Die Schönheit des Makels: Einrichten mit dem Shabby-Chic
(dpa/tmn) - Abgestoßene Kanten, gerissener Lack, verblasste Farben: Wenn ein Möbelstück nicht mehr ganz so frisch aussah, landete es früher in der Regel auf dem Sperrmüll. Heute gibt es viele, die gezielt nach solchen Tischen, Kommoden, Schränken, Vasen, Bilderrahmen und anderen Möbelstücken und Wohnaccessoires suchen, um damit ihr Zuhause einzurichten. Shabby-Chic (zu deutsch: schäbiger Schick) heißt dieser Trend.
Anders als in den 1980er und 1990er Jahren steht beim Shabby-Chic nicht die optische Makellosigkeit eines Möbelstücks im Mittelpunkt. Im Gegenteil: Shabby-Chic zelebriert das Unperfekte. „Dinge mit Macken, Kratzern, angestoßenen Ecken oder abgeschrubbten, ungleichmäßigen Oberflächen haben keinen Makel: Sie haben Charakter.“
Dass sich im Shabby-Chic das ästhetische Empfinden so radikal umkehrt, erklärt Kaiser mit einer zunehmenden Sehnsucht nach der sprichwörtlich guten alten Zeit: Das Streben nach Perfektion habe die Wohnwelt damals so futuristisch und aalglatt wirken lassen, dass sie ungemütlich, ja fast schon unmenschlich gewirkt habe, sagt die Trendforscherin.
Der „schäbige Look“ setzt hingegen auf das Gefühl von Behaglichkeit. Natürlich und rustikal wirkende Stoffe und Materialien wie Leinen, Baumwolle, Felle und Wolle tragen dazu ebenso bei wie Holz, Zink, grobes Porzellan oder Glas. Der Stil hat sich in Anlehnung an den englischen Landhausstil entwickelt. Statt teure Möbel zu kaufen, haben sich die Leute Schätzchen vom Flohmarkt zugelegt. Oft wurden auch alte Fundstücke weiß gestrichen und alte Stühle aufgearbeitet.
Altes mit Kultpotenzial
Doch nicht immer ist das, was alt aussieht, auch alt. Und nicht alles, was schäbig aussieht, auch Shabby-Chic. Wie zum Beispiel abgeranzte Möbel aus den 1980er Jahren, oder Ware, die industriell auf alt und schäbig getrimmt wird, und deren Historie nur vorgetäuscht wird.
Auch haben diese Dinge im Gegensatz zu echten Antiquitäten nichts mit Recycling und der Schonung von Ressourcen zu tun. Das steht im krassen Gegensatz zur Intention des Shabby-Look: der Sehnsucht nach Authentizität, echten Materialien und einer eigenen Geschichte.
Wer sich stilsicher im Shabby-Stil einrichten will, sollte daher keine Möbel und Accessoires vom Fließband kaufen. Neben persönlichen Erbstücken lassen sich auf dem Dachboden und bei Haushaltsauflösungen, in Antiquitätengeschäften und auf dem Flohmarkt so manche Schätze heben, die nicht nur nach Geschichte aussehen, sondern in der Regel auch eine haben. Ob Küchenbuffets, Kommoden und Schränke aus Weichholz, gepolsterte Ohrensessel und Chaiselongues, Badewannen mit Löwenfüßen und hängende Spülkästen mit Kette oder Sammeltassen, Einmachgläsern und Kristallvasen: Erlaubt ist, was gefällt.
Ganz besondere Hingucker
Die Farbe ist dabei das verbindende Element im Shabby-Chic. Weiß, Beige und Creme gelten als Grundfarben. Akzente setzen mattes Grau und blasse Pastelltöne wie Mint oder Rosé. Wer seine Möbel selbst im Shabby-Stil gestalten will, sollte zu Farben greifen, bei denen die Grundierung schon enthalten ist. Man muss nur die Farbe auftragen und abwischen - und ist in einem Nachmittag fertig.
Damit der Shabby-Chic das Wohnzimmer nicht in eine Zuckerbäckerei voller Pastellwolken verwandelt, sollte man die Zimmer nicht überfrachten. Freiraum, klare Formen und Strukturen helfen dabei ebenso wie einzelne moderne Stücke.
Umgekehrt können aber auch schon wenige, dekorative Elemente wie alte Dosen in der Küche, getrocknete Blumen in einer Kristallschale im Esszimmer, ein zum Koffer umfunktionierter Beistelltisch oder handgestickte Kissenbezüge aus Großmutters Zeiten auf dem Sofa einer modern eingerichteten Wohnung ein Gefühl von Behaglichkeit verleihen. Der Kontrast zum modernen Wohnbereich macht solche Einzelstücke zu echten Hinguckern.
