Zapping: Wie ein Footballstar zum Killer wurde
Zapping: Wie ein Footballstar zum Killer wurde
Da ist sie wieder, die bekannte Dramaturgie: reißerische Fernsehheadlines. Zeugenaussagen im Gerichtssaal. Ein Verdächtiger in Handschellen. Mit der neuen Mini-Dokuserie über den wegen Mordes verurteilten US-Footballstar Aaron Hernandez macht Netflix deutlich: Das True-Crime-Format als Zugpferd der Unterhaltungsbranche ist noch lange nicht tot geritten.
Eigenproduktionen wie „Making A Murderer“, „Casting JonBenet“ oder „Amanda Knox“, die jeweils von wahren Kriminalfällen erzählen, haben Netflix in den vergangenen Jahren enormen Erfolg gebracht.
Sportstar mit dunkler Seite
Auch „Der Mörder in Aaron Hernandez“ hat das Zeug zum Quotenrenner.
Der Protagonist: Ein gefeierter Shooting-Star und fürsorglicher Familienvater, der ein Doppelleben führt und abseits des Spielfelds zu unnötiger Härte neigt. Hernandez soll während seiner aktiven Laufbahn in insgesamt drei Morde verwickelt gewesen sein, für einen wurde er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Der Regisseur: Ein Mann, der Erfahrung im Metier hat. Geno McDermott war ausführender Produzent bei mehreren Crime-Serien und begab sich unter anderem auf die Suche nach den verlorenen Millionen des kolumbianischen Drogenkönigs Pablo Escobar.
Die Story: McDermott ist sichtlich bemüht, die Person Aaron Hernandez aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Zahlreiche ehemalige Weggefährten, Ex-Footballprofis, Journalisten und Ermittler kommen in der Dokuserie zu Wort. Auf einen einordnenden Erzähler verzichtet der Filmemacher jedoch. Für die Dramatik in den drei Episoden sorgen Archivberichte der Fernsehsender und Telefonmitschnitte.
Makabre Telefongespräche
Die Gespräche, die Hernandez aus dem Gefängnis mit seiner Familie führt, muten mitunter bizarr an. Hernandez wünscht sich Harry-Potter-Bücher, macht makabre Witze und wirft seiner Mutter allerlei Vorwürfe an den Kopf. Im Gefängnis scheint es dem gefallenen Sporthelden gar nicht so schlecht zu gefallen – der Druck, der in Freiheit auf ihm gelastet haben muss, scheint gewichen.
2017 zieht er dennoch einen Schlussstrich: Wenige Tage, nachdem er in zwei von drei Mordfällen freigesprochen wurde und eine Journalistin in einer Radiosendung über seine Homosexualität gewitzelt hatte, begeht Hernandez in seiner Gefängniszelle Suizid.
McDermott gelingt es, die Ereignisse von damals mit der notwendigen Objektivität darzustellen. Kein Umstand, der zum Niedergang von Aaron Hernandez beigetragen haben könnte, wird ausgespart. Eine einfache Antwort auf die Frage, wie aus einem Paradesportler ein kaltblütiger Mörder werden könnte, gibt es schließlich nicht – bei Hernandez schien abseits des Footballfelds sehr viel schiefgelaufen zu sein. Ein gewalttätiger Vater. Sexueller Missbrauch in der Kindheit. Drogen. Die Footballerkrankheit CTE, die bei ihm erst diagnostiziert wurde, als es schon zu spät war. Fast ertappt man sich dabei, Mitleid mit dem Mörder zu haben.
Der Umstand, dass die Macher auf Parteinahme verzichten, ist vielleicht das größte Manko der Dokuserie: Bei „Making a Murderer“ zogen gerade die subjektive Erzählweise und der mutmaßliche Justizirrtum die Zuschauer in ihren Bann. Die Macher von „Der Mörder in Aaron Hernandez“ zeigen bei den heiklen Aspekten der Story hingegen zu viel Zurückhaltung. Die Frage, inwiefern Hernandez‘ Klub und die Machokultur im Football eine Mitschuld an der Tragödie haben könnten, streifen sie nur am Rande. Wer die Hernandez-Story bereits kennt, für den hat die Netflix-Doku leider keine erhellenden Neuigkeiten parat.
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Der Doku-Dreiteiler "Der Mörder in Aaron Hernandez" ist auf Netflix abrufbar.
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