(K)ein Genre ohne Grenzen
(K)ein Genre ohne Grenzen
Glaubwürdigkeit und Originalität sind die beiden Eigenschaften, die eine TV-Serie zum Erfolgsschlager und Publikumsmagneten machen. So verwundert es umso mehr, dass die Produktdesigner bei Netflix sich mit ihrer Entscheidung für die US-Network-ABC-Produktion „Somewhere Between“ als neue Lizenzproduktion des Streaminggiganten so irren konnten. Nach nur wenigen Minuten im Pilotfilm dieser einer koreanischen Produktion nachempfundenen Serie liegt das Urteil auf der Hand: „Somewhere Between“ gehört wohl zum Schlechtesten, was der ansonsten doch auf ein Mindestmaß an Qualität bedachte US-amerikanische Serienmarkt derzeit zu bieten hat!
Natürlich ist die Story an sich bereits eine Herausforderung an den kritischen Zuschauer, doch haben vorangegangene Produktionen, wie z. B. die hervorragend gemachte britische Serie „The Bridge“, um nur diese zu nennen, gezeigt, dass Ausflüge in surreale Dimensionen der generellen Qualität einer Serie nicht unbedingt abträglich sein müssen. Doch was „Somewhere Between“ an thematischen, handwerklichen und schauspielerischen Mängeln kumuliert, kann in keinster Weise anderweitig aufgewogen werden.
Diese Serie ist schlichtweg eine Zumutung und die generell vernichtenden Kritiken nach dem Serienstart in den USA, aber auch nach Bekanntwerden der Lizenzübernahme durch Netflix in Europa, gipfelten in dem einhelligen Unverständnis darüber, wie man dem Zuschauer ein solches Machwerk gegen Bezahlung als Unterhaltung verkaufen kann. Und dass man bei Netflix selbst die Werbung vor dem Streamingstart am 28. September quasi auf null geschaltet hatte, zeigt wohl auch, dass man sich bei dem Streaminggiganten dieses Fehlgriffs in der Serienplanung wohl nur allzu bewusst ist.
Konfuser Plot und Grimassenkino
In der von Stephen Tolkin („Brothers & Sisters“) geschriebenen und produzierten Serie geht es um die absonderliche Geschichte einer Mutter, der erfolgreichen Nachrichtenproduzentin Laura Price (Paula Patton), deren Tochter Serena (Aria Birch) von einem Serienmörder entführt und ermordet wird. Bald schon in fantastischen Sphären, nachdem die verzweifelte Mutter nach ihrem Selbstmord von einer unbekannten Macht die Chance erhalten hat, eine Woche vor dem Tod ihrer Tochter wieder ins reale Leben zurückzukehren und den sich wiederholenden Ereignissen einen neuen Lauf zu geben, um so das Geschehene nachträglich abzuwenden.
Gleichzeitig hat ihr Mann, der Bezirksstaatsanwalt Tom Price (JR Bourne), es mit den Ermittlungen gegen einen geistig behinderten Frauenmörder zu tun, denn die abstruse Duplizität der Ereignisse will, dass gerade dessen Bruder Nico, ein heruntergekommener Cop, dieselbe Todeserfahrung wie Laura gemacht hat – also auch ins Leben zurückgekehrt ist – und nun so die Chance erhält, durch die Rettung von Serena auch seinen Bruder vor der Hinrichtung zu bewahren, der nur durch seine eigene belastende Aussage hatte ermittelt werden können.
Zusammen geben sich Laura und Nico (Devon Sawa) in ihrem neuen zeitversetzten Dasein daran, dem Schicksal einen Streich zu spielen und die Geschehnisse ungeschehen zu machen. Eine total überzogene Theatralik der Schauspieler – die tragikomische Mimik, z. B. bei Hauptfigur Paula Patton, ist ein einziges Grimassenkino – ein hektischer, zusammenhangloser, sich in einer verwirrenden Abfolge konstruktionslos aneinandergereihter Szenen erschöpfender Handlungsstrang, dazu ständige Flashbacks in die Zukunft, die die Handlung verständlich machen sollen, sowie gänzlich unrealistische Situationssprünge – aus heiterem Himmel erkrankt die gefährdete Tochter an einer gefährlichen Allergie in dem Flugzeug nach Hawaii, in dem ihre Mutter sie vor dem in San Francisco wütenden Serienmörder in Sicherheit bringen wollte – machen diese Produktion zu einem dermaßen missratenen Experiment, dass die Fortsetzung in einer nächsten Staffel wohl nicht von ungefähr noch in den Sternen steht.
Echte Freunde des Genres werden sowieso ohne Bedauern gerne darauf verzichten.
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„Somewhere Between“ ist als zehnteilige Staffel auf Netflix abrufbar.
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