"Moby Dick": Autor Melville von Zeitgenossen verspottet
"Moby Dick": Autor Melville von Zeitgenossen verspottet
(KNA) - Der fanatische Kapitän Ahab auf der Jagd nach Moby Dick, dem weißen Wal - mit dieser Figur hat sich Herman Melville ins Gedächtnis der Literatur- und Filmbegeisterten eingeschrieben. Vor 200 Jahren, am 1. August 1819, wurde er in New York geboren. Dort starb er auch 72 Jahre später. Dazwischen lag ein Leben, das geprägt war von wenigen Erfolgen, vor allem aber von Niederlagen.
Dabei ist über den Privatmann Melville vergleichsweise wenig bekannt. Seine finanzielle Situation war von Kindheit an schwierig. Sein Vater, ein Banker, musste Konkurs anmelden, und das bedeutete für den 12-jährigen Herman das Ende der Schulzeit. Fast noch ein Kind, arbeitete er mal hier, mal dort. Eine Zeit lang war er Handlungsgehilfe im Pelzgeschäft seines Bruders.
Mit 20 Jahren heuerte er als Schiffsjunge an, erst auf einem Postschiff Richtung Liverpool, später auf einem Walfänger. Der Walfang war zu seiner Zeit ein Rückgrat der amerikanischen Wirtschaft, wobei vor allem das Öl von Bedeutung war. Mit Waltran wurden Lampen am Brennen gehalten, Maschinen geschmiert und Margarine hergestellt.
Große Reisen und wenig Geld
Doch Melville hatte schnell genug von den harten Bedingungen an Bord. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit desertierte er und gelangte auf abenteuerlichen Wegen aus der Südsee zurück in die USA. Später versuchte er sich als Lehrer - und scheiterte. Ob das an seiner formal unzureichenden Schulbildung lag, ist nicht bekannt. Sie hinderte ihn jedenfalls nicht am Schreiben. Melville verarbeitete seine Südsee-Erfahrungen in seinen ersten Romanen "Taipi" und "Omu". Die kamen gut an und machten den Autor gewissermaßen über Nacht berühmt.
In dieser Zeit meinte das Leben es gut mit Herman Melville. Er heiratete, wurde Vater von vier Kindern und zog mit seiner Familie auf eine Farm bei Pittsfield, Massachusetts. Aber bei diesen Anfangserfolgen blieb es auch. Von der Schriftstellerei konnte im 19. Jahrhundert ohnehin kaum jemand leben, das ging Melville nicht anders.
Den Bauernhof hatte deshalb der Schwiegervater bezahlt. Der finanzierte auch eine Erholungsreise, als Melville 1856 schwer an Rheuma erkrankte. Bis nach Palästina kam er in dieser Zeit. Auch später brach er immer wieder auf, reiste nach Europa oder arbeitete als Seemann. Die meiste Zeit aber verbrachte er mit Schreiben, trotz ausbleibender Anerkennung.
Das exotische Ambiente seiner Südsee-Romane gefiel den Lesern, aber seine nächsten Werke empfand die Kritik schlicht als Zumutung. Er sei ein Fall für die Psychiatrie, meinten die Rezensenten übereinstimmend, als im Jahr 1852 "Pierre oder die Doppeldeutigkeit der Dinge" erschien: "Je eher dieser Schriftsteller in Gewahrsam genommen wird, desto besser."
Der Roman hat auch nach Meinung heutiger Literaturwissenschaftler deutliche Schwächen. Das vernichtende Urteil lag aber vor allem daran, dass sich Melvilles Opposition zum Literaturbetrieb der Zeit darin offenbarte. Der war stark moralisch und religiös geprägt. Melville aber schrieb gegen einen Protestantismus an, der in jenen Jahren zunehmend eine wirtschaftliche Prägung erhielt. Den amerikanischen Fortschritt als Synonym für Gottes Werk der Erlösung zu deuten, das erschien ihm als Pervertierung des Christentums.
Schwere Schicksalsschläge
Mit "Moby Dick", zwei Jahre zuvor erschienen, war es Melville nicht besser ergangen. Der Roman beruht auf einer wahren, vielfach dokumentierten Begebenheit. Im 20. Jahrhundert wurde er als Meisterwerk der amerikanischen Literatur gefeiert, bei der zeitgenössischen Kritik aber fiel er komplett durch. Nur 3.000 Exemplare wurden zu Melvilles Lebzeiten davon verkauft.
Privat musste Melville schwere Schicksalsschläge erleben. Die von unterdrückter Homosexualität geprägte Freundschaft mit dem von ihm sehr bewunderten Schriftsteller Nathaniel Hawthorne hielt nicht lange. Seine beiden Söhne begingen Selbstmord. Ab 1866 arbeitete er als Zollinspektor im New Yorker Hafen. Er schrieb immer weiter, aber auch sein Spätwerk - kürzere Prosatexte wie "Bartleby der Schreiber" oder "Billy Budd" - fand erst nach seinem Tod Anerkennung.
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