Aale, Äpfel und Aromahopfen
Aale, Äpfel und Aromahopfen
Von Geraldine Friedrich
Paul Lachenmeir zieht das erste Netz ins Boot. Sein orangegelber Overall schützt ihn vor Wind und Wasser. Morgens um 5 Uhr ist es inmitten des Bodensees, mehrere Kilometer weg vom Ufer, noch recht frisch. Was sich an Land noch wie ein Lüftchen anfühlt, ist im Eriskirchner Ried, so nennt sich der Teil des Sees, eine steife Brise. Lachenmeir ist Fischereimeister, stammt ursprünglich aus Landsberg am Lech (Bayern) und fischt seit elf Jahren mit eigenem Patent (Fischerrecht) in Friedrichshafen. Interessierte Besucher nimmt er bei gutem Wetter mit.
Alle Fische sind gefragt
Die meisten denken bei Bodensee an Felchen, einen Edelfisch. Doch seit Jahrzehnten sind die Bestände rückläufig. Deswegen geben immer mehr Berufsfischer am Bodensee ihr Patent auf oder nutzen es nicht mehr. Von 175 Hochseepatenten im Jahr 1991 existieren 2021 noch um die 50. Lachenmeir fährt daher eine andere Strategie: Er fischt nicht nur Felchen, sondern alles, was der See hergibt.
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Und so hat der Charakterkopf ausgerechnet die Brachse, auch Brasse genannt, die viele Fischer aufgrund ihrer Gräten gar nicht verwerten, zu seinem Logo erkoren. „Nur einer von acht Milliarden Menschen ist so irre und entfernt die 128 Gräten aus der Brachse“, witzelt Lachenmeir. Die Brachse sei seine Unique selling proposition, kurz USP.
Meter für Meter zieht der 61-Jährige seine am Vorabend aufgestellten, mehrere hundert Meter langen Stellnetze aufs Boot und pult dabei zahlreiche Äste und Laub aus dem Nylonnetz. Ab und zu ist auch ein Fisch dabei: natürlich Brachsen, aber auch Karpfen, eine Schleie und ein Zander. Über den Zander freut er sich besonders. „Der bringt 70 Euro. Es ist und bleibt aber ein betriebswirtschaftliches Abenteuer“, weiß Lachenmeir. Später wird er aus einer Reuse kiloweise Aale ins Boot wuchten. Geräuchert sind sie wohlschmeckende Fische.
Körperliche Schwerstarbeit
Berufsfischen ist Schwerstarbeit. Das wird klar, als Lachenmeir einen 22 Kilo schweren Wels ins Boot hieven muss. Er tötet alle Fische sofort mit einem gezielten Schlag per Holzstock auf den Kopf. Beim Waller, wie Lachenmeir den Wels nennt, reicht das allerdings nicht aus – zum Entsetzen zweier Gäste. Es ist ein martialisches Schauspiel, unweigerlich kommen Gedanken an Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ auf.
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Wer seine Existenz auf Naturfrüchte baut, muss nicht nur das Wetter nehmen, wie es kommt, sondern auch seine Existenz breit aufstellen. Da ist Christoph Steffelin, 56, der auf seinem 30-Hektar-Hof in Ittendorf hauptsächlich auf ertragreiche Apfelsorten wie Jonagold, Braeburn und Elstar setzt. Der gelernte Gärtnermeister vermietet zusammen mit seiner Frau Monika, gelernte Hauswirtschaftsmeisterin, zudem zehn Ferienwohnungen und betreibt einen Hofladen samt Café.
Daneben produzieren die fleißigen Steffelins aus eigenen Birnen, Mirabellen, Kirschen, Quitten und Cox-Orange Edelbrände und Liköre. Tipp: Wer gerne Nüsse mag, sollte den selbst gemachten Haselnussschnaps probieren. Für Familien gibt es auch Brotbacktage und Mini-Bahn-Fahrten über die Plantagen. Das Besondere: Die Besucher sitzen in ausrangierten Obstkisten.
