Mit viel PS zu alter Stärke
Mit viel PS zu alter Stärke
Von Matthias Probst
27 ist eine bemerkenswerte Zahl. Das Neue Testament besteht aus 27 Büchern und laut Pythagoras beziehungsweise Platon repräsentiert die Zahl 3 in der dritten Potenz, also 27, den Kosmos. Der Klub 27 muss an dieser Stelle ebenfalls genannt werden, also die Gruppe der Musikerinnen und Musiker, die im Alter von 27 Jahren das Zeitliche segneten, darunter Jimi Hendrix, Kurt Cobain und Amy Winehouse. Und: 27 Straßen führen angeblich ins Eldorado, also in das sagenumwobene Goldland.
Vielleicht ist das ein Omen für den Videospiel-Publisher Electronic Arts (kurz: EA). Denn mit „Need for Speed Unbound“ kommt nun der 27. Teil der Reihe auf den Markt – sofern man die Remastered-Versionen mitrechnet. Ob dieser Weg für EA nun auch ins Eldorado führt, wird sich zeigen. Zumindest setzt dieser Teil wieder starke Akzente, um die Reihe zu neuem Glanz zu führen.
Der Blick auf eine lange Tradition
Seit dem Jahr 1994 ist „Need for Speed“ eine Marke, die viele Spielefans kennen. Sie steht seit jeher für unterhaltsame, auf Action getrimmte Rennen, die keinerlei Anspruch auf Realismus haben. Die Reihe besetzt damit die Nische der sogenannten Arcade-Racer, was das Ganze auch für Einsteiger und Einsteigerinnen interessant macht.
Anfangs suchte „Need for Speed“ noch nach seinem eigenen Stil, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden. 2003 ging EA mit den illegalen Straßenrennen in die Untergrund-Szene – mit vollem Erfolg: „Need for Speed Underground“ war für viele Fans ein Meilenstein der Reihe. 2004 wurde das Ergebnis noch einmal getoppt als „Need for Speed Underground 2“ erschien. Markenzeichen des Titels waren nicht nur die illegalen Straßenrennen, sondern auch die zahlreichen Möglichkeiten sein Auto nach Lust und Laune aufzumotzen. Gepaart mit spannenden Verfolgungsjagden mit der Polizei, wurde „Need for Speed Underground 2“ zum Hit.
Danach verfeinerte die Reihe das Konzept und streute immer wieder neue Spielmechaniken ein – mit mäßigem Erfolg. Laut Kritiken erreichte „Need for Speed: The Run“ im Jahr 2011 den Tiefpunkt. Es war immer noch ein gutes, aber eben kein herausragendes Spiel mehr. Seit dieser Zeit hat EA mit der Reihe etwas zu kämpfen, um sie zu altem Glanz zurückzuführen.
Die letzten drei Ausflüge von „Need for Speed“ bekamen zwar immer ordentliche Kritiken, aber die Fangemeinde schien ermüdet zu sein. Dabei wechselten sich immer wieder zwei Teams mit der Entwicklung ab: Ghost Games und Criterion Games. Nachdem Ghost Games bei den letzten Malen die Leitung übernommen hatte, zeichnet sich in „Need for Speed Unbound“ nun Criterion verantwortlich – und geht teilweise zurück zu den Wurzeln. Denn „Unbound“ ist eindeutig von „Underground 2“ inspiriert, was eine sehr gute Entscheidung war.
Das Beste aus zwei Welten
Die größte Neuerung im Gegensatz zu den Vorgängern wurde bereits vor dem Release heftig diskutiert: Der Grafikstil traf im Trailer nicht bei allen Zuschauenden ins Schwarze. „Need for Speed Unbound“ vermischt realistische Optik mit einem bunten Comic-Look zu einem ganz eigenen Stil. Autos und Umgebung sehen dank der Frostbite Engine äußerst realistisch aus, während die Charaktere eher aus einem bunten Comic entlehnt zu sein scheinen. Hinzu kommen die an Graffiti erinnernden Effekte, die die Boliden stets umhüllen, wenn gerast, gedriftet oder abgebremst wird.
Das muss natürlich nicht allen Spielern und Spielerinnen gefallen, ist aber ein sehr interessanter Ansatz. Wem diese Effekte nicht zusagen, kann sie auch im Menü einfach abschalten. Doch eins muss man dem Spiel lassen: Gepaart mit der musikalischen Untermalung während der Rennen passt das Ganze ziemlich gut zusammen.
Die Story von „Need for Speed Unbound“ gewinnt sicherlich keine Preise, weiß aber dennoch zu unterhalten. Es geht im Kern um einen klassischen Rache-Plot, bei dem sich die Hauptfigur gegen eine ehemalige Kollegin durchsetzen muss. Innerhalb von vier Wochen soll man sich hocharbeiten, um ihr die Leviten zu lesen. Vier Wochen im Spiel bedeuten rund 25 bis 30 Stunden vor der Konsole oder dem PC – eine Menge Asphalt, der da bereist werden muss. Doch diese Zeit füllt „Unbound“ mit guter Unterhaltung.
Die Balance wahren
Denn das Spiel schafft es immer wieder, das Feuer zum Lodern zu bringen: Die Rennen und das Drumherum wurden zugunsten des Spaßfaktors gestrafft. In den illegalen Straßenrennen, die tags und nachts stattfinden, mischt auch wieder die Polizei mit. Die Herausforderung kann dabei knallhart werden – je nach Schwierigkeitsgrad. Aber schon auf der mittleren Stufe bieten die Rennen, Drift Trials, Takeover oder Sprint-Events eine gute Challenge.
Zudem bietet „Need for Speed Unbound“ eine tolle Mischung aus Erkunden und Rennen. In der offenen Welt sind mal wieder jede Menge Geheimnisse versteckt, die es einzusammeln gilt. Und diese bringen Dollar ein, die man für neue Ausrüstung oder Boliden eintauschen darf. Criterion hat über 140 Autos ins Spiel gepackt. Für jedes Event ist damit das passende Gefährt am Start.
„Need for Speed Unbound“ füllt wieder den Tank, der in letzter Zeit immer halb leer erschien. Das arcadige Renngefühl, die heißen Verfolgungsjagden samt dem einzigartigen Art-Style lassen „Need for Speed“ endlich wieder aus der Masse hervorstechen. Auch wenn hier nicht gänzlich alles neu ist, stimmt die Zusammenstellung und sorgt für mehr Unterhaltung als bei den Vorgängern. Ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung.
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