Hinschauen statt konservieren
Hinschauen statt konservieren
(dco) - Einige wenige analoge Fotoschätze wie Edward Steichens Bilder und die von ihm kuratierten Foto-Ausstellungen sind in den letzten Jahren mit viel Aufwand und Geld restauriert und neu inszeniert worden. Doch was ist mit dem restlichen fotografischen Erbe des Landes? Reine Verwaltung ist den Experten rund um die Fotografie zu wenig. Es geht um mehr: bessere Aufarbeitung, das richtige Marketing und die Suche nach neuen Ansätzen in der Fotografie.
2,7 Millionen Bilder, gebannt auf Glasplatten, Negativen, Papierabzügen und Dias, verzeichnet aktuell die hauptstädtische Photothèque in ihren Lagern. Im Vergleich zu den 3000 Bildern, die pro Sekunde, laut Angaben des Netzwerks auf Facebook hochgeladen werden, ist das vergleichsweise verschwindend gering. Und doch engagiert sich die Leiterin der Institution um die fotografische Dokumention der Hauptstadt, Martine Theisen, dafür, dass alle unter bestmöglichen Standards digitalisiert und genau beschrieben werden. „Fünf bis zehn Jahre werden sicher vergehen, bis wir die Sammlung komplett ins Internet stellen können, sie somit der Öffentlichkeit noch besser zugänglich machen und die Originale schonen können.“
Historische, identitätsstiftende Schätze finden sich darunter wie die Bilder von Vater und Sohn Kutter, Tony Krier oder Théo May. „Das Interesse an diesen Bildern ist groß, weil sie für die Menschen einen hohen emotionalen Wert haben oder sie auf die Fotos als historische Quellen der Baugeschichte angewiesen sind, wenn es sonst nur wenige Dokumentationen zur Substanz und Entstehung gibt.“
Universitätsprofessor und Fotografieexperte Paul Di Felice fordert allerdings ähnlich wie Theisen eine klarere Auseinandersetzung mit dem Material: „Es reicht eben nicht, die fotografischen Sammlungen, die bestehen, einfach nur zu verwalten und Einzelanfragen einfacher möglich zu machen. Es braucht eine wissenschaftliche und öffentliche Aufarbeitung des Erbes. Nur dafür gibt es zum Beispiel an der Universität bisher zu wenig Interesse, kein Budget und auch keinen klaren Ansatz. Zumindest noch nicht“, so der Hochschullehrer.
Breites Engagement ohne gemeinsames Leitbild
Die fotografischen Sammlungen sind in den verschiedensten Institutionen mit sehr unterschiedlichen Aufträgen an das Erbe angelegt. Allein die Verwaltung der Bilder und Ausstellungen von Edward Steichen verteilt sich mindestens auf vier staatliche Stellen: das in Düdelingen angelegte „Centre national de l' audiovisuel“ (CNA), die hauptstädtische Photothèque, das Nationalmuseum und die „Spuerkees“ (BCEE).
Das Nationalmuseum wird seinen Steichen-Originalen im kommenden November einen eigenen Raum im neuen „Wiltheim-Flügel“ dauerhaft einräumen und die Bilder der Öffentlichkeit zugänglich machen. Zudem sammeln bzw. zeigen das Mudam, die Stadt Düdelingen über die Galerie „Nei Liicht“ oder auch private Kunstliebhaber im Land, wie die Rechtanwaltskanzlei Arendt und Medernach oder die Galerie Clairefontaine, zentrale zeitgenössische nationale wie internationale Fotografie.
CNA-Direktor Jean Back, dem die Steichen-Ausstellungen in Düdelingen und Clerf zugeordnet sind, wittert nach der Neu- bzw. Wiedereröffnung in Schloss und Wasserturm die Chance, endlich ein touristisches Konzept rund um Edward Steichen zu entwickeln. „Ich stehe mit Michel Polfer, dem Direktor des Nationalmuseums, im Dialog, die Steichen-Ausstellungen in Clerf, Düdelingen und der Hauptstadt, die ein internationales Publikum anziehen könnten, besser zu vernetzen und touristisch zu vermarkten. Wenn ein Konzept gelingt, ist es dann aber auch am Tourismusministerium, das zu unterstützen.“
Im Dornröschenschlaf liegt dagegen der Steichen-Saal in der BCEE-Galerie „Am Tunnel“. Übereinstimmend berichten Professor Di Felice wie auch Direktor Back, dass die Staatsbank ihre Sammlung – die neben Steichen-Werken auch herausragende internationale Werke von zeitgenössischen Fotografen enthält – nur ungenügend aufarbeite oder auch nur Teile als Leihgabe zur Verfügung stelle. Warum die Bank nicht deutlicher mit ihrer Kunstsammlung agiert, war trotz Anfrage bisher nicht zu ermitteln.
„Das CNA zeigt mit seinen Sammlungen aus dem Bestand von 500.000 Originalen, was man tun könnte“, sagt Jean Back. Allerdings kann er auch mit einem deutlich höheren Budget und dank dem politischen Rückenwind, den die Institution als offizieller Verwalter von Steichens Ausstellungen „The Family of Man“ und „The Bitter Years“ hat, mehr tun. Allerdings fehlt es Back an „Manpower“.
Nach dem Weggang von Daniela del Fabbro wurde die kuratorische Betreuung im „Pomhouse“, dem an den Wasserturm angeschlossenen Ausstellungssaal für die zeitgenössische Aufarbeitung von „The Bitter Years“, zwischen Back und der CNA-Kollegin Michèle Walerich zur normalen Tätigkeit ausgeteilt. Dazu fehlt es nicht nur in Düdelingen an Publikumszuspruch für die Konferenzen und Vorträge, die bereits stattfinden: „Ich denke es braucht auch Zeit, bis in der Öffentlichkeit durchgedrungen ist, welche Angebote wir rund um die Fotosammlungen im Land machen und welchen Wert sie haben. Das braucht Zeit und Veränderungen im Marketing.“
Aus Reinform wird Pluralismus
Und die heutigen Luxemburger Künstler? Wie arbeiten sie mit dem historischen Erbe und dem Medium Fotografie? Kevin Muhlen, künstlerischer Leiter des hauptstädtischen "Casino – Forum d'art contemporain“ stellt fest: „Heutige Künstler haben es schwer, wenn sie als Ausdrucksform in den allgegenwärtigen Bilderwelten wirklich nur auf das Medium Fotografie setzen."
Muhlen sieht eine breite Auffächerung unter den künstlerischen Auseinandersetzungen rund um die Fotografie. „Einige stellen sich der Digitalbild-Überflut, indem sie zum Beispiel Snapshots in Installationen kombinieren, hinterfragen und damit neue Gesichtspunkte auf moderne Bilderwelten schaffen. Die einzelne Fotografie – ob historisch oder zeitgenössisch – hat dabei aber keinen besonderen Wert im Vergleich zu anderen Medien.“
Die Künstler, die wirklich noch Foto und Video in Reinform nutzen, suchten eher nach „neuen Bildern“ – weg vom journalistisch-dokumentarischen, weg vom ästhetisch aufgeräumten Werbebild, weg von der rein realistischen Abbildung von Objekten.
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