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Geschmackvoller Seitensprung
Kultur 1 3 Min. 16.02.2017 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif

Geschmackvoller Seitensprung

Lässig, ironisch, zynisch: Maarten Devoldere überzeugt als postmoderner Großstadtdandy.
Wiessel mol d'Scheif

Geschmackvoller Seitensprung

Lässig, ironisch, zynisch: Maarten Devoldere überzeugt als postmoderner Großstadtdandy.
FOTO: PLAY IT AGAIN SAM/PIAS
Kultur 1 3 Min. 16.02.2017 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif

Geschmackvoller Seitensprung

Pol SCHOCK
Pol SCHOCK
Jede Generation braucht einen Leonard Cohen. Wer einverstanden ist, sollte unbedingt in die erste Platte von Warhaus rein hören.

Von Diego Velazquez

Die belgische Band Balthazar gehört zweifelsohne zu den musikalischen „best kept secrets“ Europas. Wie kaum eine andere Band haben die Belgier es in den 2010er-Jahren geschafft, Rockmusik spannend, elegant und innovativ zu gestalten, ohne dabei belehrend zu wirken. Die Einzigartigkeit der Band besteht wohl darin, dass die Belgier quälend schöne Hymnen schreiben und gleichzeitig den Eindruck erwecken, es sei überhaupt nicht ihre Absicht. Beide Sänger Maarten Devoldere und Jinte Deprez wirken oft so distanziert und lässig, dass man glauben könnte, sie hätten eigentlich Besseres zu tun. 2016 und 2017 steht für die Band eine Pause an. Nun kann sich also herausstellen: Haben Maarten Devoldere und Jinte Deprez tatsächlich Besseres zu tun?

Während Jinte Deprez unter dem Namen J. Bernardt bald seinen Erstling herausbringen wird, ist das Soloalbum von Maarten Devoldere bereits Ende 2016 erschienen. Warhaus heißt das Projekt, „We Fucked A Flame Into Being“ das Werk. Warhaus, weil Maarten Devoldere „so was von flämisch klingt und schwierig auszusprechen ist“, so die lapidare Begründung. Viel über die Bedeutung des Werks gibt Devoldere nicht her. Braucht er auch nicht.

Ab dem ersten Stück ist klar, dass Devoldere sich von der Leichtigkeit der Indiepop Hymnen von Balthazar distanzieren will. „I'm Not Him“ ist deutlich düsterer und erinnert ab dem ersten Takt an das späte Werk von Leonard Cohen. Eine monotone Basslinie treibt den Beat an. Mit tiefer, nonchalanter Stimme philosophiert Devoldere knurrend über seine femme fatale – das Verb „singen“ wäre hier Fehl am Platz. Dazu weibliche Chöre. Im Hintergrund machen sich Klavier und Bläser bemerkbar und zeichnen das Bild einer verrauchten Jazzkneipe.

Der Dandy des 21. Jahrhunderts

Devolderes Klanguniversum steht bereits nach dem erstem Song. Er streift schwermütig als Dandy durch die Metropole. Und er zeigt uns, dass Trübsal auch unheimlich sexy sein kann. Es ist eine Welt voller „Champagne“, Freundinnen mit „langen Beinen“ und „Jura-Abschlüssen“, in der man „Ernährungsberaterinnen, Schneider und Engel“ bezahlt und trotzdem „Against the Rich“ donnert, wie Devoldere mit bissiger Ironie beschwört. Was sei denn schon „Glück ohne Chaos“, fragt er sich und schwärmt dabei von Exzessen und leidenschaftlich-zerstörerischer Liebe. Verrucht und vertrunken geht es her, von den Texten her sogar ziemlich obszön. Der Titel des Albums verriet es ja schon. Doch alles mit Klasse natürlich, denn dieser spielt immerhin auf einen Roman von D. H. Lawrence an. Dandy eben.

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Die Großstadt-Noir Ästhetik passt perfekt zu Devolderes selbstbewusster, aber sich nicht aufzwingenden Stimme. Der coolste Typ im Klub ist ja auch selten der, der einen am aufdringlichsten anlabert. Der Belgier bedient sich dabei sehr großzügig einem bekannten Klangarsenal, das die Vertonung einer berauschten Nacht seit den 1960er-Jahren prägt: scharfe und bluesige Gitarrenriffs à la Keith Richards, treibende Swing-Bläser, jamesbondeske Streicher und monotone Beats. Die Anspielungen auf Lou Reed, Serge Gainsbourg und Cohen sind offensichtlich.

Das alles klingt klischeehafter als es tatsächlich ist. Darin liegt wohl die Stärke des Werkes. Wie die glühenden und berauschten One-Night Stands und Affären, die er besingt, lebt Maarten Devoldere hier alles aus, was er mit seinen festen Bandpartnern nicht tun könnte, weil sie dafür dann doch einen Tick zu brav sind. Einiges mag dabei zwar unmoralisch klingen, doch aufregend und sexy ist es auf jeden Fall.

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Warhaus wird am 6. August auf dem Food For Your Senses Festival spielen.