Doku seziert kolossales Festival-Fiasko
Doku seziert kolossales Festival-Fiasko
Von Kathrin Koutrakos - Es sollte die exklusivste, die wildeste, ja – einfach die größte Party aller Zeiten werden. Endlose Strände, an denen sich Topmodels räkeln, Privatjets, angesagte Bands. Und Preise, bei denen die exklusive Klientel unter sich bleiben würde.
Das Fyre-Festival auf den Bahamas ging 2017 allerdings nicht als größte Party, sondern als größter Reinfall aller Zeiten in die Geschichte ein: traumatisierte Gäste, eine Klagewelle und ein Gründer im Knast – das ist die bittere Bilanz einer Veranstaltung, die neue Maßstäbe für das Scheitern gesetzt hat.
Für die Netflix-Produktion „Fyre: The Greatest Party That Never Happened“ hat Regisseur Chris Smith zwei Jahre später die Geschehnisse in einer über 90-minütigen Dokumentation in ihrer ganzen tragischen Bandbreite aufgerollt: Von den ersten Ankündigungen und dem weltweiten Hype in den sozialen Medien bis hin zur Katastrophe, als die Festivalbesucher ihren Jets entstiegen und sich nicht auf einem exklusiven Festival, sondern auf einer Baustelle mit Katastrophenschutzcharme wiederfanden.
Überfordert und überschätzt
Die Dokumentation beschränkt sich dabei nicht nur auf die Vorgeschichte und das Team um Festivalgründer Billy McFarland, sondern bettet die Geschehnisse ein in den marktwirtschaftlichen Kontext, dem sie entsprungen sind: Die amerikanische Start-up-Szene mit ihren oftmals ebenso überforderten wie überschätzten jungen Männern an der Spitze, Investoren, die mit der Aussicht auf schnellen Profit willig die Augen vor offensichtlichen Widersprüchen verschließen, und ein junges Publikum, das im Durchscrollen von hübschen Fotos auf Instagram und Facebook jegliche Medienkompetenz verloren hat. Im Hype um das Fyre-Festival kamen diese drei Gruppen auf prototypische Weise zusammen.
Die Werbung für das Festival war exzellent, keine Frage: türkisblaue Buchten, exklusive Gäste, luxuriöse Unterkünfte. Wie man jedoch eine Veranstaltung für mehrere tausend Besucher auf einer einsamen Insel ohne jegliche Infrastruktur organisiert, davon hatte das Marketinggenie Billy McFarland nicht den Schimmer einer Ahnung. Aber: Das focht ihn nicht an.
Die gnadenlose Selbstüberschätzung eines jungen Selfmadegründers, der seine geblendeten Mitarbeiter bis zur letzten Sekunde glauben machte, dass durch ein Wunder schon alles gut würde – in der Konzentration auf diesen Aspekt entwickelt die Dokumentation einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Akribische Recherche
Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Dieser Kernfrage geht Chris Smith in akribischer Recherche nach. Das Ergebnis ist ein Film, der den Zuschauer nicht unbeteiligt lässt: Man ist angeekelt von der Dekadenz einer Jeunesse dorée, die ohne mit der Wimper zu zucken mit Geld um sich wirft, als sei es Konfetti – nur, dass sie sogar dabei gelangweilt wirkt.
Man ist gleichzeitig fasziniert und abgestoßen von Billy McFarland, der wie ein Verschnitt schillernder Figuren der Weltliteratur erscheint: Er ist der Hochstapler Felix Krull, er ist der Lügenbaron Münchhausen, aber vor allem ist er der märchenhafte Kaiser ohne Kleider.
Denn zu den erhellendsten Passagen der Dokumentation gehören die Interviews mit ehemaligen Mitarbeitern, die freimütig erzählen, wie der Festivalchef ein System der Folgsamkeit geschaffen hat, das Unterwerfung als traumhaftes Privileg erscheinen ließ. Und ja: Manchmal empfindet man auch echte Schadenfreude über die kathartische Implosion einer narzisstischen Träumerei.
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„Fyre: The Greatest Party That Never Happened“ auf Netflix abrufbar.
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