Flanderns Caravaggio im MNHA
Flanderns Caravaggio im MNHA
Viel wissen Kunsthistoriker nicht über die Ausbildung von Theodoor van Loon, aber der prägendste Einfluss sticht markant hervor: Der flämische Maler war vom Werk des Caravaggio, dem italienischen Meister des Chiaroscuro, stark beeindruckt. Allerdings ging van Loon über seine italienischen Lehrjahre hinaus und fand in Flandern seinen ganz eigenen Stil, der den Adel begeisterte und mit dem er sogar seinen Zeitgenossen Peter Paul Rubens auf die Plätze verweisen konnte.
„Das Werk besteht nur aus wenigen Elementen, aber es ist sehr überzeugend und eines seiner schönsten Gemälde“, schwärmt Sabine van Sprang, Kuratorin der Musées Royaux des Beaux-Arts de Bruxelles (MRBAB). Die Kunsthistorikerin steht vor der „Pietà“. Die wenigen Figuren, Jesus, Maria und ein Engel, zeigen sowohl Trauer, Würde als auch Zärtlichkeit.
Die Figuren werfen tiefe Schatten und treten aus der Dunkelheit hervor. In ihrer Lebensnähe wirken sie regelrecht skulptural. So scheinen das rechte Knie und der linke Fuß von Jesus aus dem Bild zu ragen. Der Flame setzte hier Caravaggios Technik des Chiaroscuro meisterhaft um und übernahm ein Detail des großen Italieners: den leicht geöffneten Mund des toten Jesus.
Prägende Lehrjahre bei den Caravaggisten in Rom
Die „Pietà“ ist im MNHA in Gesellschaft anderer Werke ihres Schöpfers zu sehen: In der Schau „Theodoor van Loon – Ein Caravaggist zwischen Rom und Brüssel“ lässt sich die Entwicklung dieses talentierten und fast vergessenen Malers verfolgen.
Für die Ausstellung haben MNHA, Palais des Beaux-Arts (BOZAR) und MRBAB kooperiert, in Luxemburg ist nun eine Auswahl der Brüsseler Schau zu sehen.
Van Loon, um 1582 in Erkelenz geboren und 1649 in Maastricht gestorben, verlebte drei Aufenthalte in Italien: Zwischen 1602 und 1608 verweilte er in Rom, 1617 kehrte er für drei Jahre zurück, während er von 1628 bis 1632 das letzte Mal für längere Zeit in dem italienischen Kunstzentrum lebte.
In Italien wurde er von Caravaggio und dessen Nachahmern beeinflusst, er ließ sich von Marco Pino, Federico Barocci und Annibale Carracci inspirieren und bewegte sich in denselben Kreisen wie Rubens. 1604 hatte sich der Flame in Rom wahrscheinlich an der renommierten Accademia di San Luca eingeschrieben.
Aus van Loons italienischer Schaffensperiode ist allerdings nur ein Gemälde bekannt. Seine „Pietà mit Johannes dem Evangelisten und Maria Magdalena“ ist einem Werk von Pino nachempfunden. Der Flame kopierte die Komposition, verzichtete aber auf Pinos innerbildliche Lichtquelle in Form einer Sonne. Er schuf, wie Caravaggio, ein übernatürliches Licht, das von außen auf die Figuren zu fallen scheint.
Wieder in Brüssel entwickelte sich van Loon zu einem gefragten Maler, der bei der Auftragsvergabe seinen heute weitaus berühmteren Zeitgenossen Peter Paul Rubens durchaus ausstechen konnte. Schließlich war es van Loon, der für die Liebfrauenbasilika in Scherpenheuvel, ein wichtiges religiöses Bauwerk der Erzherzöge Albert und Isabella, sieben Mariendarstellungen lieferte.
Wie die Auftragsvergabe zeigt, war van Loon zu Lebzeiten berühmt und wurde am niederländischen Hof sehr geschätzt. „Van Loons Stil ist viel italienischer als der von Rubens, weshalb er im 19. Jahrhundert, zur Zeit aufkommenden Nationalbewusstseins, als nicht flämisch genug galt“, erklärt van Sprang den heute aber größeren Ruhm von Rubens.
Über flämische Details zur eigenen Bildsprache
Im Sinne der damaligen Gegenreformation ging es den Malern und ihren Auftraggebern darum, eine neue Spiritualität anzustoßen und den Betrachtern die Identifikation mit den Heiligen zu ermöglichen. Diesen Ansatz verfolgte auch van Loon in seinen hauptsächlich religiösen Werken, in denen er seine Technik weiterentwickelte.
Über die Jahre schälte er Figuren heraus, die immer wieder in seinen Gemälden auftreten: den Bärtigen, den Römer mit Helm und idealisierte Frauen. Und im „Abendmahl in Emmaus“, einem der häufigsten Motive der Caravaggisten, zeigt er eine eigene Bildsprache: auf dem Tisch liegt ein Messer, das auf Jesus zeigt, eine Kerze erhellt die Szene. „Das Gemälde ist aufgrund dieser Details sehr flämisch, und Caravaggio malte keine Kerzen als Lichtquellen.“
Noch prägnanter wird es mit „Mariä Himmelfahrt“ und „Anbetung der Hirten“, die mit ihren detailreichen Figuren auf den Betrachter einstürmen.
Durch seine vielschichtige Technik wurde Van Loon zu Lebzeiten schließlich selbst zur Referenz. So basiert das Gemälde „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ von Jan Verhoeven, das sich in der MNHA-Sammlung befindet, auf einem Werk des Caravaggisten aus Erkelenz.
Und durch diese Kopie kam auch diese Schau zustande. „Bevor wir Van Loons ,Pietà‘ als Leihgabe bekamen, informierte ich mich über diesen Maler. Dabei stieß ich aber direkt auf unsere, fast exakte Komposition von Verhoeven“, erzählt MNHA-Direktor Michel Polfer. „Ich kontaktierte verwundert die Kollegen in Brüssel und wir machten uns an die Arbeit.“ Das sehenswerte Ergebnis wird bis 26. Mai gezeigt.
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„Theodoor van Loon – Ein Caravaggist zwischen Rom und Brüssel“ bis 26. Mai im MNHA. Konferenzen: „Montaigu: l‘église de pèlerinage et les retables mariaux de Théodore van Loon“ am 14. März und „Les rois mages, Verhoeven et Van Loon“ am 23. Mai, je 18 Uhr. Thematische Führungen am 3., 10. und 31. März, 7. April und am 5. Mai, Beginn je 15 Uhr (7 Euro). Infos unter www.mnha.lu
