Welcome to Lana-Land
Welcome to Lana-Land
Von Diego Velazquez
2015 stellte das Spex-Magazin eine gewagte, aber gleichzeitig logische Wette auf. „Wetten, dass Lana Del Rey in der kommenden Twin-Peaks-Revival-Staffel auftauchen wird?“ Logisch, weil die Popkünstlerin Lana del Rey die Faszination, die sie ausstrahlt, aus den gleichen Elementen zieht, wie David Lynchs Kultserie, die 2017 ihr Comeback feierte: Die vernebelte Verfilmung eines zeit- und ortlosen Nordamerikas mit seinen Diners, Pick-up Trucks, verlassenen Tankstellen, verliebten Jugendlichen und endlosen Sommerferien. Gleichzeitig wird an dieser Idealwelt ständig gerüttelt: Selbstzerstörerische Romanzen, Aberglaube, Drogen und Gewalt unterminieren die verträumte und heile Oberfläche.
Die Wette, die das hippe Popmagazin aufstellte, wurde zwar bis jetzt nicht gewonnen, doch mit ihrem neuen Werk „Lust for Life“ kandidiert Frau Del Rey wieder für einen Gastauftritt bei „Twin Peaks“. Alle Elemente, die Lana Del Rey seit ihrem offiziellen Debut-album „Born To Die“ 2012 zur Twin-Peaks-ähnlichen Goldgrube für jeden Feuilletonjournalisten machen, sind auch in ihrem neuen Werk vorhanden. Manisch-verspielt streut Lana Del Rey wieder Anspielungen, Zitate und Widersprüche aus 60 Jahren US-Popkultur. Dazu dieses unheimlich selbstbewusste Retro-Dasein, das modern-modisch und lässig aufgelegt wirkt, gleichzeitig aber auch ehrlich-nostalgisch daherkommt. Dann noch dieser ständige Drahtseilakt zwischen Grande Dame der Popmusik und punkigem White Trash. Und und und.
Fast ununterbrochen darf der Zuhörer sich dann fragen, was das alles soll. In dem Titel des Stückes „God bless America – and all the beautiful Women in it“ kann man beispielsweise fast alles gegensätzlich interpretieren: von Patriotismus zum Feminismus, über eine reaktionäre Verherrlichung traditioneller Genderrollen und der Glorifizierung des Macho-Mannes.
Jenseits der Komfortzone
Aber man kann das auch alles sein lassen und sich bloß auf die Musik konzentrieren. Denn obwohl die hochintelligente Lana Del Rey sehr bewusst die Herzen der Popwissenschaftler und anderer Geeks schneller schlagen lässt, sollte dennoch ihr eigentliches Schaffen im Mittelpunkt stehen. Durch allzu viel Intellektualisieren könnte einem sonst entgehen, dass mit „Lust For Life“ ein Juwel des Popjahres 2017 vor uns liegt.
Lana Del Rey hat begriffen, dass sie ihre pompösen Schlafzimmerblick-Balladen nicht ewig bringen konnte. Dieser eigenartige Stil hatte sie auf den drei ersten Major Label Alben konsequent durchdekliniert und dadurch fast erschöpft. Es musste Variation her, ja gar Revolution. Schwierige Aufgabe allerdings für eine Künstlerin, die davon lebt, immer ungefähr das Gleiche zu tun und einen sehr hohen Wiedererkennungswert dadurch zu schaffen.
Doch Lana Del Rey kommt gestärkt aus dieser Herausforderung: „Lust For Life“ ist ihr vielfältigstes und unterhaltsamstes Album, weil Del Rey sich traut, ihre Komfortzone zu verlassen. Das ist insofern brisant, weil sie mit ihrer Komfortzone auch ihr eigentliches Verkaufsargument und Kunstkonzept opfert.
Die neue Abenteuerlust macht sich durch die vielen Zusammenarbeiten erkennbar. Fünf Gastsänger verteilen sich auf sechs unterschiedlichen Tracks. Darunter findet man Künstler, die vom Rapper ASAP Rocky bis hin zu Stevie Nicks reichen, der Frontfrau der Kultband Fleetwood Mac. Diese Vielfalt ist stellvertretend für die stilistischen Ausflüge, die Lana Del Rey auf dem neuen Album unternimmt. Natürlich sind auch pompöse Drama-Soulpop Nummern dabei, doch sind diese von einem viel konsequenteren Hip Hop Beat untermauert als sonst („Summer Bummer“). Auf „Cherry“ singt Del Rey fast ohne künstlichen Stimmeffekt und ist auf einmal mehr Indie-Rebell als Pop-Belladonna.
In „Change“, das sie am letzten Aufnahmetag einsang, hört man nur Stimme und Klavier. Diese Nacktheit ist neu. Und unheimlich schön. Lana Del Rey ohne brachiale und barocke Soundmauern? Als ganz normale Sängerin? Geht doch! „Beautiful People beautiful Problems“ und „Tomorrow never came“ wirken durch die Westerngitarren fast wie Country-Balladen. Endlich wird Lana Del Rey ihrem Americana-Image gerecht.
Die als Elizabeth Woolridge Grant auf die Welt gekommene 32-Jährige schenkt somit der Sängerin auf Kosten der Kunstfigur „Lana Del Rey“ mehr Raum. Leider verlieren sich die Höhepunkte des Albums in der übertriebenen Spiellänge (72 Minuten) ein wenig. Diese ist aber auch nur eine Konsequenz der Wende, die die Künstlerin mit „Lust for Life“ einschlägt: Weniger Prunk bedeutet nicht gleich weniger Lana.
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