Flüchtlingsdrama „Styx“ als sehenswerte Allegorie
Flüchtlingsdrama „Styx“ als sehenswerte Allegorie
Als der komplette Abspann von „Styx“ abgelaufen ist, folgen lange Momente der Stille. Erst dann setzt Applaus ein. Gestern haben sich Schüler das Flüchtlingsdrama des österreichischen Regisseurs Wolfgang Fischer in der Cinémathèque angesehen und sich zum Gedankenaustausch getroffen.
„Die Geschichte hat mich sehr mitgenommen“, sagt der 17-jährige David Steichen und erklärt, „der Film hat mir einmal mehr die Augen geöffnet, wie schlimm es den Flüchtlingen ergeht.“
„Styx“ ist eine packende Geschichte, die den Zuschauer auf keinen Fall kalt lässt. Das Drama, eine Koproduktion der luxemburgisch-österreichischen Filmgesellschaft Amour Fou, entfaltet seine Sogwirkung langsam, in ruhig gefilmten Bildern. Notärztin Rike (Susanne Wolff) ist es gewohnt, einen kühlen zu Kopf bewahren und besorgt, fremden Menschen das Leben zu retten.
Sie geht sachlich vor, ihre Stimme bleibt stets ruhig. Macht die kultivierte, in ihrer Sorglosigkeit naive und ambivalente Europäerin Urlaub, segelt sie allein durch den Atlantik. Selbst ein heftiger Sturm bringt sie nicht aus der Ruhe.
Als sie aber einen havarierten Fischkutter mit rund hundert Flüchtlingen erblickt, ist Rike in einer knallharten Realität angekommen: Sie steckt in einer allein unlösbaren Situation. Zugleich sieht sie sich auf eine Weise mit ihrem Gewissen konfrontiert, die keinen Raum zum Flüchten oder Verstecken zulässt. Nicht umsonst ist „Styx“ in der griechischen Mythologie der Fluss, der das Reich der Lebenden von dem der Toten trennt.
Starke Botschaft jenseits pathetischer Moral
Dass es diesem Kammerstück auf hoher See gelingt, den Zuschauer zu berühren, ist aber keineswegs selbstverständlich. Die Geschichte fesselt, weil Fischer den starken Stoff unaufgeregt umsetzt, frei von störendem Pathos und schweren Moralkeulen. Und weil der Film von einer überzeugenden Hauptdarstellerin getragen wird, die in ihrem Spiel ebenso auf unnötige Dramatikeinlagen verzichtet.
Das starke Trio komplett macht die Kameraführung von Benedict Neuenfels, der geradezu dokumentarisch filmt: sowohl die brutal schönen Naturgewalten als auch in Großaufnahmen das Spiel der Hauptdarstellerin. Am stärksten ist diese Bildsprache, wenn sie nur Rikes Blick zeigt, der sich auf Unausgesprochenes jenseits des Kameraausschnittes heftet.
Es ist ein Kinobesuch, der dazu führt, dass es dem Zuschauer mit seinen Wohlstandssorgen im Kinosessel unbequem wird. Dank ein, zwei Wendungen in der Handlung liegt die Flüchtlingsproblematik dann erst recht wie unter einem Brennglas auf das Wesentliche reduziert vor dem Betrachter: Was tun angesichts gefährdeter Menschen, denen sonst keiner helfen will?
Die Frage, wie man selbst handeln würde, schleicht sich irgendwann und unkontrollierbar in den Hinterkopf des Zuschauers ein.
Der mehrfach mit Preisen bedachte Film wurde unter anderem mit drei Österreichischen Filmpreisen (Regie, Drehbuch, Schnitt) und jüngst von der Ökumenischen Jury bei der Berlinale ausgezeichnet. Absolut empfehlenswert.
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"Styx" läuft ab dem 27. März im Ciné Utopia. Am 3. April findet eine Vorführung mit Susanne Wolff statt, organisiert von Serge Kollwelter der Asbl Table Ronde.
