Festival Multiplica: Das Digitale entmystifizieren
Festival Multiplica: Das Digitale entmystifizieren
Mit seiner Hilfe können Sie bis zu 25.000 Follower auf ihrem Instagram- oder Twitter-Account gewinnen. Dafür brauchen Sie aber das Gewinnerlos. Ein Ticket an der „Get Popular Vending Machine“ des belgischen Künstlers Dries Depoorter kostet ein Euro.
Beim Multiplica-Festival in den Rotondes kann man sein Glück versuchen. Das Festival setzt wie gewohnt seinen Schwerpunkt auf künstlerische Anwendungen der digitalen Technologie und ist auf drei verschiedene Termine übers Jahr verteilt. März, April, Oktober, Dezember. Auftakt ist an diesem Wochenende in Bonneweg.
Dries Depoorter behandelt Themen wie Privatsphäre, künstliche Intelligenz, Überwachung und soziale Medien und entwickelt interaktive Installationen, Apps und Spiele. So hat er „Die with me“, „Stirb mit mir“, erfunden, eine App, die nur dann funktioniert, wenn die Batterie im Handy nur noch fünf Prozent Leistung aufweist. Erst dann gibt die App Zugang zu einem Chatroom, wo der Nutzer mit anderen plaudern darf, deren Handy in der selben Situation ist – kaum noch was im Akku, dafür noch vieles zu erledigen. Keine Fotos, keine Videos, das wäre zu energielastig, nur das Wesentliche darf geteilt werden bis zum definitiven Black-Out.
Außer der „Get Popular Vending Machine“ zeigt Dries Depoorter noch eine zweite Installation, beim diesjährigen Festival in den Rotondes, „24 h Sunrise/Sunset“, ein Video erstellt im Auftrag der Schweizer Stadt Sankt-Moritz und unterstützt vom Netherland Film Fund. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ist immer in der einen oder anderen Ecke des Planeten. Die 24-Stunden-Videoinstallation Sunrise/Sunset beweist dies in Echtzeit und das – mit Bildern von Überwachungskameras!
Vom Netzwerk und der Überwachung zum ganz Gewaltigen und Brachialen. Der Franzose Joanie Lemercier verweist mit seiner Video-Installation „La Forêt de Hambach et le Sublime Technologique“ auf die größte Maschine, die jemals vom Menschen gebaut wurde. Sie veranschaulicht das von Professor Rob Nixon beschriebene Konzept der „langsamen Gewalt“. Der riesige Bagger reißt kontinuierlich Ressourcen aus dem Boden, wobei dieses schrittweise Vorgehen weit weg von den Blicken der Welt stattfindet, so dass seine Auswirkungen von denen, die sie nicht sehen wollen, auch leicht ignoriert werden können.
Multiplica wirft Fragen auf und berührt. Deshalb auch eine Gesprächsrunde, in der Künstler, Aktivisten und Hacker die digitalen Gewohnheiten der Menschen hinterfragen und zugleich aufweisen möchten, wie Technologien das Engagement und Handeln für die momentan dringendsten Anliegen der Gesellschaft unterstützen – zum Beispiel durch Beiträge auf Wikipedia, um das Netz zu einem egalitäreren Raum zu machen. Die Konferenz ist ausgebucht, man kann sie aber auf dem Youtube-Channel und auf der Facebook-Seite der Rotondes am Freitagabend ab 19 Uhr und später in einem Replay verfolgen.
Audiovisuelle Konzerte und Edit-thon
Audiovisuelle Konzerte stehen ebenfalls auf dem Programm des Festivals. Während des Lockdowns suchte der deutsche Musiker und Komponist Frieder Nagel nach alternativen Möglichkeiten, seine Musik zu präsentieren. Er montierte dafür eine audiovisuelle Installation auf einen alten, majestätischen Baum, der automatisch zum Leben erwachte, wenn Parkbesucher nachts daran vorbeigingen. Der Baum war in eine abstrakte Myriade von Farben getaucht, die den Eindruck erweckten, er könnte jeden Moment abheben und diese Erde verlassen, während die musikalische Komposition abstrakte Umgebungsgeräusche und ferne, melancholische Melodien zusammenführte. Dieser ungewöhnliche Ansatz lieferte den Grundstein für eine neue EP des Musikers, „The Arrival“ die er zusammen mit dem französischen Digitalkünstler Maotik am Freitag in den Rotondes erstmals präsentieren wird.
Am Samstag tritt dann der japanische Künstler Ryoichi Kurokawa auf und zeigt „subsassemblies“, ein audiovisuelles Konzert, das die Beziehung zwischen Natur und dem von Menschen Geschaffenen durch die Perspektive der Architektur verfolgt.
Ryoichi Kurokawa, geboren 1978 in Osaka, lebt und arbeitet in Berlin. Er ist ein wahrer Poet des transformativen Kinos. Fast lyrisch transponiert er analoge Darstellungen der Natur, wie wir sie wahrnehmen, in digitale Flüsse voller atemberaubender Emotionen und Bilder. Die Hauptquellen seines Stücks sind 3D-Daten, die durch Laserscanning erfasst wurden, und gefilmte Aufnahmen von Architektur, Ruinen und Natur. Diese werden beim Abspielen der Musik verzerrt und wieder rekonstruiert, um eine neue Zeitlinie mit Schichten von Ordnung und Unordnung zu schaffen.
Ein letztes Projekt bei Multiplica, das sich sehr spannend ankündigt: Ein „Edit-a-thon“ mit dem Fokus auf Afro-Luxemburger. Um die Visibilität der schwarzen Künstler und Sportler in Luxemburg auch im Netz zu fördern und ein Gleichgewicht herzustellen, werden diese Persönlichkeiten während eines Schreibmarathons auf Wikipedia porträtiert. Bei Wikipedia sind nämlich hauptsächlich weiße Männer die Verfasser der Beiträge.
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