Ein Stern mit Stecker
Ein Stern mit Stecker
Von Marc Willière
Nach dem Testlauf mit einem Plug-in-Hybrid, der bereits aufgrund seiner auf 1.500 Exemplare limitierten Produktion das Potenzial zu einem begehrten Sammlerobjekt hat, startet Hersteller Polestar jetzt mit seinem ersten rein elektrischen Modell durch. Zwischen dem Polestar mit der Nummer eins und der aktuellen Nummer zwei liegen aber nicht allein antriebstechnisch Welten. Auch beim Design und der Ausstattung unterscheiden sich beide Modelle deutlich. Lediglich die Form bleibt größtenteils unangetastet.
Stromer für die Mittelklasse
Einen Namen hat sich Polestar als Haustuner des Herstellers Volvo gemacht. Mit dessen Übernahme durch die chinesische Geely Holding avancierte das Unternehmen 2017 gleichzeitig zur „elektrifizierten Hochleistungsmarke“ und hatte Anspruch auf eine größere Unabhängigkeit. Den ersten Polarstern auf der Motorhaube trug ein zweitüriges Grand Tourer Coupé, das vor zwei Jahren im chinesischen Chengdu vom Band lief.
Das Performance-Hybrid-GT mit Karbonfaser-Karosserie, 441 kW (600 PS) Systemleistung und 1.000 Nm Drehmoment hatte indes mit über 150.000 Euro seinen Preis. Mit dem Polestar 2 verlässt der Konstrukteur die Oberklasse und bedient nunmehr ausschließlich als reiner Stromer in weitaus größerem Rahmen das Mittelklasse-Segment. Dass er dabei aber weiterhin als Fließheck-Limousine vorfährt, kommt sicher nicht von ungefähr, will Polestar sein zweites Modell doch als schwedische Antwort auf Tesla gegen das Model 3 positionieren. Auch in preislicher Hinsicht.
Die 2er-Reihe des Eurasiers ist in drei Varianten mit zwei Antriebssträngen, zwei Batteriegrößen und neuen Ausstattungspaketen im Angebot. Der Allrad-Stromer bringt es auf 300 kW (408 PS) und 660 Nm maximales Drehmoment. Den Spurt aus dem Stand auf 100 km/h schafft er in 4,7 Sekunden. Seine 78-kWh-Batterie soll eine Reichweite von 480 Kilometern nach der WLTP-Norm ermöglichen. Den Verbrauch gibt der Hersteller mit 19,3 Kilowattstunden je 100 Kilometer an. Der Vortrieb endet bei 205 km/h.
Daneben gibt es noch zwei Ausführungen mit Frontantrieb. Das E-Aggregat mit derselben Long-Range-Batterie leistet 170 kW (231 PS), während es die 64 kWh-Batterie auf 165 kW (224 PS) bringt. Mit je 330 Newtonmetern bleibt indes das maximale Drehmoment gleich. 100 Stundenkilometer sind jeweils nach 7,4 Sekunden erreicht. Bei identischem Verbrauch von 17,1 kWh/100 km sind Polestar zufolge Reichweiten von 540 und 440 Kilometer möglich. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 160 km/h.
Beim Verbrauch und somit bei der Reichweite unterscheiden sich auch bei Polestar Theorie und Praxis. Statt der im Datenblatt angegebenen Reichweite von 540 Kilometern stellt der Bordcomputer unseres Testwagens mit vollgeladener 78-kWh-Batterie aber nur 430 Kilometer in Aussicht, die auch bei zurückhaltender Fahrweise schwerlich zu erreichen sind. Nach 200 Kilometern überwiegend auf Landstraßen hatte sich die Batterie bereits zur Hälfte entleert, so dass bei einem durchschnittlichen Verbrauch von knapp 20 kWh nur eine Strecke von 400 Kilometern effektiv zurückgelegt werden kann.
Gefüllt wird der Akku des Polestar 2 über das eingebaute Ladegerät mit bis zu elf kW; am Schnelllader sind 150 beziehungsweise 116 kW und eine Füllzeit von 0 auf 80 Prozent in 35 Minuten möglich.
Skandinavisch-kühles Design
Was Zahlen aber nicht beschreiben können, ist das Fahrgefühl. Die unmittelbar freigesetzte Power ist beeindruckend – etwa beim Überhol-Zwischenspurt. Mit seiner Performance wird der Polestar dann auch gleichzeitig dem ersten Gründungsziel seines gleichnamigen Herstellers gerecht. Bemerkenswert ist auch das „One Pedal Drive“-System, dank dem die Elektro-Limousine nur mit dem Gaspedal gefahren werden kann. Die mit dem Loslassen des Pedals einsetzende regenerative Bremsung lädt aber nicht nur die Batterie wieder auf, sondern schont überdies auch noch die Bremsen.
Währenddessen bleibt es im Cockpit des Fünftürers, der im Design auf das Wesentliche beschränkt ist, angenehm ruhig. Fahrtwinde und die Abrollgeräusche der Reifen sind zwar unvermeidlich, halten sich aber diskret im Hintergrund. Deutlicher trifft da schon der Fensterhebermotor den Hörnerv, ebenso wie der gewöhnungsbedürftige Blinker, der an einen knackenden Lautsprecher aus früheren Tagen erinnert.
Das Platzangebot ist vorne klassengerecht, im Fond wird es für großgewachsene Passagiere ein wenig eng. Dass die Innenausstattung vegan sein soll, fällt erst beim Lesen der Beschreibung auf. Das viele verarbeitete Hartplastik geht wohl zulasten der Haptik, tut andererseits aber der Optik keinen Abbruch. Groß genug, aber keinesfalls überdimensioniert ist der zentrale Bildschirm mit 11,15 Zoll, über den alle Funktionen gesteuert oder bedient werden. Während bei der Sicherheitsausstattung auf die Erfahrung von Volvo zurückgegriffen wurde, vertraut der Polestar 2 den Kompetenzen von Google beim Infotainmentsystem. Den digitalen Charakter des Fahrzeugs unterstreicht zudem die Möglichkeit, das Smartphone als Schlüssel zu verwenden.
Die Preisliste startet in Luxemburg bei 44.383 Euro. Die optionalen Ausstattungspakete hat Polestar so gestaltet, dass sie einen Mehrwert bieten, ohne aber den Bestellvorgang mit zu vielen Einzeloptionen zu belasten – denn der neue Polarstern am Autohimmel ist nur online bestellbar.
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