Opderschmelz zerrt das Dunkel ins Bühnenlicht
Opderschmelz zerrt das Dunkel ins Bühnenlicht
600 Seiten Partitur, für die ihr Schöpfer George Enescu (1881-1955) beinahe 20 Jahre gebraucht hat. Als „Œdipe“ 1936 in Paris uraufgeführt wurde, feierte das Werk großen Erfolg. Es sollte aber die einzige Oper des rumänischen Komponisten, Dirigenten und Musikers bleiben.
Seitdem wird sie, im Vergleich zu Klassikern bekannter Publikumsmagneten wie Verdi, Mozart oder Wagner, selten aufgeführt. Ein Grund mehr, dieses lyrische Werk vor Publikum zu bringen, wenn auch unter dem Titel „Œdipe Redux“ in gekürzter Form.
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Die Möglichkeit bietet das interdisziplinäre Festival „Touch of Noir“, das an diesem Donnerstag im Kulturzentrum Opderschmelz beginnt und sich bis zum 23. November mit dem Düsteren in Musik, Film und Literatur auseinandersetzt. Auf dem Programm stehen bei dieser neunten Ausgabe des Düdelinger Festivals unter anderem Konzerte von Rome und Jason Moran and the Bandwagon sowie Filme von Tim Burton (Details siehe Kasten).
„Œdipe Redux“ wird am Dienstag, 19. November, um 20 Uhr auf die Bühne gebracht. „George Enescu war ein Genie und ist nie der Serialität anheimgefallen“, sagt der Jazzpianist und Komponist Lucian Ban, der sich gemeinsam mit dem US-amerikanischen Violinisten Mat Maneri an eine Neuinterpretation von Enescus Oper gewagt hat. Das Werk fasziniert die Musiker, weil es sich durch eine besondere Vielschichtigkeit auszeichnet.
„Enescu schrieb sehr komplex, er entwickelte seine Grundideen sehr stark weiter“, beschreibt Ban den Komponierstil seines rumänischen Landsmannes aus der Moldau-Region. „Seine Musik ist einzigartig, sie ist eine Synthese des späten Romantizismus und moderner Techniken des 20. Jahrhunderts.“ Überdies umfasst die stilistische Bandbreite auch hörbare Einflüsse aus Osteuropa.
Experimentieren mit Enescu
Eine der Herausforderungen bei „Œdipe Redux“ bestand für Ban und Maneri darin, die originale Oper von ihrer Gesamtspielzeit von rund zwei Stunden und 40 Minuten auf 75 Minuten zu kürzen. „Wir haben die wichtigen musikalischen und dramatischen Momente ausgewählt, aber auch Szenen, die wir klanglich einfach lieben“, erklärt Ban.
Bei ihrer Arbeit befand das Duo einige Nebencharaktere und den Chor als entbehrlich. Während die Sänger Jen Shyu und Theo Bleckmann mehrere Rollen bestreiten, wird den Musikern an Viola, Klavier, Klarinette, Bassklarinette, Trompete, Drums und Kontrabass auch Raum für Jazzimprovisationen gelassen.
George Enescu war ein Genie und ist nie der Serialität anheimgefallen.
Lucian Ban
Eine Brücke, die schon in der Komponierweise Enescus enthalten ist. „Einige seiner Werke waren so jazzig und ihrer Zeit voraus, dass man kleine Teile herauslösen und von einem Jazzquintett spielen lassen könnte“, sagt Ban, der sich seit mehr als zehn Jahren intensiv mit dieser Musik auseinandersetzt.
Den Anfang unternahm Ban, bereits mit Maneri, als er 2009 mit berühmten New Yorker Jazzmusikern im Enesco Re-Imagined Octet zusammengearbeitet hat. Aus dieser zeitgenössischen, rein instrumentalen Jazz-Neuinterpretation von kammermusikalischen Stücken Enescus entstand im Jahr 2009 in Bukarest das Live-Album „Enesco Re-Imagined“, das von dem Oktett seitdem auf mehreren Festivals in den USA und in Europa vorgestellt wurde.
Verblüffender Vielbegabter
Als Komponist hinterließ Enescu auch Sinfonien und vor allem Kammermusik für Streicher und Klavier, aber auch mehrere Lieder und Chorwerke. Sein Wissen gab der Musiker und Pädagoge, der zeitweise für den Dirigentenposten des New York Philharmonic Orchestra im Gespräch war, auch weiter. So zählen Yehudi Menuhin und Arthur Grumiaux zu seinen berühmtesten Schülern.
Ban, der schon 2008 mit seinem Sextett in dem Düdelinger Kulturzentrum aufgetreten ist, hat großen Respekt vor Enescu und weiß zahlreiche Anekdoten aus dem bewegten Leben des Vielbegabten zu berichten, der neben seiner Kompositionstätigkeit als Violinist und Pianist gefragt war und ein exzellentes Gedächtnis besaß.
„Als er am Pariser Konservatorium gemeinsam mit Maurice Ravel studierte, sagte Ravel einmal: ,Macht euch keine Sorgen, falls wir einmal alle Bach Partituren verlieren sollten, Enescu kann sie alle auswendig.‘“ Ähnlich verblüffend ist das Ende, das er seiner einzigen Oper gegeben hat. Folglich schließt auch „Œdipe Redux“, so verspricht es Ban, unerwartet – nämlich fröhlich.
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„Œdipe Redux“ am Dienstag, 19. November, um 20 Uhr, im Kulturzentrum Opderschmelz. Karten 25 Euro, 30 Euro an der Abendkasse.
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