Am Westende des Überlinger Sees, nur wenige Kilometer im Landesinneren, setzt Familie Senft ihre 350 Tonnen Birnen und zehn Tonnen Cox-Orange-Äpfel komplett für ihre Brände und Liköre ein. Dabei habe die Schnaps-Produktion heute mit der von früher nichts mehr zu tun. „Früher haben die Bauern alte, vergammelte Früchte verwendet“, erklärt Silke Senft, Schnaps-Sommelière und Junior-Chefin der Senft Destillerie in Salem-Rickenbach. Heute könne man die Früchte genauso gut im Müsli essen.
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Hochprozentiges vom Bodensee
Ursprünglich war der Brand nur ein Hobby des Vaters, der als Kellermeister für den Markgrafen von Baden arbeitete. Doch die 36-jährige gelernte Bankkauffrau begann sich bereits mit 18 Jahren für die Herstellung von Hochprozentigem zu interessieren und baute den Familienbetrieb zusammen mit Vater Herbert aus. Mittlerweile brennen die Senfts 50 000 Liter Alkohol pro Jahr und stellen neben Schnäpsen, also Edelbränden, auch Gin, Liköre, Whisky und sogar Rum her. Senft: „Wir haben überlegt, ob wir unseren Rum aus Zuckerrüben herstellen können, aber dann hätten wir es nicht Rum nennen dürfen.“ Und so liefert ein Tankwagen vor den Augen der erstaunten Gäste Zuckerrohrmelasse aus Jamaika an – für Jamaika-Rum aus Salem.
Der durchwachsene Sommer macht auch Silke Senft und ihren Früchten zu schaffen: „Wir beheizen sie gerade fast jede Nacht, das ist wie ein großer Föhn.“ Sturm und Hagel sind nicht nur der Alptraum der Obstproduzenten, sondern auch der Hopfenbauern. „Letztes Jahr hat ein Unwetter kurz vor der Ernte auf einem Feld die acht Meter hohen Pflanzen samt Pfosten umgepflügt“, erinnert sich Regina Kussmaul vom Hopfengut No20 in Tettnang. Dort wird die Aromasorte Tettnanger angebaut.
Kussmaul: „Jeder Brauer auf der Welt kennt Tettnanger.“ Normalsterbliche wissen dagegen häufig noch nicht einmal, wozu der Hopfen im Bier überhaupt gut ist: Er gibt dem Bier den Geschmack, während das Gerstenmalz den Zucker für die Gärung mit der Hefe liefert. Gebraut wird also immer noch nach dem deutschen Reinheitsgebot mit den vier Zutaten Wasser, Gerste, Hefe und Hopfen.
In Norddeutschland werden Bitterhopfen angebaut, im Süden eher die Aromasorten. Für einen Liter Bier braucht es allerdings nur einen Gramm Hopfen – und zwar ausschließlich von den Dolden weiblicher Pflanzen. Angesichts der geringen Menge haben Hopfenpreise keinen Einfluss auf den Bierpreis, das sei das „Marketing der Gerstenproduzenten“, so Kussmaul. Es gibt Hopfensorten mit Namen wie Polaris, deren Aroma angeblich an Eisbonbons erinnert, oder wie Mandarina, die einem Bier Fruchtaromen verleihen.
Mehrere Standbeine
Doch auch beim Hopfengut No20 setzt man nicht nur auf Hopfen, sondern hat verschiedene Standbeine: allen voran eine kleine Brauerei, deren Biere natürlich mit dem eigenen Hopfen gebraut und im eigenen Hofladen samt Hofwirtschaft verkauft werden. Darüber hinaus können Besucher ein Hopfen-Museum besuchen.
Auch der idyllische Hopfenpfad beginnt direkt am Hof. Bereits im Juli kann man bei strahlendem Sonnenschein die fast ausgewachsenen Hopfenstauden bewundern. Hopfen gehört übrigens zur Familie der Hanfgewächse. Doch warum gerade in Tettnang? Das Wetter mit – in der Regel – sonnigen Tagen und feuchten Nächten auf einer Höhe von 450 Metern sei für Hopfen besonders günstig, das Klima liege laut Kussmaul zwischen Sommerweizen und Wein. Letzteres hat man wohl vor langer Zeit auch einmal probiert, aber dann nie wieder. Die 43-Jährige scherzt: „Der Wein muss wohl schlimm geschmeckt haben.“
Weitere Urlaubstipps im Dossier „Inspiration für den nächsten Urlaub“
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