Wenn 2016 wie 1966 klingt
Wenn 2016 wie 1966 klingt
Von Pol Schock
Michael Kiwanuka hat es fast einmal nach Luxemburg geschafft. Es war im November 2015. Der Redakteur freute sich. Das Erstlingswerk „Home Again“ des Soulsängers aus London bestach durch eine markante Stimme, nostalgische Texte und dazu ein Hauch Weltschmerz – perfekt. Doch dann veränderte der IS über Nacht die Welt. Bomben und Kalaschnikows in Paris. Das geplante Konzert wurde wie die restlichen Shows des „Sonic Visions Festival“ in der Rockhal abgesagt. Schock, Trauer und Verunsicherung.
Nun, mehr als ein halbes Jahr später, lässt der Soulsänger wieder von sich hören und ist mit einem neuem Album zurück. Und passend zu den unruhigen Zeiten trägt die Platte den monumentalen Titel „Love & Hate“.
Grandioser Opener
Kiwanuka hat sich dabei wie bei seinem Vorgängerwerk kräftig am Sound der späten 1960er- und 1970er-Jahre inspiriert. Der erst 29 Jahre alte britische Sänger klingt, als hätte er einst schon mit Otis Redding in der Bay gesessen und mit Bob Dylan an Texten gefeilt. Doch sein Zweitwerk ist keine pure Reproduktion des vorwiegend akustischen „Home Again“, sondern progressiver, rockiger und facettenreicher.
Gleich mit dem Opener „Cold Little Heart“ setzt er ein Ausrufezeichen: Ein zehnminütiges Opus durch die Sphären von Pink Floyd und die Filmmusik von Ennio Morricone. „Falling“ klingt nach souliger Sehnsucht mit Gospelgesang und der Titeltrack „Love & Hate“ verbindet opulente Streicher-Arrangements mit fantastischen Background-Gesängen. Kiwanuka tauscht die Akustik- gegen die E-Gitarre und mimt den Hendrix.
Einen wesentlichen Anteil an diesen neuen Klängen hat der erfolgreiche Produzent DangerMouse (Gnarls Barkley, Broken Bells, Rome ...). Unverkennbar dringt die Soundvorliebe des Brian Joseph Burton, so der bürgerliche Name des Produzenten, für die Klangwelten der 1960er-Jahre durch. Die Allianz zwischen dem Produzenten aus New York und dem Sänger aus London wirkt nahezu unschlagbar: Jeder Song wirkt liebevoll arrangiert – jedes Instrument hat seinen würdigen Platz.
Dabei bringt Kiwanuka nicht nur den Sound einer vergangenen Epoche in die Gegenwart, sondern auch die Themen. „Black Man In A White World“ erinnert unweigerlich an die Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King Ende der 60er-Jahre. Die aktuellen Rassenunruhen in den Vereinigten Staaten zeigen auf deprimierende Art, wie nahe uns diese vergangene Zeit leider doch ist. „Stereotypen abbauen“ wolle er mit seinem neuen Album. Kiwanuka ruft dabei nicht zum sozialen Kampf auf, sondern zeigt mit Soul, wie verletzend diese Welt sein kann.
Michael Kiwanuka hat mit seinem „Home Again“ bereits den renommierten britischen „Mercury Prize“ gewonnen. Mit "Love & Hate" legt er nun ein starkes, wenn nicht sogar stärkeres zweites Werk nach. Und vielleicht schafft er es damit nach Luxemburg. Den Redakteur würde es freuen.
Michael Kiwanuka
"Love & Hate Polydor"
Universal 10 Songs, 55:02 min.
www.michaelkiwanuka.com
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