Peter Garrett: "Politik ist nicht immer hübsch anzuschauen"
Peter Garrett: "Politik ist nicht immer hübsch anzuschauen"
Peter Garrett, Sie waren Mitglied der australischen Regierung, Sie waren und sind aber auch ein professioneller Rockmusiker mit weltweiter Popularität. Werden Sie öfter zu politischen Fragen oder zu Musik interviewt?
Das kann man pauschal nicht sagen, es hängt vom Interviewer und dem Gesprächsverlauf ab. Für mich gibt es, wie Sie sich denken können, keine großartige Trennung zwischen den beiden. Mit einer wichtigen Ausnahme: Wir machen mit Midnight Oil Musik nicht, um politisch zu sein, oder um Menschen von einer bestimmten Ansicht zu überzeugen. Wir machen Musik, weil wir Musik lieben. Natürlich schreiben wir Songs darüber, wie wir denken, aber wenn wir Ansichten zum Ausdruck bringen wollen, machen wir das auf andere Art.
Ich selbst habe den politischen Aktivismus natürlich bis zum Äußersten getrieben und bin schließlich in der Regierung gelandet, aber ich würde uns als Band eher als kreative Menschen bezeichnen, die sich für Politik interessieren.
Sie haben beides erlebt – das professionelle Musikgeschäft und den Politikbetrieb auf nationaler und internationaler Ebene. Wie sehr unterschieden sich die beiden?
Sie sind sich ähnlich, insofern als sie beide von Menschen gemacht werden, die ihre Werte, Persönlichkeiten, und ihre Charaktere einbringen. Aus meiner Sicht gibt es keine großen Unterschiede zwischen den Menschen. Andererseits sind die Themen natürlich sehr unterschiedlich. Politik ist ein komplexer Prozess, dafür braucht man sehr oft seine linke Gehirnhälfte. Das ist auch nicht immer hübsch anzuschauen, aber am Ende doch die bisher beste Möglichkeit, Konflikte friedlich beizulegen und voranzukommen, Dinge für die Gemeinschaft, für das Land zu regeln.
Bei Musik geht es um Kreativität, um Inspiration, um Fantasie, das kann in viele Richtungen gehen. Man muss niemanden überzeugen, sie existiert um ihrer selbst willen. Unterm Strich sind das doch sehr verschiedene Dinge, wenn man sie genau betrachtet.
War es für Sie schwierig, sich zwischen diesen beiden Welten zu bewegen?
Ich wusste ja, was auf mich zukommt. Ich war lange vorher schon ein politischer Aktivist, ich leitete eine große australische Nichtregierungsorganisation. Man kann sagen, ich hatte wenig Illusionen über Politik. Zudem bin ich studierter Anwalt, und manche sagen über mich, ich sei von Politik besessen (lacht). Was mir aber währenddessen erst klar wurde, war, dass ich meine kreative Seite ein wenig „betäuben“ musste, während ich Berufspolitiker war. Sonst wäre es schwer gewesen, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren – große Verantwortungen, große Budgets und so weiter. Das war nicht ganz einfach.
Als ich zurück ins Musikbusiness kam, wusste ich aber eben nicht genau, was auf mich zukam. Und ich hatte eigentlich nicht das Verlangen, wieder auf der Bühne zu stehen, aber das Musik machen hatte ich schon vermisst. Als ich 2016 meine Soloplatte machte, hat das großen Spaß gemacht. Und als die „Oils“ sich wieder trafen und beschlossen, wieder zu spielen, wurde mir schnell klar, wie sehr ich das alles liebe und welch ein großer Teil das von mir ist. Es ist auch nicht immer einfach, aber es fühlt sich absolut richtig an, wieder auf der Bühne zu stehen.
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Midnight Oil haben immer schon sehr deutlich Stellung bezogen, wenn es um Umwelt und soziale Themen ging. Man hat Sie als Umweltpolitiker mitunter an diesen Texten gemessen. Ist das umgekehrt auch so – wird der Musiker Peter Garrett nach dem ehemaligen Umweltminister gefragt?
