Barocke Engel und Äpfel aus Beton
Barocke Engel und Äpfel aus Beton
Valérie und Sascha, beide Lehrer am Lycée Technique Esch, sind eigentlich Großstadtmenschen, die sich in ihren Appartements ganz wohl fühlten. Jedoch ließ die Familiengründung umdenken und das Paar begab sich auf die Suche nach einem Haus. Beiden schwebte, wie vielen Großstadtmenschen, ein idyllisches Bauernhaus vor. Jedoch entpuppten sich die Traumhäuser auf dem Land bei näherer Betrachtung als dunkle Immobilien mit kleinen Fenstern, niedrigen Decken und engen Zimmern. Dann kam das Haus, in das sich die beiden – wenn auch erst auf den zweiten Blick – verliebt haben.
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Nicht nur außen hat das helle Haus mit viel Licht, Luft und hohen Decken die Merkmale seiner Epoche behalten. Auch drinnen ist vieles original: das Treppengeländer aus dunklem Holz, die Dielenböden, die weiß-orange-grauen Mosaik- Fußbodenkacheln, der Stuck und die Holztüren, die jetzt hellgrau gestrichen sind. Nach einer Modernisierung entstand unter anderem ein loftartiges schickes Schlafzimmer mit einer luxuriösen Badewanne direkt vor dem Bett.
Das Gesamtbild ist in kühlen Farben gehalten, die jedoch der Gemütlichkeit keinen Abbruch tun, denn sie finden einen Ausgleich. Gegenstände im Industriedesign werden mit antiken, teils orientalischen Flohmarktfunden aus Berlin, Amsterdam und Paris kombiniert und die zeitgenössischen Objekte mit unbearbeitetem Holz oder Tiermotiven ausbalanciert. „Ich bin für Minimalismus, mein Mann mag jedoch rustikales Design“, lacht Valérie.
Bei einem Rundgang durchs Haus wird deutlich, dass neben der Kombination von Neu und Alt die Neuinterpretation des Gewöhnlichen die zweite Devise beim Einrichten war. Das Erdgeschoss umfasst Wohnzimmer, Esszimmer und eine Küche mit Durchreiche. Auf dieser Etage fällt insbesondere das Umkehren der gewohnten Texturen auf. Die traditionellen Materialien finden keinen Platz in diesem Interieur. So haben die Dekoäpfel auf dem Esstisch Betonoptik, während die Küchenlampenschirme aus Karton bestehen. Die Weingläser wurden aus Metall hergestellt und die Stühle erscheinen transparent wie aus Glas. Die Blumen in der Vase wurden aus Porzellan gegossen und die Laternen sind aus feiner Metallspitze geflochten.
Valéries Zeichnungen sind in Spiegelrahmen gefasst und auf den Star-Trek-Plakaten steht in Großbuchstaben das Wort „Mirror“. Es ist offensichtlich, dass sich hinter der scheinbar braven Lehrer-Paar-Fassade zwei ganz schön verspielte Charaktere verbergen.
Katerstimmung
Im Treppenhaus hängen über dem verzierten Geländer aus dem ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts Bilder im Comic-Stil der 1950er-Jahre. Viele Originale und wertvolle Kunstdrucke, vor allem gegenwärtiger luxemburgischer Künstler, prägen das ganze Haus, finden jedoch speziell im Kinderzimmer im ersten Stock eine besondere Präsentationsfläche. Die Originalbilder von Serge Atten, Anneke Hansen, Linda Moutschen, Philippe Konsbruck, Carlo Schmitz und dem deutschen Grafiker Phillip Janta hängen neben dreidimensionalen Vögeln am an die Wand gemalten Baum. Dort ist auch das Portrait von Chocky, dem launischen Birma-Hauskater platziert, der die entzückten Besucher hochnäsig ignoriert. Das Echo seiner Präsenz findet sich auch in anderen Zimmern: in der Wanduhr aus Porzellan und in der Tischlampe aus Holz – beide in Form einer Katze.
Der Bruch der Erwartungen gegenüber traditionellen Haushaltsobjekten, die durchweg aus unkonventionellen Materialien bestehen, zieht sich durch alle Räume. Viele Ideen von Valérie sind von Sascha umgesetzt. Der Birkenzweig gehört nicht in die Vase, sondern wird als Lampengestell umfunktioniert, Körbe stehen nicht auf dem Boden, sondern sind vertikal als Wandregale aufgehängt und eine Stehlampe dient als Strohhuthalter. Als ob das nicht genug wäre, gehen die Hausdekorateure weiter und setzen auf Recycling- Optik. Die Türen der Einbauschränke von Robin du Lac wurden aus alten Fensterläden gefertigt. Die riesige Kabelspule aus dem Baumarkt wird als Couch-Tisch verwendet. Der Terrassenschrank ist aus Paletten von Sascha ebenso eigenhändig gestaltet. Und die Krönung: Klempnerwerkzeug als Blumen in der aus einer WC-Reiniger- Flasche improvisierten Vase in der „Männertoilette“. Apropos stilles Örtchen: Im Haus gibt es auch eine „Damentoilette“, die Valérie „Musée du Louvre“ nennt: goldene Wände, barocke Engelchen, Ölmalerei im schweren Rahmen und ... ein Gartenzwerg mit Stinkefinger von Ottmar Hörl, ebenfalls in Gold. Valérie meint, sie seien mit der Dekoration des Hauses nicht so ganz fertig. Natürlich. Kann sich etwa ein Schlingel auf dem Spielplatz je satt gespielt haben?
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