Donau: Aus vielen Quellen in zwei Meere
Donau: Aus vielen Quellen in zwei Meere
Wie lange grüne Nixenhaare wiegen sich die Wasserpflanzen in den zarten Wellen der tiefen, unsichtbaren Quelle. Wo die kalten Strudel aus dem Karst auf das sonnenwarme Beckenwasser treffen, verraten kleine Blubberblasen und das Flimmern von kaum wahrnehmbaren Spiegelungen die ständige Bewegung. Die in Stein gefasste Donaubachquelle zwischen Fürstenschloss und St.-Johann-Kirche in Donaueschingen (Baden-Württemberg) ist eine von zwei Dutzend, die sowohl das Sickerwasser der Flüsschen Breg und Brigach wie auch das von frischem Schwarzwaldregen an die Oberfläche sprudeln lassen.
Wohl der Zufall wählte ausgerechnet diese als „Donauquelle“ aus. Eine der ältesten Notizen darüber mit genauer Ortsangabe stammt aus Hartmann Schedels Weltchronik von 1493 – fünf Jahre nach dem Kauf von Schloss und Dorf Donaueschingen durch die Grafen von Fürstenberg. Touristische Geschichte schreibt die Karstquelle dank Premiumlage und pathetischer Verzierung bis in die Jetztzeit. Herausgeputzt mit einem Marmordenkmal, wird sie bekrönt von einer götterhaften Baar, der Mutterlandschaft, die ihrer engelsgleichen Tochter Donau deren Weg vom Schwarzwald bis zur Schwarzmeermündung weist.
Soweit zur Symbolfunktion. Denn an der Brüstung des Rondells ist erst mal Schluss mit Pathos. Durch eine schnöde Röhre wird das Donaubächlein seit 1828 unterirdisch durch den Park geschummelt. An der Stelle, wo es aus dem Off erscheint und in die Brigach läuft, ließ Kaiser Wilhelm II. 1910 ein Tempelchen errichten.
Im Ringen um historische Bestätigung stieß man unter anderen auf Plinius den Älteren. Der wusste immerhin, dass die Quelle des Danubius neben dessen Flussbett liegt. Aber wo nur hat er das gesehen? Heute hätte der antike Römer sicherlich viel Spaß am Brend bei Furtwangen. Dort oben nämlich steht oder besser gesagt sitzt ein Bronze-Donaugott mit langem Zottelbart und Hippiehaaren. Zerzaust und ziemlich stoned schaut er aus seinem Stein-Flussbett. Was darunter plätschert, wird einmal die Breg.
Ein Namensschild hat man dem Flüsschen nicht gegönnt. „An dieser Quelle beginnt die geografische Längenmessung der Donau“ informiert die Tafel und hat nicht einmal recht. Die zweite gleich daneben, die zumindest verrät, dass hier die Breg als Donau-Hauptquellfluss entspringt, ist mit „Donau-Quelle“ überschrieben. Und so beginnt das Flüsschen seinen Lauf, um Höherem sprich Längerem zu dienen – genauso wie die Brigach, seine Nachbarin. Diese nimmt auf ihrem Weg durch Donaueschingen den Donaubach und weitere namenlose Bächlein mit, bevor sie mit der Breg zusammenfließt und zur Donau wird.
Dieser offizielle Flussbeginn ist aus internationaler Sicht das Ende, denn Kilometer Null des Flusses liegt an der Mündung, doch vielmehr in deren Nähe. Denn durch die starke Sedimentanschwemmung wird das Delta immer größer und wächst dabei ins Schwarze Meer hinein.
