Auf dem Weg zu „Zero Waste“
Auf dem Weg zu „Zero Waste“
von Jessika Maria Rauch
Es dürfte mittlerweile bei jedem angekommen sein, auch bei jenen, die sich für gewöhnlich nicht mit Umweltthemen beschäftigen: Die Welt hat ein Müll- und insbesondere ein Plastikproblem. Acht Milliarden Tüten pro Jahr werden laut EU nicht ordnungsgemäß entsorgt: Sie landen in Flüssen, Seen und Meeren. Bilder, die seit Jahren im Internet kursieren, zeigen Schildkröten mit Plastik-Strohhalmen in der Nase, Strände, an denen man vor Müll den Sand nicht mehr sieht und Plastikinseln von einer Größe, dass Deutschland viermal darin Platz finden würde. Der sogenannte „Great Pacific Garbage Patch“ im Nordpazifik besteht aus Flip-Flops, Tüten, sogar Möbeln und hat eine Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern. Neben sichtbarem Plastik sorgen aber auch unsichtbare Mikroplastikpartikel für immer mehr Besorgnis. Sie gelangen über Nahrungsmittel wie Fisch in den menschlichen Körper, wie bei der Untersuchung von Stuhlproben entdeckt wurde.
EU-Richtlinien, wie jene im vergangenen Jahr in Kraft getretene, dank der kostenlose Plastiktüten abgeschafft wurden, und das ab 2021 geltende Verbot bestimmter Plastik-Einwegartikel sind wichtig, können das massive Problem aber nicht alleine lösen. Das Bewusstsein aller muss sich weiter ändern, außerdem muss das Angebot vonseiten der Produzenten sowie des Handels angepasst und um Plastik reduziert werden. Bewegungen wie „Zero Waste“ sind unerlässlich für den Versuch, dem Müll- und Plastikproblem den Kampf anzusagen und überzeugen immer mehr Menschen und – noch wichtiger – Unternehmen. Große Supermarktketten, der stationäre sowie der Onlinehandel ziehen langsam mit und reduzieren Verpackungsmüll. Dennoch ist dies nur ein Anfang. Die globale Kunststoffproduktion wächst und mit ihr der Abfall weltweit.
Es gibt vereinzelt Lichtblicke, auch seitens der „Enfants terribles“: Die Fastfood-Kette McDonald's hat beispielsweise in Großbritannien Strohhalme aus Papier eingeführt und die Kunden werden gefragt, ob sie überhaupt einen Strohhalm möchten. E-Commerce-Gigant Amazon beteuert auf seiner Website, ständig daran zu arbeiten, die Umwelt zu entlasten und bezeichnet sich selbst als umweltfreundlich: „Unsere Arbeit bei Amazon war und ist umweltfreundlich, denn der Online-Handel ist grundsätzlich weit weniger umweltbelastend und bietet damit ein ,grüneres‘ Einkaufserlebnis als der herkömmliche Einkauf im stationären Einzelhandel.“ Wenn aber Kleinstartikel in großen und vielschichtigen Verpackungen, die mit Füllmaterial ausstaffiert und Klebeband fixiert sind, zu Kunden nach Hause transportiert werden, dann wackelt diese Aussage doch schnell.
Ein neues Gesetz für den Onlinehandel, das am 1. Januar 2019 in Deutschland in Kraft getreten ist, soll hier zumindest im Nachbarland gegenwirken. Ziel ist es, den Verpackungsmüll einerseits zu reduzieren, andererseits Recyclingquoten zu erhöhen. Versandmaterial wird lizenzierungspflichtig und auch Umverpackungen fallen seit dem neuen Gesetz unter den Begriff „Verpackung“. Das zwingt vor allem auch Hersteller zum Umdenken. Verstöße werden mit bis zu sechsstelligen Geldsummen sanktioniert.
