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Klingt nach Goa-Party, fühlt sich an wie Hypnose
Kultur 2 3 Min. 14.03.2017 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif

Klingt nach Goa-Party, fühlt sich an wie Hypnose

Passend zur Musik: Noveller bedeutet auf Schwedisch "Fiktion" oder "Kurzgeschichte"
Wiessel mol d'Scheif

Klingt nach Goa-Party, fühlt sich an wie Hypnose

Passend zur Musik: Noveller bedeutet auf Schwedisch "Fiktion" oder "Kurzgeschichte"
Foto: Fire Records (Cargo Records)
Kultur 2 3 Min. 14.03.2017 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif

Klingt nach Goa-Party, fühlt sich an wie Hypnose

Die zwei Musikwelten von Andi Otto und Noveller: zwischen der Entfaltung eines musikalischen Ungetüms und dem Layering von melodischen Höhepunkten.

Von Vicky Stoll

Die zwei Musikwelten von Andi Otto und Noveller: zwischen der Enfaltung eines musikalischen Ungetüms und dem Layering von melodischen Höhepunkten.

Andi Otto –„VIA

Wer bei „Bangalore Whispers“, dem hypnotischen ersten Track von „VIA“, nicht im Rhythmus mindestens irgendwie mitwippen oder zucken muss, der sollte vielleicht mal nachtasten, ob er noch Druck auf der Schlagader hat.

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Andi Otto, unter anderem Komponist und Dozent der Kulturwissenschaften aus Hamburg, erzählt zwar bereitwillig in zahlreichen Interviews, dass auf diesem Album sein Cello den Ton angibt. Letzteres hat er jedoch mithilfe von diversen Effekten derart entfremdet, dass man bei vielen Tracks schon im Klangfeld suchen muss, wenn man es denn erhören will.

Wollte man der Musik unbedingt ein Label aufdrücken, so trifft es das Prädikat atmosphärisch-rhythmischer Minimalelektro noch am ehesten, hantiert und kleckert Otto doch ohne Rücksicht auf Kritiker und Hörer völlig ungeniert und zum Teil charmant unmanierlich mit ganz unterschiedlichen Genres, sei es Dub („Dub for Ian Waterman“), Drum’n’Bass („Dharti Echo“) oder „Minimal Music“ à la Steve Reich und Co. Im Titel des Tracks „Everybody Needs a Modular Kraut Session“ wird diese wilde Mischung zudem ironisch kommentiert.

Streifzug zwischen Hamburg und Bangalore

Auch der Albumname VIA kommt nicht von ungefähr, ist er doch eine Anspielung auf die Reise, den Weg von einem Ort zum anderen und das Unterwegssein. Von Hamburg bis Bangalore? Die Einflüsse indischer Musik und die im Mittelpunkt stehenden perkussiven Elemente – Otto ist auch Schlagzeuger – bilden dabei die wichtigsten Konstanten.

„VIA“ ist tanzbar und entspannend gleichermaßen, erinnert stellenweise stark an den Landsmann Recondite (z. B. „Kyoto Pebbles“) und hat dabei sehr viel zu bieten, ohne jemals seine Hörer zu überfordern. Wem der Stil zusagt und wer nicht genug bekommen kann, der führe sich die Remixe von VIA zu Gemüte.


Andi Otto „VIA“ Label: PIingipung 11 Songs, 60 Min. CD: 16,99 Euro, Download: 9,99 Euro, Vinyl: 30,19 Euro www.andiotto.com


Noveller – „A Pink Sunset for No One“

„Noveller“ ist laut Online-Wörterbuch der schwedische Ausdruck für Fiktion/Kurzgeschichte – das passt vortrefflich zu dieser Musik, da die neun Tracks auf „A Pink Sunset for No One“ jeder für sich narratorische Kleinode sind.

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Wie in einer Erzählung schafft es die New Yorkerin Sarah Lipstate, die sich hinter dem Pseudonym Noveller verbirgt, innerhalb eines begrenzten zeitlichen Rahmens Klangschicht über Klangschicht und Melodiestrang über Melodiestrang zu legen, bis sich das Ungetüm zu einer emotionalen Wucht hochschaukelt, wie man sie zuletzt in den Werken von Bands wie „Godspeed You! Black Emperor“ oder Mogwai erleben durfte.

Die Entfaltung und die Exploration einer Idee

Allerdings stehen bei Noveller nicht das endlose Hinsteuern auf den erlösenden Höhepunkt und die damit einhergehende, immer unerträglicher werdende Spannung im Zentrum, sondern eher die Entfaltung und die Exploration einer Idee oder eines Gefühls.

Zum akustischen Völlegefühl kommt es in Bezug auf das Layering von Melodien und Sounds jedoch zu keinem Moment, Noveller dosiert die intensiven Momente gekonnt. Interessant ist, dass die Musikerin alle Klänge allein mit ihrer Gitarre und diversen Effektpedalen erzeugt.

Die zum Teil vertrackten („Rituals“), euphorisierenden („A Pink Sunset for No One“), meditativen („The Unveiling“) oder verstörenden („Trails and Trials“) Stücke vertonen Stimmungen und Eindrücke, indem sie beim Hören, fast einem Dichter gleich, Bilder und Visionen beim Hörer hervorrufen.

Dabei werden sowohl Drone-Sounds und synth-artige Flächen eingesetzt, meist steht ein sich wiederholendes Motiv im Mittelpunkt, das dem Lied seinen Stempel aufdrückt.

Novellers Musik ist alles andere als wohlklingende, gefällige oder beliebig einsetzbare Fahrstuhlmusik, ganz im Gegenteil: Sie bietet Ausflüchte, Geschichten, vertonte Gemütsverfassungen für diejenigen, die sich Zeit für einen Moment der Entspannung nehmen. 

Noveller „A Pink Sunset for No One“. Label: Fire Records (Cargo Records) 9 Songs, 38,39 Euro CD: 15,49 Euro, Download: 8,99 Euro, 
Vinyl: 24,99 Euro www.sarahlipstate.com



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