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"Gore" von Deftones - Harte Avantgarde
Kultur 1 2 Min. 16.04.2016 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif

"Gore" von Deftones - Harte Avantgarde

Frühlingshaft - das Cover des neuen Deftones-Albums "Gore".
Wiessel mol d'Scheif

"Gore" von Deftones - Harte Avantgarde

Frühlingshaft - das Cover des neuen Deftones-Albums "Gore".
Foto: Warner Bros
Kultur 1 2 Min. 16.04.2016 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif

"Gore" von Deftones - Harte Avantgarde

Die wenigsten Bands, die in den 1990er gegründet wurden, schaffen es, bis in die Gegenwart immer wieder künstlerisch zu überraschen. Deftones aus Sacramento sind definitiv eine dieser wenigen. Ihr neues Album "Gore" ist eine Überraschung auf mehreren Ebenen.

Von Diego Velazquez

Die wenigsten Bands, die in den 1990er gegründet wurden, schaffen es, bis in die Gegenwart immer wieder künstlerisch zu überraschen. Die Band Deftones aus Sacramento gehört definitiv dazu.

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Ihr neues Album „Gore“ überrascht gleich auf mehreren Ebenen. Es ist das erste Werk nach dem Tod des Langzeitbassisten Chi Ceng. Wer ein Requiem erwartet hat, wird enttäuscht sein. Doch hier hört es bereits mit den Enttäuschungen auf. Denn mit „Gore“ zeigen Deftones erneut, dass sie wohl eine der aufregendsten aktiven Metalbands sind. Während viele der Alben, die dem Meisterwerk „White Pony“ aus dem Jahre 2000 folgten, als Stagnation auf höchstem Niveau beschrieben werden können, ist „Gore“ hingegen ein neuer Meilenstein zeitgenössischer harter Rockmusik. Ein Album, über dessen Tiefgang und Vision man sich wohl noch in 15 Jahren wundern wird, genau wie bei „White Pony“.

Deftones-Sänger Chino Moreno 2010 im Atelier.
Deftones-Sänger Chino Moreno 2010 im Atelier.
Foto: Pierre Weimerskirch

Na ja, genauso revolutionär wie „White Pony“ ist „Gore“ auch wieder nicht. Das liegt aber eher daran, dass dies schlicht unmöglich ist. 2000 lag die Welt dem New Metal zu Füßen, dieser Mischung aus harter Rockmusik und Hip Hop. Bands wie Korn und Limp Bizkit waren im Rockolymp angekommen. Und eigentlich gehörten Deftones auch zu dieser Gattung Bands, die in Skateboardhosen Metal mit Rap mixten.

Doch dann kam die Wende. „White Pony“ war ein radikaler Bruch. Anstatt die Erfolgswelle zu reiten, erfanden Deftones den Metal neu: Verträumte Poplieder wurden von schreienden Gitarren untermauert, atmosphärische Tonlandschaften mit Stimme und Schlagzeug gemalt, die dann in Ekstasen mündeten. Harter Rock versuchte ab jetzt, die menschliche Psyche zu erforschen.

Deftones waren ihrer Zeit voraus, und machten als Metalband bereits „Dream Pop“, da war Lana Del Rey gerade einmal 15 Jahre alt. Ein neues Genre wurde geboren: der Alternative Metal – oder Art Metal. Doch war diese ad-hoc- Schublade nur ein Beweis dafür, dass sich Deftones von jeglicher Kategorisierung definitiv emanzipiert hatten. „Gore“ ist dagegen weniger radikal. Und doch ist es seit „White Pony“ das kohärenteste und gleichzeitig vielseitigste Album der Band.

Einzigartig im Metaluniversum

Vereinzelte Stücke des Albums gehören zu den härtesten Momenten der Band. Die gedämpften Staccato Riffs und Beats, und Chino Morenos einzigartiger Schreigesang, schaffen eine atemberaubende Intensität. Die gebündelte Energie entlädt sich dann in ausgedehnten und langsameren Refrains. Wie Moreno es dabei schafft, harte Strophen, gefolgt von melodiösen Refrains, zu singen, ohne dem Kitsch zu verfallen, bleibt das bestgehütete Geheimnis der Band.

Zwischen Melodie und Metal: Auf "Gore" gelingt Deftones dieser schwierige aber ästhetische Spagat.
Zwischen Melodie und Metal: Auf "Gore" gelingt Deftones dieser schwierige aber ästhetische Spagat.
Foto: Warner Bros

Dabei erlauben sich Deftones ganz offen Flirts mit Klischees und Kitsch. Die lange geheim gehaltene Liebe zum „Classic Rock“, die bislang nur auf Coverversionen (beispielsweise „Simple Man“ von Lynyrd Skynyrd) zum Vorschein kam, wird jetzt offen erforscht. Ja, es gibt sogar Gitarrensolos.

„(L)MIRL“ ist die bis dato größte Liebeserklärung der Band an die klassische Rockmusik. Sägende Gitarrenarpeggios sorgen für den heiteren Grundton. Und die Struktur des Liedes ist dem Strophe/Refrain/Strophe/Refrain/Brücke-Muster sehr nahe – eine Seltenheit, die überraschend gut funktioniert.

Deftones eignen sich ein neues Repertoire an, und beweisen, dass sie auch nach etwa 25 Jahren Bandgeschichte nicht müde werden, neue Wege einzuschlagen. Paradoxerweise sind diese bislang von der Band unerforschten Wege Konventionen der Rockmusik.

„Gore“ ist demnach ein komplexes Stück Kunst, das dem aufmerksamen und geduldigen Zuhörer lange Freude bringen wird. Vorausgesetzt, er nimmt sich die Zeit, dem Album mehrere Hördurchgänge zu geben.


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