesungen haben. Es hat auch eine starke Wirkung auf den Atem. Und Atem ist Leben. Traditionell ist der Gesang ein sehr kraftvolles Werkzeug im Yoga. Denn was durch die Stimme geht, verbindet einen direkt mit seinem inneren Zustand. Die Stimme ändert sich je nach Stimmung und umgekehrt. Sie können unterschiedliche Lieder verwenden, um sich zu beruhigen, zu stimulieren oder Ihre Konzentration zu fördern.
Yoga scheint in unseren Breitengraden mehr Frauen anzusprechen als Männer. Woran liegt das?
Sind die hiesigen Frauen möglicherweise mehr um ihr Wohlergehen besorgt als Männer? Aber es gibt sicherlich auch dieses Modephänomen, das von Frauenzeitschriften propagiert wird. Dennoch sind die Männer, die zu meinen Kursen kommen – auch wenn es nur wenige sind – sehr engagiert und verstehen schnell, welchen Nutzen sie aus dem regelmäßigen Praktizieren ziehen können.
Welcher wäre das?
Dank Yoga kann jeder sein Veränderungspotenzial entdecken, neue Energie schöpfen, sein Wohlbefinden steigern, Selbstvertrauen gewinnen und Klarheit des Geistes erlangen – um nur einige Beispiele zu nennen.
Folgen Sie uns auf Facebook und Twitter und abonnieren Sie unseren Newsletter.
