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Treffen sich zwei Dandys
Kultur 1 2 23.03.2017 Aus unserem online-Archiv
Jarvis Cocker & Chilly Gonzales – Room 29

Treffen sich zwei Dandys

Zwischen Traum und Realität: Jarvis Cocker (r) und Chilly Gonzales.
Jarvis Cocker & Chilly Gonzales – Room 29

Treffen sich zwei Dandys

Zwischen Traum und Realität: Jarvis Cocker (r) und Chilly Gonzales.
Foto: Alexandre Isard/Deutsche Grammophon
Kultur 1 2 23.03.2017 Aus unserem online-Archiv
Jarvis Cocker & Chilly Gonzales – Room 29

Treffen sich zwei Dandys

Pol SCHOCK
Pol SCHOCK
"Room 29" heißt das neue Album von Jarvis Cocker und Chilly Gonzales. Die beiden alten Freunde mieteten sich zum Komponieren im Chateau Marmont am Sunset Boulevard in Hollywood ein - und schrieben Songs, die begeistern.

Von Vicky Stoll

Die Ankündigung dieses Albums, das auf dem Prestige-Label „Deutsche Grammophon“ erscheint, ließ vor allem die Dandyherzen der Pulp-Fans höherschlagen. Endlich wieder eine ganze Platte mit Lyrics im zynischen und charmant näselnden Sheffield-Akzent des Oberdandys und Vorbild vieler Brillenschlangen, Jarvis Cocker, der seit dem Erfolg seiner Band Pulp (Britpop für Akademiker und die, die es werden möchten) von der Legendenbildung um seine Person profitiert.

Cocker tut sich hier mit dem nicht weniger sagenumwobenen und gleichermaßen verschrobenen Pianisten und Komponisten Chilly Gonzales zusammen, einem seit Jahrzehnten in Berlin ansässigen Kanadier, der unter anderem mit Peaches, Feist und Daft Punkt zusammengearbeitet hat.

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Die beiden alten Freunde mieteten sich zum Komponieren im Chateau Marmont am Sunset Boulevard in Hollywood ein und benennen ihre Zusammenarbeit nach dem Zimmer mit der Nummer 29 („Room 29“), dessen Ausstattung anscheinend von einem kleinen Flügel komplettiert wird. Die Emotionen und Dramen, die sich in diesem Hotel in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten abgespielt haben, versuchen die beiden Querdenker nun in Form eines Liederzyklus’ zu kanalisieren.

Dabei wird Mark Twains Tochter Clara, die sich über längere Zeit im Zimmer 29 aufhielt, im gleichnamigen Song gleich in den Anfangszeilen Opfer von Cockers typisch bissigem Humor („Clara, dear Clara / How come your own father / was far smarter than you?“). Der Flügel stammt anscheinend von ihrem früh verstorbenen Ehemann, dem Pianisten Ossip Gabrilowitsch. So bereitet Cocker in jedem der 16 Songs eines der Schicksale, das seine Spuren auf diese oder jene Art in diesem Hotel hinterließ, lyrisch auf. Stets anwesend sind der kommentierende Unterton und die pointierte Beobachtung, die diese kleinen Geschichten auch sprachlich zu einem wahren Genuss machen.

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Nicht zu vergessen ist die wundervolle Klavierbegleitung, mit der Chilly Gonzales den Liedern Kontur verleiht. In „Bomshell“ beispielsweise unterstreicht er die Melodieführung, indem er Cocker in seiner gewohnt leicht schnoddrigen Art zwischen Gesang, Raunen und Flüstern auf den Tasten folgt. Beide ergänzen und komplementieren sich ständig.

„A match made in heaven“, diese Kollaboration ist ein Glücksfall. Das Produkt ist ein Zeugnis der jeweiligen Stärken seiner Urheber – Gonzales glänzt in seiner Komponisten- und Begleitfunktion, während Cocker als Erzähler und Crooner zu bezirzen weiß.