Unterirdischer Löcherkäse
Von dem Wasser, das dort ankommt, dürfte kaum noch etwas von einer Donauquelle stammen. Denn das, was Breg und Brigach soeben zuwege gebracht haben, verschwindet auf großen Flächen zwischen Geisingen und Fridingen bei der geheimnisvollen Donauversinkung in einem unterirdischen Löcherkäse aus porösem Karstgestein. Doch statt danach wieder ins eigene Flussbettchen zu huschen, geht der größte Teil der jungen Donau stiften, um sich rund 14 Kilometer südlich in Gestalt des Aachtopfs abermals zu outen – als Deutschlands größte Quelle. Von dort geht es per Radolfzeller Aach zum Bodensee und weiter mit dem Rhein zur Nordsee.
Der Duft von feuchtem Gras und von frisch gemahlenem Kaffee liegt in der Luft. Der letzte Morgentau hängt an den Halmen. In „Nina’s Ess Art“, einem Open-Air-Lokal auf einer Wiese hinter Immendingen, beginnt der sommerliche Wandertag mit einem süßen Frühstück. Die Donauwelle auf dem Kuchenteller bleibt die einzige an diesem Morgen. Die echten sind mitsamt dem Fluss so wie jeden Sommer in den Untergrund gegangen. Wie faszinierend selbst ein komplett unsichtbarer Fluss sein kann, zeigt das Phänomen am deutlichsten zwischen Immendingen und Möhringen.
„Bis zum Sommer trifft man die Donau hier als ganz normales Flüsschen. Binnen kurzer Zeit sind nur noch Pfützen da“, sagt Sylvia Speichinger. Die Fremdenführerin beobachtet seit Langem die Versinkung. An manchen Tagen könne man zusehen, wie das Wasser strudelnd im Boden verschwinde – stellenweise sogar dem Flussverlauf entgegen. Ein halbes Jahr herrsche in der Regel Trockenheit“, so ihre Erfahrung.
Der Weg hierher lohnt sich jedoch zu jeder Zeit. Sowohl der alte Baumbestand auf beiden Uferseiten als auch das Berg- und Wiesenland ringsum bieten tolle Kulissen für eine Wanderung zu Fuß oder per Rad entlang des Flussbetts oder mitten durch den Kies. Am Wegesrand und in den Uferböschungen kann man Spannendes entdecken. Sylvia hilft dabei. Sie hockt sich hin und schiebt das Gras beiseite. Zwischen zwei Büscheln klafft eine Öffnung im karstigen Felsgestein. Hält man die Hand hinein, ist der kühle Luftzug deutlich zu spüren. Die Donau sendet Grüße aus der Tiefe.
Spektakuläre Fossilien
Wie der Fluss die Landschaft verändert, zeigt kurz hinter der Dachsmühle die Doline Michelsloch. Die permanenten Kalkabtragungen des unterirdischen Flusses hatten hier das poröse Karstgestein derart ausgehöhlt, dass die Gesteinsdecke darüber einstürzte und diese 25 Meter breite und bis zu acht Meter tiefe runde Grube bildete. Ein Vorgang, der sich durch die Donauversinkung hier wiederholen kann.
Eine weitere Attraktion: Der 812 Meter hohe Vulkan Höwenegg, zuletzt aktiv vor zehn Millionen Jahren. Bis ganz oben ist er mit dichtem Wald bewachsen. Doch statt auf einer Kuppe steht man dort vor einem 80 Meter tiefen Loch. Gefüllt mit einem grünlich-blauen See, erinnert es an einen Krater. Doch sind es die Hinterlassenschaften eines Steinbruchs, aus dem bis 1979 Basalt gefördert wurde. Ihm zum Opfer fiel Burg Hewenegg. Die Reste der mittelalterlichen Schutzanlage sind rund 400 Meter weiter zu sehen.
Der ehemalige Feuerberg im Zentrum der Hegaualb ist Fundstätte spektakulärer Fossilien, darunter die Skelette eines dreizehigen Urpferdchens sowie von Säbelzahntigern, Riesenfaultieren und Rüsseltieren. Neben kleineren Exponaten im Heimatmuseum Immendingen kann man die meisten Originale im Naturkundemuseum Karlsruhe bestaunen.
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