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Filmkritik der Woche: „Crimson Peak“ überzeugt, schreckt aber nicht
Kultur 1 3 Min. 24.10.2015 Aus unserem online-Archiv

Filmkritik der Woche: „Crimson Peak“ überzeugt, schreckt aber nicht

Stilsicher auf den Spuren des »Gothic Horror«. "Crimson Peak" ist eine Haunted-House-Story.

Filmkritik der Woche: „Crimson Peak“ überzeugt, schreckt aber nicht

Stilsicher auf den Spuren des »Gothic Horror«. "Crimson Peak" ist eine Haunted-House-Story.
Foto: LEGENDARY PICS
Kultur 1 3 Min. 24.10.2015 Aus unserem online-Archiv

Filmkritik der Woche: „Crimson Peak“ überzeugt, schreckt aber nicht

Vesna ANDONOVIC
Vesna ANDONOVIC
„Gorgeous“, Gothic, ganz Guillermo. Mit seinem neuen Opus, „Crimson Peak“, taucht del Toro, in die Königsklasse der düsteren Welten ein. Dennoch: So bildgewaltig die Atmosphäre auch ist, richtig zum Fürchten ist sie nicht.

Von Vesna Andonovic

Guillermo del Toro zählt wahrscheinlich zu den Regisseuren, denen man des Nachts nicht in einer dunklen Gasse begegnen möchte – aus Angst, er habe eine seiner furchterregenden Figuren im Schlepptau. Denn durchwandert man die Filmografie des Mexikaners dürften die Kreaturen aus Filmen wie „Pan's Labyrinth“ oder der „Hellboy“-Reihe nicht wirklich sonderlich vertrauenserweckend sein. Doch genau das ist es, was den Mann – und seine Werke – andererseits auch so interessant macht!

Mit seinem neuen Opus, „Crimson Peak“, taucht del Toro, beim Drehbuch unterstützt vom langjährigen Gefährten Matthew Robbins, mit dem er bereits 1997 „Mimic“ schrieb, nun in die Königsklasse der düsteren Welten ein: das traditionsreiche „Gothic“-Universum, in dem Literatur und Film gegenseitig durchaus befruchtend aufeinandertreffen. Der Erzählbogen kommt dabei gewollt ganz klassisch gemischt und gestrickt daher – und bietet alle Zutaten, die man in einer richtig guten Geistergeschichte der alten Schule so erwarten kann: junge unschuldige Frau, verführerisch-mysteriöser Mann, dunkle Geheimnisse, furchteinflößende Geister, düsteres Spukschloss, Knarren, Knarzen und Kerzenschein ...

Vom Comic-Bösewicht zum Gothic-Schwarm: „Loki“ – Tom Hiddleston.
Vom Comic-Bösewicht zum Gothic-Schwarm: „Loki“ – Tom Hiddleston.
Foto: LEGENDARY PICS

Nicht von ungefähr beginnt der Film dann auch mit dem Aufschlagen eines Buches, was nicht nur die literarischen Wurzeln symbolisiert, sondern auch den psychologischen Rahmen für Hauptfigur Edith Cushing (Mia Wasikowska) setzt. Und lange braucht die junge amerikanische Tochter aus gutem Hause, mit schriftstellerischen Ambitionen, nach ihrer Hochzeit mit dem geheimnisvollen britischen Baronet Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) nicht, um herauszufinden, dass das gemeinsame neue Heim, die marode herrschaftliche Allerdale Hall, in der sie nunmehr mit Ehemann und Schwägerin Lucille (Jessica Chastain) wohnt, düstere Geheimnisse birgt. Denn als sie plötzlich von Geistern heimgesucht wird, schwebt die junge Frau selbst in höchster Gefahr.

„Gorgeous and just fucking terrifying“ twitterte Stephen King, als Filmkritik – was zumindest hohe Erwartungen wecken dürfte. Liegt der amerikanische Meister des Horrors auch im ersten Teil durchaus richtig, so ganz schauerlich ist „Crimson Peak“ dann am Ende aber doch nicht, denn von der eigenen – wahrlich atemberaubenden – Kreativität buchstäblich übermannt, zeigt Guillermo del Toro an so mancher Stelle zu viel, wo er besser nur suggeriert hätte. Im Zuschauer die Saat der Angst zu pflanzen und gedeihen zu lassen wäre nämlich wirkungsvoller gewesen, als ihn damit zu überschütten.

Hommage an lange Tradition

Die Figur der Edith Cushing – als Hommage an „Hammer Films“-Schauspielikone Peter Cushing deutbar – ist in ihren Konturen ebenso klar und Genre-gerecht gezeichnet wie das faszinierend-düstere Geschwisterpaar Sharpe. Das Trio Mia Wasikowska/Tom Hiddleston/Jessica Chastain verkörpert hierbei die überaus klar konturierten Charaktere schlüssig – und, passend zum filmisch-sorgfältigen Konzept – definitiv schön anzusehen!

In einem Interview mit „The Daily Telegraph“ zitierte der Regisseur Leinwandadaptierungen von Shirley Jacksons „The Haunting of Hill House“ und Henry James „The Turn of the Screw“ als Nährboden für die eigene Arbeit.

Hauptfigur Edith Cushing (Mia Wasikowska)
Hauptfigur Edith Cushing (Mia Wasikowska)
Foto: LEGENDARY PICS

Diese weckt auch von den genutzten Mustern her flugs literarische Reminiszenzen – u. a. an Horace Walpoles 1764 veröffentlichten „The Castle of Otranto“ oder Jane Austens 1818 posthum erschienenen „Northhanger Abbey“. Dabei hätte der Regisseur wohl besser daran getan, sein Motiv der „Gothic Novel“ etwas stärker an Ann Radcliffes „The Mysteries of Udolpho“ (1794 ) anzulehnen und visuell etwas weniger barock-opulent zu klotzen und so die Fantasie des Zuschauers streckenweise stärker zu fordern als zu füttern. So bildgewaltig die Atmosphäre nämlich auch ist, richtig zum Fürchten ist sie nicht lange, zumal die Musik – wie bei vielen filmischen Vorlagen – als passendes Vorwarnsystem für Schockerszenen fungiert.

Die sichtbare filmische Wahlverwandtschaft mit der Technicolor-Patina der Filme eines Mario Bava ist dabei definitiv ebenso wenig ein Zufall wie der Hauch von Henry Fuselis „Albtraum“, der über dem Film schwebt. Das minutiös zusammengestellte Setting stammt dabei, nicht wie so oft aus der Computer-Trickkiste, sondern wurde im Studio komplett nachgebaut.

Ein schön schauerlicher Geisterfilm, der die Lektionen der alte Schule kennt und dabei trotzdem überraschend frisch und visuell ansprechend daherkommt. Prädikat sehenswert!

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