Eigentlich nicht. Jeder Mensch beteiligt sich unterschiedlich stark an täglicher Politik. Wer Tagespolitik verfolgt und Anhänger meiner Partei war, der wird das auch weiterhin sein. Wer Anhänger der Rechten ist, wird mich immer noch nicht gut finden. Das ist die politische Trennlinie, die es nun einmal gibt. Wer nur gelegentlich hinschaut, weil er auf Facebook etwas liest oder im Fernsehen sieht, dem ist vielleicht nicht ganz klar, was ich als Politiker gemacht oder nicht gemacht habe. Viele haben damals erwartet, dass der berühmte Sänger jetzt auch ein berühmter Parlamentarier wird. Es war aber eher so, dass ich in eine Partei eintrat, in die Regierung kam und dann ein disziplinierter, moderner Politiker wurde. Manche Leute hatten Schwierigkeiten, das unter einen Hut zu bringen. Nach einer Weile hat sich das aber alles beruhigt.
Aber das Witzige ist: Ich kenne Leute, die meiner Politik total ablehnend gegenüber stehen, die kommen immer noch zu unseren Shows und singen unsere Lieder mit. Das ist doch toll!
Macht Sie der Gedanke eigentlich wütend, dass Sie fast alles, was jetzt gerade auf der Tagesordnung steht – Klimawandel, Umweltzerstörung, Minderheitenrechte – schon vor über 30 Jahren in Ihren Texten vorweggenommen hatten? Hat man Ihnen nicht zugehört?
Ich bin nicht wütend. Wir sind, wie gesagt, absolut unvoreingenommen. Jeder und jede, in jedem Land, in Europa, in den USA, in Brasilien, in Australien, ist frei, unsere Liedtexte zu interpretieren. Es stimmt natürlich: Wir waren auch überrascht, als wir zum ersten Mal seit Jahren die alten Songs wieder zusammen spielten, wie aktuell diese Songs zum Teil noch sind und wie deutlich wir damals über Dinge gesprochen haben, bevor es andere getan hatten. Es fühlt sich schon ein bisschen an wie ein Déjà Vu, weil die Songs noch so relevant sind. Einerseits ist das traurig, andererseits ist es sehr positiv: Wir haben noch was zu sagen. Es ist nicht zu spät, diese Songs zu hören, und vielleicht etwas damit zu unternehmen. Es ist Deine Sache, was Du draus machst, aber wir haben immer noch die Kraft zu sagen, was wir denken.
Wie stehen Sie als ehemaliger Umwelt- und Bildungsminister zu einer Bewegung wie „Fridays For Future“? Erreichen Sie noch die junge Generation? Oder gibt es da eine Kluft?
Nicht für mich. Ich stehe hinter dem, was die sagen und vor allem, wie sie es sagen. Wir brauchen eine neue Generation, die mit der nötigen Klarheit und Direktheit auftritt. Was unsere Shows angeht, haben wir natürlich kein junges Publikum. Die Leute, die mit unseren Songs aufgewachsen sind, sind heute mindestens Ende 30, eher um die 50. Aber die bringen jüngere Leute oder ihre Kinder mit. Wir haben eine größere Zielgruppe als wir dachten, vor allem in Australien. Wir erreichen sicher ein paar jüngere Leute. Ich glaube auch nicht, dass es eine Frage des Alters ist, es geht darum, was man im Herzen und im Kopf hat.
Wäre das dann nicht die perfekte Zeit für ein neues Album? Neue Songs für neue Leute?
Da haben Sie völlig recht (lacht). Wir haben auch schon angefangen zu schreiben. Rob (Hirst, Schlagzeuger) und Jim (Moginie, Keyboards und Gitarre) haben neue Ideen mitgebracht, ich habe auch ein paar. Wir wollten aber erst noch ein paar Konzerte spielen, zu denen wir 2017 nicht mehr gekommen sind, und dann sehen wir weiter.
Midnight Oil gastieren am Mittwoch, 19. Juni in Trier beim Porta hoch drei Open Air. Tickets ab 55 Euro. Weitere Infos: www.poppconcerts.de
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