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Der Superstar und die Kühle
Kultur 1 3 Min. 11.09.2016 Aus unserem online-Archiv
Wiessel mol d'Scheif - Unsere Musikkritik

Der Superstar und die Kühle

Frank Oceans neues Album "Blonde" beinhaltet 17 neue Songs.
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Frank Oceans neues Album "Blonde" beinhaltet 17 neue Songs.
Foto: Boys don't cry
Kultur 1 3 Min. 11.09.2016 Aus unserem online-Archiv
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Der Superstar und die Kühle

Die neuen Alben von Frank Ocean und Exploded View im Überblick.

Von Vicky Stoll

Frank Ocean - Blonde (R'n'B, Pop)

Der Hype um Frank Oceans „Blonde“ (auf dem Cover zu „blond“ stilisiert) ist gewaltig. Er hat derart unerträgliche Maße angenommen, dass manche sich gar weigern, das Album überhaupt anzuhören. Das ist angesichts der Hysterie nachvollziehbar. Es wäre trotzdem ein Fehler, denn Frank Ocean hat mit „Blonde“ tatsächlich alles richtig gemacht. Allein die Aufzählung aller Künstler, die mit an der Platte gearbeitet haben, würde diesen Artikel sprengen. Denn der amerikanische R’n’B-Sänger hat sich genreübergreifend die angesagtesten Musiker ins Studio geholt – bedauernswerterweise sind darunter nur drei Frauen.

Ein begnadeter Sänger

Über Oceans Gesangskünste ist alles gesagt, der Mann ist ein begnadeter Sänger. Was den Mehrwert dieser Platte ausmacht, ist, dass sie sich geschickt an sämtlichen Klischees des R’n’B vorbeibewegt. Angefangen bei der unglaublich organischen Produktion, die nie nach zugekleistertem Plastikpop klingt, sondern immer ausreichend Raum für Atmosphäre und Stimmung lässt.

Einige Lieder, wie z. B. das berührende „Ivy“ und das großartige „Solo“ kommen ohne Beats aus. Dadurch kann die mit Flangereffekt belegte Gitarre die Begleitfunktion in „Ivy“ wunderbar ausfüllen, während Ocean davon singt, wie er überraschenderweise von der Liebe vereinnahmt wurde.

Der Superstar selber ziert das Cover seines neuen Albums.
Der Superstar selber ziert das Cover seines neuen Albums.
Foto: Boys Don't Cry

Die Texte handeln überwiegend von allseits bekannten Themen, z.B. Herzensangelegenheiten, Umgang mit Bekanntheit, Lebenskrisen, allerdings verfügen alle Lieder über einen sehr persönlichen Einschlag. Anzügliche Plattitüden und Floskeln werden zielsicher umschifft. Auch der Einsatz von Vocodern und anderen digitalen Stimmeffekten bleibt stets geschmackvoll und nimmt nie Überhand. Nerviges Phrasieren oder sportliche Vokalübungen à la Whitney, Mariah oder Stevie sucht man auf dem Album vergeblich. Zwischen den einzelnen Liedern befinden sich immer wieder kurze Übergänge, die das Album als Ganzes erscheinen lassen.

Abgeschlossen wird die Platte durch das reflexive „Seigfried“. Hier ficht der Erzähler einen inneren Konflikt aus, der darin besteht sich zwischen dem Außenseiterdasein und der Bürgerlichkeit entscheiden zu müssen. Im Schlussrefrain („this is not my life, it’s just a fond farewell to a friend“) bezieht er sich auf den Song „A Fond Farewell“ des verstorbenen Songwriters Elliot Smith, der sich mit diesem Lied seiner Heroinsucht geschlagen gab. Ocean bettet dieses berührende Lamento in den eigenen Kontext ein und sorgt damit für den emotionalen Höhepunkt am Ende des Albums.

Exploded View – Exploded View (Dark Industrial Pop)

„You’re a Killjoy, little boy“ – mit dieser Phrase baute sich Annika Henderson (bekannt als „Anika“), die hochgewachsene, deutsch-englische Sängerin von Exploded View, kürzlich anlässlich eines Auftritts im Exhaus in Trier direkt vor einem Zuschauer auf, der ihr offenbar zu laut redete und trotz unerträglicher Hitze auch noch rauchte. Dabei sah sie ihn nicht an, sondern sang eiskalt über ihn hinweg, indem sie den Satz immer wieder in glasklarer, ungekünstelter Manier über die Lautsprecher schickte. Diese Mischung zwischen Nähe und Distanz kommt auch auf dem Album sehr deutlich zur Geltung. Die spärliche Instrumentierung und die warme Produktion sorgen dafür, dass man sich mitten auf der Bühne wähnt. Musikalisch bewegen sich Exploded View zwischen krautigem Garage-Rock und poppigem Industrial. Dabei reizen sie ständig die Grenzen aus zwischen unmittelbarer Zugänglichkeit und tranceartiger Atmosphäre.

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Etwa das oben genannte Lied „Killjoy“ besteht zu Teilen nur aus Bass, Schlagzeug und den gleichzeitig herablassenden und bedauernden Zeilen Anikas, nur um zwischenzeitlich überraschend ansprechende kakophonische Ausfälle zu erleiden. Von dem repetitiven „Lost Illusions“ über das rumpelnde „Disco Glove“ bis zum tanzbaren „Orlando“ bietet die Band auf ihrem Debütalbum eine große Bandbreite an Dynamiken.


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