Grenzen der Machbarkeit
Sogenannte „Unverpacktläden“, die seit einigen Jahren in immer mehr Städten der westlichen Industrieländer und vor allem in Europa aufkommen, verzichten komplett auf Verpackungen beziehungsweise setzen auf wiederverwertbare. Viele Produkte sind zudem auf natürliche Weise verpackt, wie Lebensmittel mit schützender Schale.
Beim Start ihres Berliner Ladens „Original Unverpackt“ im Jahr 2014, der per Crowdfunding finanziert wurde, musste die Gründerin Milena Glimbovski noch erklären, warum Verpackungsmüll ein Problem ist. Heute gibt es in Deutschland rund 80 ähnliche Geschäfte. Luxemburgs Antwort auf dieses Konzept heißt „Ouni“, was für „organic unpackaged natural ingredients“ steht. Auch hier ist der Name Programm: „Ouni“ ist der erste verpackungsfreie Bio-Supermarkt im Großherzogtum. Am 13. Dezember 2016 eröffnete der kleine Laden im Bahnhofsviertel, seine Beliebtheit wächst. Begonnen hat das Projekt mit einem Facebook-Post und der Frage danach, wer in Luxemburg einen Zero-Waste-Supermarkt eröffnen wolle. Es bildete sich eine „Community“, deren Mitgliederzahl stetig wuchs und die Gründung sowie die Unterhaltung mitfinanziert. Um Müsli, Nüsse und Kaffee mit nach Hause zu nehmen, bringt der Kunde entweder Behälter selbst mit oder erwirbt zum Beispiel Säckchen aus Stoff.
In großen Supermärkten werden Bio-Gemüse & Co. derweil häufig verpackt angeboten, um zu verhindern, dass sie mit konventioneller Ware vertauscht werden können. In reinen Bio-Supermärkten, etwa bei Naturata, darf Obst und Gemüse dagegen ohne extra Verpackung auskommen. Auch an Käse-, Wurst- und Backwarentheke werden Waren auf Wunsch verpackungsfrei abgegeben. Da Lebensmittel unterschiedliche Ansprüche in Bezug auf Haltbarkeit und Transportfähigkeit haben, sei es jedoch unrealistisch, grundsätzlich auf Verpackungen zu verzichten, ohne die Produktqualität zu vernachlässigen. Auch Hygienevorschriften spielen dabei eine große Rolle. Nichtsdestotrotz treibt das Unternehmen die „Ökologisierung“ der eingesetzten Verpackungsmaterialien mit Nachdruck voran, wie man auf Nachfrage des „Luxemburger Wort“ mitteilte.
Luxemburg in Aufbruchstimmung
Herkömmliche Supermarktketten in Deutschland, wie Rewe und Edeka, denken ebenfalls langsam um und motivieren Kunden seit 2017, beziehungsweise 2018, aktiv, Behälter von Zuhause zum Befüllen mit ausgewählten Waren mitzubringen. Andere bieten umweltverträglichere Alternativen zu Plastiktüten an, um Einkäufe einzupacken, wie auch Cactus in Luxemburg.
Das Luxemburger Umweltministerium plant, bis Sommer eine Zero-Waste-Strategie vorzulegen und bezieht dabei Akteure aus der Politik, Wissenschaft, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft mit ein. Traditionelle Bewegungen im Land wie das Mouvement Ecologique dürften dieses steigende Engagement von oberster Stelle begrüßen. Einst von Studenten im Jahr 1968 gegründet, engagieren sich mittlerweile 3 000 Bürger aktiv oder durch eine passive Mitgliedschaft für den Umweltschutz. Workshops oder Konferenzen wie die kürzlich durchgeführte Veranstaltung „Eine Zukunft ohne Plastik“ sollen aufklären und dank Experten notwendige Wissensgrundlagen schaffen. Denn auch wenn dieses Thema große Emotionen hervorrufen kann, so sind ein fundierter Diskurs, ein geführter Kulturwandel in der Gesellschaft für den Erfolg.
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